Das vorletzte Hotel:
„Ach, hier sind wir!“, rief der junge Mann, der sich ihnen als Sam vorgestellt hatte.
Tobias reckte den Kopf, als der Bus auf eine Auffahrt hinauf rollte. Ein großer, leerer Parkplatz erwartete sie, aus Ritzen im Stein sprossen Gras und kleine Büsche. Hier war lange niemand gewesen.
Am Ende des Parkplatzes stand ein großes, geschwungenes Tor mit zwei Maskottchen aus Plastik zu beiden Seiten. Die lange Zeit im Freien ohne Pflege hatte die Augen zu schwarzen Tränen verlaufen lassen und das breite Lächeln fort gewaschen.
Tobias bekam eine Gänsehaut, als der Bus vor dem Tor anhielt. Wenn es stimmte, was Sam ihnen erzählt hatte, wenn die vier nicht einfach von der Show geschickt wurden, so erwartete sie nun eine Reihe tödlicher Fallen und irrer Clowns. Tobias hatte nie ein Problem mit Clowns gehabt, aber plötzlich wollte er um keinen Preis einem begegnen.
Er hatte ein Abenteuer gewollt, aber was er durch die Show bekommen hatte, war viel zu schrecklich. Waren ihre anderen Freunde wirklich tot? Das konnte doch nicht sein! Irgendjemand würde merken, dass die Gäste verschwanden.
Aber Tobias hatte wirklich noch nie von anderen Shows gehört, deswegen wusste man ja eben nicht, was einen erwartete. Und laut Sams Geschichte hatte jemand von dem Verschwinden gehört: Die Wächter, wie Sam seine Organisation nannte.
Vor dem Tor stand noch ein anderer Bus, und davor befanden sich vier Personen mit verschränkten Armen. Tobi musterte sie genauer. Das Mädchen mit den hellbraunen Haaren wirkte unglücklich und verängstigt, obwohl ihr ein Mann den Arm um die Schultern gelegt hatte und sich wie beschützend zwischen sie und die anderen gestellt hatte. Das waren ein Junge mit helleren Haaren, die knapp schulterlang waren, und eine blonde Frau, die einen schwarzen Mantel trug. Obwohl nichts an ihr besonders auffällig wäre, überlief es Tobias kalt, als er ihrem Blick begegnete.
Sie stiegen aus. Sam, Mira, Luca und Amy starrten die blonde Frau an, die lächelnd die Arme ausbreitete, als erwarte sie eine Umarmung.
„Freunde, lange nicht mehr gesehen!“
„Als hättest du uns nicht die ganze Zeit beobachtet“, meinte die blonde Mira müde.
„Wer ist das?“, flüsterte Tobias leise.
„Samira – ihr gehört die Show“, flüsterte Amy zurück, die bereits mehr oder weniger die Rolle der verschwundenen Sarah übernommen hatte und Tobias' Rollstuhl schob.
„Ja, vielleicht habe ich das“, gab Samira in diesem Moment zu. „Jedenfalls wollte ich euch noch einmal persönlich in den Park verabschieden. Wie wir wissen, überlebt vielleicht gerade einmal die Hälfte dieses Hotel.“
Samiras Lächeln war falsch, es erreichte die Augen nicht, war voller Hohn und Spott. Aber ihre Fröhlichkeit, das merkte Tobias, war nicht aufgesetzt. Sie genoss ihr tödliches Spiel, die Angst in ihren Augen.
„Um eure Chancen zu verbessern, bekommt ihr noch jemanden dazu“, Samira streckte die Hand aus. Das braunhaarige Mädchen umarmte den Mann ein letztes Mal, er flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie nickte, die Lippen aufeinander gepresst. Sie sah aus, als würde sie am liebsten weinen.
„Karo kennt ein Teil von euch ja schon. Für den Rest: Sie ist eine gute Freundin von Amy und Luca, und für mich eine Verräterin. Also gehört sie nun zu euch.“
Karo trat mit gesenktem Kopf zu ihrer Gruppe. Tobias bemerkte, dass Luca ihr ein schiefes Grinsen zuwarf.
„Tja, dann wünsche ich euch viel Spaß im Fun and Fantasy Themepark!“, sagte Samira und trat zur Seite. „Ein paar erinnern sich ja vielleicht daran, schon einmal hier gewesen zu sein. Ich gebe euch einen Tipp – diesmal wird es anders.“
Sie lachte, als das Tor hinter ihr mit einem lauten Quietschen aufschwang. „Wir sehen uns auf der anderen Seite, beim Freefalltower, wie gehabt.“
Tobias klammerte sich an die Lehnen seines Rollis, als Amy ihn über die Schwelle schob. Hinter ihnen wurde das Tor geschlossen, zurück blieben Samira und die beiden Männer.
„Willkommen zurück“, murmelte Sam bedrückt.