Herberge:
Wieder stieß Tobias mit dem Vorderrad gegen den Tisch. Manuela, die sich hinter ihm vorbei quetschte, um an die Wasserflasche zu gelangen, entschuldigte sich.
Tobias brummte etwas Unverständliches. Es war zu eng hier. Mit seinem Rollstuhl kam er sich vor wie ein Elefant im Porzellanladen. In dem winzigen Wohnzimmer drängten sich viel zu viele Menschen.
Die Gäste lagen kreuz und quer und teilweise schon übereinander gestapelt wie Sandsäcke auf dem Sofa vor dem kleinen Tisch. In dem alten Fernseher flackerte ein schlechter Horrorfilm und tauchte den Raum in launisches, wechselhaftes Licht. Es war irgendeine Fortsetzung zu `A Nightmare on Elm Street´. Niemand gruselte sich wirklich davor. Tatsächlich war der Film eine wahre Wohltat nach den unheimlichen Tagen, die hinter ihnen lagen. Tobias musste wieder nach vorne rücken, als Manuela zurück kam. Er stieß sich das Schienbein an dem niedrigen Tisch und verzog das Gesicht vor Schmerz.
„Danke“, sagte Manuela und reichte ihm etwas. „Hab dir einen Apfel mitgebracht. Für deine Mühen.“
Sie grinste und Tobias nahm den Apfel erstaunt entgegen. Er mochte Äpfel nicht besonders, aber er merkte plötzlich, dass er Hunger hatte. Sarah auf seiner anderen Seite schreckte aus einer Art Lethargie auf und reichte Tobias seine Medikamente. Er nahm sie mit dem Apfel, der zwar schon trocken, aber immer noch essbar war.
In dem kleinen Raum herrschte eine erschöpfte Atmosphäre. Kaum einer sprach, und wenn, dann nur wenig über der Lautstärke des Films. Der Schlafentzug der letzten Tage forderte seinen Tribut, und wie Tobias hatten sie wohl alle viel zum Nachdenken.
Immerhin musste es eine logische Erklärung für das Verschwinden der anderen Gäste geben! Ihre Handys waren ihnen abgenommen worden, sonst hätten sie wenigstens ihre Eltern anrufen können. So blieb ihnen Angst und Verwirrung.
Wasser wurde herumgereicht. In ihrem Schweigen vertrugen sich die Gäste trotzdem bestens. Die letzten Tage hatten sie zusammengeschweißt, obwohl sie immer noch wenig voneinander wussten. Es hatte wenig Gelegenheit gegeben, einfach mal miteinander zu quatschen.
Tobias begann gerade, schläfrig zu werden, als Ronja sich plötzlich aufrichtete. „Mona und Lea bleiben aber lange weg, findet ihr nicht?“
Daraufhin rissen sich alle aus dem Halbschlaf. Die beiden Mädchen waren schon vor einer geraumen Weile zur Toilette gegangen – und nicht wieder zurückgekehrt.