Das Wandern ist des Müllers Lust:
Als sie auf den Parkplatz kamen, waren die Reifen der drei Wagen zerstochen.
Samira hatte etwas in der Art angekündigt, trotzdem musste Max das Entsetzen nicht spielen.
Sie hatten die Autos immer im Blick gehabt. WANN waren die Reifen zerstochen worden?
„Scheiße“, sagte er und warf die Hände über den Kopf. Jason drückte Karo so besitzergreifend an sich, als wolle er sie vor dem Wind retten. Max' Wut wurde noch weiter angefacht. Er trat gegen einen Wagen. „Scheiße, verdammt! Das sind 19.000 Euro, verflucht noch eins! Welcher Spasti war das?“
Er hatte keine Ahnung, wie viel die Wagen wert waren, und hoffentlich auch niemand aus der kleinen Gruppe. Nachdem die Gäste hören mussten, dass das Telefon der Gaststätte leider kaputt war und sie ihre Handys schon seit dem vierten Hotel nicht mehr besaßen, waren sie jetzt den Tränen nah.
„Sieht so aus, als müssten wir zu Fuß gehen“, sagte Sarah, die den Jungen im Rollstuhl schob.
„Scheiße. Ja“, sagte Max. „Ich möchte nur hier weg!“
Also machten sie sich auf den Weg, nun zu 14 Leuten. Dass Karo und Jason ganz in ihrer Rolle Hand in Hand gingen, störte Max mehr, als er zugeben wollte. Was gab ausgerechnet Jason das Recht, den besorgten Freund zu spielen? Er selbst kannte Karo schon länger.
Ungefragt sah er wieder vor sich, wie sie ihm damals die Tür geöffnet hatte, als er in die WG gezogen war. Umrahmt vom hellen Licht aus dem Flur, ein richtiger Engel. Und ihre Haare hatten wie Gold geglänzt …
Nun, offenbar war ihr Jason lieber. Max würde ihr da nicht rein sprechen. Er würde die Hotels abschließen, und am Ende seinen Bruder befreien. Was Karo tat, konnte ihm egal sein. Es war überhaupt ein Wunder, dass sie bis hierhin gekommen war.
Er konnte sie genauso gut abschreiben.
Sie wanderten wieder in den Wald. Bald vibrierte Max' Hosentasche. Ein kleiner Sender darin sagte ihnen, dass der Bus des nächsten Hotels auf dem Weg war, und es höchste Zeit wurde, die Gäste allein zu lassen. Da diese keine ihrer Nachrichten entdeckt hatten und also auch nicht geflohen waren, musste es anders gehen.
„Ich … ich muss mal“, sagte Karo mit leiser Stimme und spähte besorgt in den dunklen Wald.
„Ich komme mit“, bot Jason sofort an und schlang den Arm um ihre Schulter. Karo lächelte ihn zuckersüß an. „Danke!“
Max unterdrückte einen Würgreiz und ließ die Gruppe anhalten. Karo und Jason blieben eine ganze Weile weg, bis ein gellender Schrei erklang.
„Scheiße, verdammt!“, sagte Jason und rannte los, so schnell, dass ihm keiner aus der Tour folgen konnte. Die zehn Gäste und Sarah blieben alleine am Straßenrand zurück, voller Furcht vor dem, was im Dunkeln lauern mochte.
Max bracht durch das Gebüsch und entdeckte Karo und Jason hinter einem Baum. Sie winkten ihn zu sich. Mit dem Rücken am Stamm rang Max nach Atem, dann stieß er einen lauten Angstschrei aus, der filmreif in einem Gurgeln unterging. Karo klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. Dann warfen sie Äste in Richtung der Straße, damit es klang, als würden sich unsichtbare Wesen den Tourgästen nähern.
Von ihrem Versteck aus konnten sie beobachten, wie die Gäste zurück wichen. Bald näherte sich ein Motorengeräusch und ein klappriger, altersschwacher Wagen mit eingeschlagenen Fenstern hielt bei den verängstigten Jugendlichen.
Der rostige Bus schluckte die elf und knatterte dann davon.
Max, Karo und Jason verließen das Gebüsch und setzten sich an den Straßenrand. Die Sonne ging endlich auf, während sie in der Kälte darauf warteten, dass ihr eigener Bus kam.
„Hätte es hier nicht Geister oder so geben sollen?“, fragte Max.
„Eigentlich schon“, sagte Jason und spähte zwischen die Bäume. „Glaubt ihr, diese Mördergruppe hat wieder zugeschlagen?“
„Du meinst Amy und Luca und die beiden anderen?“, fragte Max. Er schüttelte sich. Wozu mochten die vier noch fähig sein? Waren sie vielleicht in der Nähe?