Schlechter Tausch:
Die Schreie hallten in Karos Ohren nach.
„Nein, bitte!“, hatten sie geschrien. Gefleht.
Der Junge, die Frau und der Mann, die Max zurückgelassen hatte.
Karo konnte immer noch nicht verstehen, warum Max das getan hatte. Er hätte zu mindestens einen noch retten können. Es bestand ja kaum noch ein Zweifel daran, dass die Zurückgelassenen nicht mehr lange leben würden.
Karo zitterte. Ihr Wagen hatte vor dem großen Tor eines Vergnügungspark gehalten. Samira und Max waren irgendwo draußen, sie war mit Jason allein. Ein leichter Regen trommelte gegen die Scheiben.
Aus dem Park drangen seltsame Geräusche herüber. Schreie und Gelächter. Karo hoffte inständig, dass die Geräusche von einer Attraktion stammten, denn der Park sah aus, als wäre er seit Jahren verlassen.
Sie hielt es nicht länger aus. Mit einer plötzlichen Bewegung stand sie auf und ging nach vorne, um sich neben Jason zu setzen. Der sah sie mit hochgezogenen Brauen an.
Karo lehnte sich gegen ihn und legte den Kopf auf seine Schulter. Sie wunderte sich selbst ein wenig darüber. Früher hätte sie so etwas nicht gewagt, aber jetzt brauchte sie Jason.
Er legte den Arm um ihre Schulter. „Was ist denn los?“
„Es ist alles furchtbar“, murmelte Karo leise. „Weißt du, wie viele Hotels es noch sind?“
„Nur noch der Park. Und dann kommt Hotel Waldesruh“, sagte Jason leise. „Wir sind fast durch.“
Karo sah auf ihre Hände. „Ich würde so gerne aufgeben“, gestand sie.
Jason schwieg.
Karo lauschte seinem Herzschlag.
„Wirst du aufgeben?“, fragte er schließlich.
„Ich weiß nicht“, sagte Karo. Sie dachte an ihre Eltern. „Ich darf nicht. Aber ich weiß nicht, ob ich das durchhalte.“
„Bisher hast du durchgehalten“, sagte Jason.
Karo griff seine Hand und spielte mit seinen Fingern. Jetzt wurde sie doch nervös.
„Weil du bei mir warst“, sagte sie leise. „Du hast dafür gesorgt, dass ich durchhalte.“
Jasons Finger schlossen sich um ihre Hand. Karo merkte, dass ihre Stimme zitterte. „Aber was, wenn dir etwas zustößt? Wenn Max dich nicht gewählt hätte, wäre ich jetzt alleine!“
Jason nahm sie in den Arm und wiegte sie sanft.
„Karo, ich verspreche dir etwas, okay? Ich verspreche dir, dass ich bei dir bleibe, bis zum Ende, und darüber hinaus, wenn du willst.“
„Ja!“, sagte Karo, noch bevor Jason zu Ende geredet hatte. „Bitte, Jason, bitte!“
Er löste seine Arme und nahm ihr Gesicht in beide Hände. „Du musst mir aber versprechen, dass du stark bleibst.“
Karo sah in seine Augen. Dunkelbraun waren sie, wie warme Schokolade.
Sie nickte. Für Jason würde sie alles sein.
„Sei stark, und ich bleibe bei dir“, sagte er.
Karos Atem wurde immer flacher. Jasons Blick war so intensiv, dass er ihr den Atem nahm.
„Ich will für immer bei dir bleiben!“, brachte sie hervor.
„Deal“, sagte Jason.
Sein Gesicht bewegte sich nach vorne und dann spürte sie seine Lippen auf ihren, warm und ein wenig rau. Sein kurzer Bart strich über ihr Kinn. Karo schloss die Augen und ein erregtes Zittern durchlief ihren Körper, als Jasons Zunge ihren Weg zwischen ihren Zähnen hindurch fand. Das war viel angenehmer als Max' Kuss. Sie erwiderte den Kuss, als wäre sie am Meeresboden und Jason die einzige Sauerstoffflasche. Sie hatte dennoch das Gefühl, zu ertrinken. Für immer wollte sie in Jasons Kuss ertrinken.