Am Waldrand:
Tobias starrte zweifelnd nach draußen, wo Sarah seinen Rollstuhl auseinander baute. Man hatte diesen zusammengeklappt in den Kofferraum packen müssen.
Jetzt, als es Abend wurde, sollte er aussteigen. Weit und breit waren nur matschige Wiesen zu sehen, in einiger Entfernung erhob sich ein kleines Wäldchen.
„Aber hier ist nichts!“, beschwerte er sich bei dem Fahrer, der ihn keines Blickes würdigte. „Ich kann doch nicht einfach so …“
Sarah öffnete die Tür. „Vertrau mir.“
Er legte die Arme um ihren Hals und ließ sich von ihr in den Rolli heben. Langsam musste er auf Toilette, aber das war ihm im Wald zu kompliziert. Er wollte nicht da raus. Die Räder seines Rollis würden im Schlamm stecken bleiben.
Kaum, dass er draußen war, knallte die Tür schon zu und das Auto brauste davon. Tobias sah dem Gefährt wehmütig hinterher.
Sarah schnallte ihn an und schob ihn dann zielsicher über die unebene Erde.
„Das nächste Hotel ist nicht weit“, verriet sie ihm. Da sie als letzte losgefahren waren, war Tobias sehr dankbar dafür. Er war inzwischen müde.
Sie fuhren auf den Wald zu und dann durch das Unterholz. Sarah fand einen Weg, wo Tobias niemals gedacht hätte, dass man mit einem Rolli hindurch käme. Immer wieder verfingen sich Äste in den Speichen der Räder. Als Sarah wieder einmal eine solche Umklammerung löste, hörte Tobias plötzlich Schritte.
Er hob das Handy, das mit einer Taschenlampe ausgestattet war, und leuchtete in den finsteren Wald. „Wer ist da?“
Seine Stimme klang hoch und nervös. Aber es war spät und dunkel, nasskalt und er kannte sich hier nicht aus. Wenn seine Mutter wüsste, was für Abenteuer er hier erlebte!
Aus dem Gebüsch trat ein Mädchen mit unscheinbaren, hellbraunen Haaren, etwas pummelig. „Tobias?“
Er erkannte sie. Gestern, nachdem sie der Lesung eines Gänsehautromans beigewohnt hatten, hatte er sich mit ihr unterhalten. Was war nochmal ihr Name gewesen?
„Mona?“
Sie nickte erleichtert. Jetzt tauchte auch ihre Freundin auf, Lea, die auf keinen Fall Zelten gehen wollte. Mit einem Waldspaziergang wirkte sie ebenso unzufrieden.
„Bin ich froh, dass wir dich gefunden haben!“, sagte Mona. „Wir laufen bestimmt schon eine Stunde hier herum!“
„Ihr wart nur eine halbe Stunde vor uns“, verbesserte Sarah und stellte sich wieder hinter Tobias' Rollstuhl. „Habt ihr noch andere gesehen? Wir sollen die Reste einsammeln, weil ich den Weg sowieso kenne.“
Mona und Lea schüttelten die Köpfe. Es ging weiter durch den Wald. Eulen riefen in der Ferne und die Sterne erschienen am Himmelszelt.
Tobias fuhr zusammen, als er hinter ihnen ein anderes Geräusch hörte. Schritte.
„Wer ist da?“, rief er wieder und leuchtete.
Diesmal kam allerdings niemand aus der Dunkelheit. Es wurde still, als Sarah, Mona und Lea anhielten. Alle vier lauschten.
Tobias konnte schwören, Atem zu hören. Da war jemand, ganz sicher. Warum sagte dieser Jemand nichts? Mit der Handylampe suchte er die Nacht ab, konnte aber nichts sehen.
„Wir sind spät dran“, murmelte Sarah wie zu sich selbst und schob ihn weiter. „Beeilen wir uns besser!“
Sie flohen förmlich durch den Wald, verfolgt von Schritten, deren Besitzer unsichtbar blieben. Tobias schlug das Herz bis zum Hals. Er war wirklich erleichtert, als sie endlich auf eine matschige Straße trafen. Als sie ihr folgten, erreichten sie ein Schild. Große Neonbuchstaben verkündeten, dass sie „Bates' Motel“ erreicht hätten.
„Ich dachte schon, wir kommen nie aus diesem Wald!“, sagte Lea.