Vergangenheit:
Zu Fuß stapfen sie durch das Moor. Die Sonne kletterte vor ihnen über den Himmel, während sie Mira in einer langen Schlange folgten. Die blonde Schwester von Fai war die leichteste von ihnen. Falls sie in eines der trügerischen Löcher im Sumpf fiel, konnten die anderen sie leicht daraus befreien.
Luca stolperte ganz am Ende der Reiche vor sich hin. Er war müde. Inzwischen sehnte er sich nach einem ausgiebigen, warmen Bad und einer Nacht in einem richtigen Bett. Das getrocknete Blut auf seiner Kleidung lockte einen Schwarm Mücken an. Er hatte sich mit dem brackigen Sumpfwasser so gut wie möglich abgewaschen, aber jetzt war ihm kalt, und sein durchtränktes T-Shirt hatte immer noch große, dunkle Flecken.
Als das düstere Gebäude vor ihnen auftauchte, legte sich gleichzeitig eine Wolke über Lucas Herz. Er musste an ihren ersten Besuch hier denken. Damals waren sie noch alle zusammen gewesen, und hatten nicht geahnt, was ihnen passieren würde.
Nun ja, Milo war bei ihrer Anreise bewusstlos gewesen, und Eve hatte sich aus einem fahrenden Auto gestürzt. Luca lächelte grimmig. Sie hatten bald gemerkt, dass nicht alles so war, wie es den Anschein hatte.
„Sollen wir wirklich so nah heran?“, fragte Maya, die von der Gruppe in die Mitte genommen worden war. Vielleicht vertraute Sam ihr nicht wirklich, denn er ging dicht hinter der Frau.
„Ich erinnere mich an Wölfe“, sagte Samstag ruhig. „Ich werde bestimmt nicht in das Moor gehen.“
„Aber die Wölfe sind nur die Haustiere der weißen Frau“, protestierte Maya. „Wollt ihr wirklich ins Haus?!“
Die fünf hielten an.
„Was erwartet uns denn dort?“, fragte Samstag.
„Da war diese Frau, die immer wie ein Wolf geheult hat“, erinnerte sich Amy.
„Und ein alter Mann, der uns unbedingt helfen wollte, und dann verschwunden ist!“, fügte Luca hinzu.
„Georgy hat euch geholfen?“, fragte Maya überrascht. „Das tut er sonst nie. Hat Angst vor der Wolfsfrau.“
„Schön. Und was sind diese Leute?“, fragte Samstag grimmig. „Geister?“
Maya nickte. „Die Wolfsfrau ist ein rachsüchtiger Geist. Man erzählt, ihr Mann habe sie umgebracht, die übliche Geschichte eben. Und er hat ihre Kinder kurz nach der Geburt den Wölfen vorgeworfen. Nach ihrem Tod ist sie wahnsinnig geworden, und die Seelen der Kinder wurden auf die Wolfsrudel verteilt, die ihr jetzt dienen.“
„Und Georgy? Ist er auch ein Geist?“, fragte Mira.
Maya nickte. „Er war der Gärtner. Angeblich empfand er väterliche Liebe für die Hausherrin und nach ihrem Tod folgte er ihr ins Jenseits, um sie zu beschützen. Was natürlich nicht mehr möglich war. Jetzt strolcht er ums Haus.“
Luca sah unwohl zu Samstag und Mira, aber die wirkten, als wäre eine solche Geschichte etwas Alltägliches. Auch Maya wirkte nicht im Geringsten erschüttert.
„Das ist doch furchtbar!“, flüsterte Amy leise und Luca grinste ihr an den anderen vorbei zu. Wenigstens einer, der sich nicht völlig von der Realität losgesagt hatte!
„Also müssen wir die Wolfsfrau erlösen?“, fragte Sam.
Maya nickte. „Oder sie anders vernichten. Wenn das euer Plan ist.“
Mira sah Maya fest in die Augen: „Wir vernichten die Show. Hotel für Hotel, bis wir bei Samira sind.“
Luca merkte wieder einmal, wie bescheuert ihr Plan eigentlich war.