Schatten in der Nacht:
Lautlos waren sie den Mitarbeitern der Show gefolgt. Karo, Max und alle anderen hatten die Aufgabe erhalten, die Gäste zu der Hütte von Norman Bates hin zu treiben, ohne sich zu erkennen zu geben. Luca, Amy, Sam und Mira hatten sich an ihre Fersen geheftet, um nun ihrerseits nicht entdeckt zu werden.
Einmal hatten sie geglaubt, sich verraten zu haben, doch es war bloß Karo, die um ein Haar von einer kleinen Gruppe der Gäste entdeckt wurde. Trotzdem raste Lucas Puls, als endlich das bekannte Schild in Sicht kam.
„Bates' Motel“, murmelte Amy leise.
Luca nickte. Als sie damals hier gewesen waren, hatten sie noch nicht geahnt, was ihnen bevor stand. Sie waren zwar ständig vor etwas geflohen, aber niemals mit so viel Nachdruck, um zu merken, dass sie gefangen waren.
Erst später hatten sie nach und nach verstanden, dass es kein Entkommen gab.
Sie warteten im Straßengraben, bis sie gesehen hatten, wie alle Mitarbeiter den Gästen zum Hotel folgten. Unbemerkt von Ersteren wurden sie von Norman Bates eingelassen.
„Was tun wir jetzt?“, fragte Luca an Sam gewandt.
„Was ist damals noch passiert? Wir hatten einen Arm im Fenster, richtig?“, meinte Samstag.
Luca erinnerte sich und nickte. „Als wir zurück kamen, war es aber nur ein Ast.“
„Also gehen wir zur Rückseite der Hütte und gucken, ob das stimmt“, meinte Sam entschlossen.
Sie krochen durch die Dornen, die das Motel von allen Seiten zu umgeben schienen. Bald waren Lucas Arme völlig aufgekratzt, eine Einladung für diverse Mücken. Er wagte nicht, sie zu erschlagen, weil es zu viel Lärm machen könnte. Seine Laune sank in den Keller, als sie sich in eine Deckung legten, von der aus sie die Hinterseite der Hütte im Blick hatten. Schnell hatte sich eine sirrende Wolke über ihnen gebildet.
„Es sollte eigentlich viel zu kalt für die Mistviecher sein“, murrte Amy und zog die Hände tief in die Ärmel ihrer Jacke.
„Sind vermutlich Kältemücken oder so“, meinte Samstag. „Die auch im Winter überleben.“
„Sowas gibt es?“, fragte Luca.
„Sowas hat sich bestimmt mal jemand gedacht, der in Finnland war“, gab Samstag zurück. „Und wenn ein Mensch sich das vorstellt, dann existiert es hier.“
Sie schwiegen eine Weile.
„Was ist eigentlich mit Tieren?“, fragte Luca und strich sich beharrlich über Arme und Gesicht, jedes Mal mehrere Mücken tötend, aber bei Weitem nicht genug.
„Hm?“, machte Samstag.
„Was ist mit Tieren? Wenn die sich was vorstellen?“
Samstag zuckte mit den Schultern: „Gibt es bisher noch keine Studien zu.“
„Diese Runde ist schlecht vorbereitet“, meinte Mira und riss Luca aus seinen humanpsychologisch-biologischen Überlegungen.
Sie deutete auf die Motelzimmer. „In jedem Raum brennt Licht, also bleiben sie unter sich. Ein paar von denen hätten Black Stories mitnehmen sollen!“
„War das euer Plan?“, fragte Amy verwirrt.
„Es war eine gute Möglichkeit, alle von unserer Tour ungezwungen zusammenzuhalten und im Auge zu haben“, sagte Samstag leichthin.
„He, da unten!“, flüsterte Mira plötzlich, die sich als Einzige noch auf das Motel konzentriert hatte.
Sie sahen hin. Da das Motel in einer Art Tal lag, befand sich eine Neigung zwischen ihnen und der Rückseite. Dort unten, vor den Fenstern, zeigten sich jetzt Gestalten in dunkler Kleidung – die Mitarbeiter. Verwirrt beobachteten die Versteckten, wie die Mitarbeiter an Fensterrahmen und Holzwänden kratzten.
„Was tun sie da?“, fragte Luca.
„Sie treiben die Gäste aus ihren Zimmern. In der Hoffnung, dass sie sich irgendwo versammeln“, überlegte Samstag.
Mit langsamen Schritten kam eine neue Gestalt in Sicht. Der Kleidung nach eine Frau mit Dutt, merkte Luca trotzdem sofort, dass an dem Körperbau und der Gangart etwas nicht stimmte. Selbst hier oben hörten sie den schweren Atem der Figur. Die Mitarbeiter wichen ihr nervös aus, obwohl die vermeintliche Frau sie kaum beachtete. Sie ging auf dem kleinen Hinterhof auf und ab – und wartete auf ihren Moment.
„Norman Bates!“, flüsterte Amy.