Kampfausbildung:
„Du musst erst zielen!“, belehrte er seinen Schüler, während sie den Gang herunter hetzten.
Luca warf ihm einen entgeisterten Blick zu. Der Novize war noch nicht daran gewöhnt, solche hilfreichen Tipps zu erhalten, während sie von einem Werwolf gejagt wurden.
„Ich wollte Karo helfen!“, keuchte er trotzdem.
Samstag hörte, wie der Werwolf zum Sprung ausholte, packte Luca an der Schulter und warf sich mit ihm im letzten Moment zur Seite. Die Krallen schnitten über ihnen durch die Luft. Samstag spürte den Windzug und wenig später folgte eine Wolke von Gestank, nach verdorbenem Fleisch und ungewaschenem Hund.
Luca hatte die Waffe fallen lassen. Samstag hob sie eilig auf und drückte dem Novizen die Flinte in die Hand. „Diese Waffe ist dein Leben!“
Selbst unter diesen Bedingungen hätte jeder andere Wächter darauf hingewiesen, dass der Spruch aus Star Wars stammte und auf einer Werwolfsjagd nicht unbedingt angebracht war. Samstag stellte fest, dass Luca in der Hinsicht noch erfrischend unbedarft war. Wenn er Todesangst hatte, konzentrierte er sich allein darauf.
Sie sprangen beide auf und flohen den Gang zurück, während der Werwolf sich umständlich umdrehte – der Gang hier war unangenehm schmal, und längst wusste Samstag nicht mehr, in welchem Teil des Hotels sie sich befanden.
„Es war ein Risiko!“, rief er Luca zu. „Ich hätte dir vielleicht sagen sollen, dass wir nicht die Helden sind. Wir müssen abwägen. Wenn diese Karolin stirbt, dann ist das doof. Aber wenn wir jetzt sterben, bleibt niemand übrig, der die Wahrheit über diese Tour kennt.“
Er warf sich gegen eine Zimmertür, doch diese waren allesamt abgeschlossen. Fluchend rannte er weiter und rieb sich dabei die Schulter. Luca wurde keuchend langsamer. Ihm ging die Kraft aus.
„Okay, neuer Plan. Hast du geladen?“, fragte Samstag.
„Wann denn?“, fuhr Luca ihn an.
Samstag reichte seinem Schüler die eigene Waffe und nahm die ungeladene Schrotflinte. Im Laufen laden war zwar nicht gerade einfach und er verpatzte es zweimal, aber er hatte für solche Situationen trainiert. Obwohl er Sniperwaffen und Entfernung bevorzugte.
„Stehen bleiben“, befahl er Luca und drehte sich dem Werwolf entgegen.
Luca lief ein paar Schritte weiter. Er musste noch lernen, Samstag blind zu vertrauen. Genervt schloss Sam zu seinem Novizen auf und stellte sich neben ihn.
„Waffe anlegen. Du schießt erst, wenn ich es dir sage.“
Luca zitterte. Sein Blick huschte unsicher zu Samstag, der die Geste bemerkte, obwohl er schon zielte.
„Zielen“, befahl er Luca. Als er die fünf Mädchen aufgenommen hatte, hatten diese wenigsten die Grundausbildung abgeschlossen und waren damit Schülerinnen. Sie waren diszipliniert gewesen und hatten kaum noch die Nerven verloren. Luca schlug sich gut, dafür, dass er ein Zivilist war. Trotzdem ahnte Samstag, dass er ihn besser ausbilden musste. Schon wieder wich Luca vor dem Werwolf zurück, der jetzt immer näher kam.
„Bleib stehen!“, zischte Samstag und wich mit zurück. Wenn er vor Luca stand, sobald dieser schoss, konnte er ebenfalls getroffen werden. Silber im Körper war auch für einen Menschen nicht unbedingt angenehm.
„Auf drei – und bleib ruhig“, sagte Samstag.
Luca blieb tatsächlich stehen.
Nebeneinander fixierten sie den Werwolf, der durch den engen Gang raste und das Plastik aufriss. Samstag stellte fest, dass er sich zu sehr auf seinen Novizen konzentriert hatte.
„Scheiße! Drei!“
Der Werwolf hatte sie fast erreicht. Die Schrotflinten krachten, doch das mächtige Wesen rannte dennoch ungebremst in sie hinein. Samstag wurde von den Füßen gerissen und unter dichtem Fell begraben. Er spannte den Nacken an, als er auf den Rücken fiel. Trotzdem schlug sein Kopf auf den Boden, als der Werwolf darauf landete. Ein helles Klingeln ertönte in seinen Ohren. Der Werwolf rollte weiter, stöhnte und winselte, dann blieb er liegen.
Keuchend kam Samstag auf die Füße. Seine Knie waren weich und ihm war übel. Um die Kopfverletzung würde er sich später kümmern müssen.
„Luca? Bist du verletzt?“
„Ja. Aua“, sagte der Novize, doch er stand schwankend auf.
„Lass es mich deutlicher ausdrücken: Bist du schlimm verletzt.“
„Ich fürchte, nein“, gab Luca zu. Prellungen und blaue Flecken würden sie beide haben.
„Wieso fürchtest du?“, wunderte sich Samstag.
Luca zog eine Grimasse: „Weil ich dann höchst wahrscheinlich weiter kämpfen darf.“
Mit einem Lachen schlug Sam dem Anderen auf den Rücken. Luca zuckte zusammen. „Natürlich. Wir müssen mehr Wölfe töten als Mira und Amy. Los geht’s!“
Luca stöhnte unwillig, hob aber seine Waffe wieder auf.
„Komm schon, ist doch witzig!“, meinte Samstag und lauschte nach den Geräuschen des nächsten Monsters.