Im Dienst der bösen Sache:
Karo folgte Max, obwohl ihr Herz sie wie wild zum Umkehren auffordern wollte. Max hatte die Gruppe aus vier Personen entdeckt, die vor Hannibal in den Wald flohen. Sofort war Max losgesprungen wie ein Fuchshund.
„Max, warte!“, rief Karo und folgte ihm. „Wir sollen nicht zu ihm gehen!“
„Aber wir sollen die vier fangen, oder?“, rief Max zurück.
Karo vermutete richtig, dass es sich bei den vier um Amy, Luca und die beiden Fremden handelte – ihre Hoffnung, aus diesem Alptraum zu entkommen. Max dagegen hatte offenbar vor, die vier zu fangen.
Karo fasste ihn am Arm: „Max, nicht! Das sind Amy und Luca!“
Er riss sich los. „Mir egal! Sie sind Mörder!“
„Die Tourbesitzer sind Mörder!“, fuhr Karo auf und folgte ihm weiter. Sie schlossen schnell zu der Vierergruppe und ihrem Verfolger auf. Im Laufen hob Max einen Stock vom Boden auf.
„Nein!“, rief Amy, doch da warf der Junge schon. Er traf eines der beiden Mädchen, die Blonde, die Karo nicht kannte, am Kopf. Die Frau stürzte, und Hannibal kam rasch auf sie zu.
„Max, nein!“, Karo fiel ihm in den Arm, als er einen weiteren Ast aufheben wollte.
Einer von denen, die nicht gestürzt waren, kam zurück gerannt und half der Blondine auf. Beide stolperten vorwärts, als Hannibal sie bereits erreicht hatte. Derjenige, der zurück gerannt war – Karo konnte nicht erkennen, wer es war – schubste die Blondine nach vorne, als Hannibal mit der Hand zum Schlag ausholte.
Derjenige, der zurück gerannt war, wurde getroffen. Das dumpfe Geräusch hallte durch den Wald, gefolgt von einem spitzen Schrei. Die Blondine schloss zu den beiden anderen auf und zog sie mit sich. Hannibal beugte sich über den Gefallenen.
„Was hast du getan?“, fuhr Karo Max an. „Sie hätten uns befreit!“
Max packte ihre Schulter mit einem Griff wie ein Schraubstock. In seinen weit aufgerissenen Augen flammte Wahnsinn auf. „Es gibt kein Entkommen, Karo! Du kannst nur überleben, wenn du gut bist! Für das, was du getan hast, wirst du sterben, genau wie Maya!“
Sie klammerte sich an ihn. „Du wirst zu einem Monster, Max! Auf die Art will ich nicht überleben!“
„Dann wirst du sterben!“, sagte er unerbittlich und sah zu, wie Hannibal den leblosen Körper aus dem Wald schleifte.
Karo merkte, dass sie weinte. Sie wollte nicht sterben. Ehe sie sich versah, hatte sie den Gedanken ausgesprochen.
Max legte ihr plötzlich einen Arm um die Schulter. „Küss mich.“
„Was?“, fragte Karo nun völlig verwirrt.
„Küss mich“, wiederholte Max, „und ich erzähle Samira nichts hiervon. Ich geb dir eine Chance, aber nicht umsonst!“
Karo zitterte. Sie hatte keine Wahl. Sie wollte nicht sterben. Und wenn Samira hiervon erfuhr, drohte Karo das Schicksal von Maya.
Sie streckte sich und drückte ihre Lippen auf die von Max. Sie wollte es einen kurzen Kuss werden lassen, aber Max umfing ihr Kinn mit der Hand und zwang ihre Lippen auf. Viel zu lange musste Karo seine Zunge in ihrem Mund ertragen, den Geschmack seines Speichels und seine verlangenden Hände auf ihrem Körper. Es fühlte sich falsch an, verboten, und zwar ohne angenehmen Kitzel. Karo hatte für einen Moment panische Angst, aber Max deutete ihr Keuchen falsch und zog sie enger zu sich. Sein Verlangen stieß sie ab, und als er sie los ließ, drehte sie sich ohne Worte um und floh.
Am Rand des Waldes wartete Jason. Karo flüchtete sich ohne Zögern in seine Arme und weinte, ohne ein einziges Wort über die Lippen zu bringen. Sie fühlte sich benutzt. Ihr Herz raste, als sie sich fragte, ob Max sein Versprechen überhaupt halten würde.