Im Keller:
Sam musste feststellen, dass er Kellerräume nicht leiden konnte. Selbst in einem so modernen Hotel wie dem Hotel Blair waren die Keller muffig. Es roch nach Schimmel, und der blasse Tastfinger ihrer Taschenlampen offenbare gewaltige Wasserflecken an den Wänden. Es gab unzählige verschlossene Türen, und nur wenige davon ließen sich öffnen. Die kleine Gruppe huschte durch die Gänge, vorbei an Regalen voller Putzmittel, vorbei an Staubsaugern und anderen Geräten und vorbei an ausrangierten Stühlen oder Tischen oder Betten.
Selbst im Keller hingen überall Kameras. Und obwohl sie jede einzelne davon mühsam täuschten und sich leise verhielten, um die Wanzen nicht zu alarmieren, war sich Sam sicher, dass man sie bereits entdeckt hatte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie wirklich jede Kamera bemerkt hatten, denn es waren unglaublich viele. Er wurde immer ungeduldiger, weil sie kaum voran kamen.
Aber noch spielten sie Katz und Maus mit dem Großen Bruder, noch taten beide Seiten so, als wüssten sie von nichts. Und vielleicht hatten sie ja Glück und hatten tatsächlich noch keinen Alarm ausgelöst. Sam wagte einfach nicht, den vorsichtigen Modus aufzugeben.
So schlichen sie weiter durch die Gänge, und zuckten beim leisesten Geräusch zusammen. Sie folgten den Leitungen an den Wänden. Immer mehr und mehr Kabel erschienen, schlossen sich zu dicken Bündeln zusammen, die zuerst noch nur an den Ecken der Gänge waren, später breiteten sie sich über die ganze Decke und die Wände aus, ein sicheres Zeichen dafür, dass sie auf dem richtigen Weg waren.
Vor lauter Kabeln konnten sie bald keine Kameras mehr sehen. Der Gang schien enger zu werden, denn die Kabelwände rückten immer näher. Schließlich bogen sie um eine Ecke und standen vor einem Urwald aus Kabeln in allen Farben, die einen langen Gang füllten.
Am Ende des Ganges stand eine weiße Metalltür.
Sam zog sein Messer und ging als erster. Der Gang war so schmal, dass immer nur einer durch das Gewirr kriechen konnte. Er hörte, dass Luca ihm folgte und hoffte, dass Mira den Abschluss bilden würde. Es war immer am Besten, wenn die Erfahrenen der Gruppe außen waren.
Sie erreichten die Tür ohne Probleme. Sam kniete sich davor und begann, das Schloss zu knacken.
Die Tür schwang auf und warme Luft schlug ihnen entgegen.
„Bingo!“, meinte Sam. Denn in dem Raum liefen unzählige Computer und Server, deren helles Licht jede Taschenlampe überflüssig machte. Sie traten in den vollgestellten Raum und sahen sich staunend um. Auf unzähligen Bildschirmen liefen Überwachungsvideos und Auswertungen der Tonbandaufnahmen.
Sam beugte sich über einen PC. „Scheiße!“
Er entdeckte Maya, die ihm von ihrem letzten Aufenthalt noch gut im Gedächtnis war. Er hatte sie damals unterschätzt.
Diesmal auch, wie es schien, denn sie war mit einer Gruppe Bewaffneter hierher unterwegs. Der Große Bruder musste sie alarmiert haben.
„Wir müssen uns beeilen“, befand Mira und schlug die Tür zu, um ihnen ein wenig Schutz zu bieten. „Luca, kannst du sehen, wie weit sie weg sind?“
Die Bildschirme waren scheinbar willkürlich angelegt. Als die Gruppe aus dem Sichtbereich der einen Kamera trat, erschienen sie auf einem Bildschirm hinter Sam neu.
„Das mache ich“, sagte er zu Mira, denn er bezweifelte, dass Luca sich in dem System orientieren konnte.
„Du bist unser Schütze, wir brauchen dich woanders!“, protestierte Mira.
„Noch nicht“, murmelte Sam und war in Gedanken bereits dabei, die unterschiedlichen Bilder zu kombinieren, um eine Übersicht des Hotels zu erhalten. Es half wenig, dass Hotel Blair überall gleich aussah.
„Ha! Sie betreten den Keller!“
„Ja, aber wo?“, fragte Mira genervt. Sie organisierte derweil Luca und Amy, die die Maschinen lahmlegen sollten. Sie hatten Elektromagneten und ein paar kleine Zeitbomben. Sam ließ die Finger über eine Tastatur tanzen.
„Fuck, sie sind nah.“
Hinter ihm verfielen Luca und Amy in hektische Betriebsamkeit.
„Wir kommen hier nicht raus“, sagte Mira.
„Und durch den Gang zurück kriechen dauert lange. Na toll“, ergänzte Sam. Sie saßen in der Falle!
Er erkannte den Gang wieder, den die Gruppe ihrer Feinde jetzt durchquerte. Sie waren nur noch wenige Ecken entfernt.
„Mira!“, rief er und ließ die Kameras in Ruhe. „Hilf mir mal.“
Er zerrte an einem Metallkasten, der voller Computer war und riss dabei einige Kabel heraus. Ein paar Bildschirme erloschen.
Mira half ihm, das Regal vor die Tür zu schieben.
„Jetzt alles andere davor!“, keuchte Sam. Er glaubte, bereits Stimmen auf dem Flur zu hören.
Ächzend schoben sie zu viert alles an Technik vor die Tür. Bald schon hörten sie, wie von der anderen Seite an die Tür gehämmert wurde. Zuerst mit Fäusten, dann mit etwas metallischem, das Gewehre sein könnten. Es ertönte sogar ein Schuss.
„Nicht, Max. Die ist kugelsicher, du bringst uns nur alle um!“, ertönte Mayas Stimme gedämpft.
Luca und Amy sahen synchron auf und in ihren Augen funkelte Hass.
„Macht weiter!“, zischte Sam ihnen zu. Er konnte sehen, dass die Tür sich ein Stück bewegte. Ihnen blieb keine Zeit mehr.
Als sie fertig waren, scheuchte Sam die drei anderen in die hintere Ecke des Raumes, die nun leer war.
„Schützt euch!“, rief er und Mira machte den beiden Schülern vor, wie sie sich zusammenkauern sollten, den Rücken zum Raum und den Kopf zwischen Knien und Armen.
Sam aktivierte die Zeitbomben und drückte sofort auf den Auslöser.