Unterirdischer Kampf:
Sie rannten durch die engen Gänge der Mine. Ihr einziger Anhaltspunkt war Samstag, der seinen Sender in eine helle Taschenlampe verwandelt hatte. Der Lichtschein führte sie durch Gänge und Gänge, die alle gleich aussahen, mit dem nackten Fels zu beiden Seiten, ohne Türen, Tunnel oder irgendwelche anderen Anhaltspunkte.
Luca atmete die muffige Luft nur flach ein, während er rannte, direkt hinter Samstag. Hinter sich hörte er Mira und Amy keuchen.
Und er hörte andere Geräusche. Schreie und Rufe, Schritte, die nicht von ihnen stammten.
„Fay!“, brüllte irgendwo jemand und Luca wäre beinahe los gerannt.
Sam packte ihn am Arm. „Bleib hinter mir! Es sind die Wendigowak, Luca. Sie können Stimmen nachahmen.“
Das machte es nicht besser. Diese grauenvollen Wesen waren in der Dunkelheit, irgendwo, nicht weit entfernt.
Und sie waren hungrig.
Samstag führte sie durch die Mine, immer tiefer und weiter, auf der Flucht. Die Wendigowak hatten ihre Spur verloren, doch sie waren immer noch in der Nähe. Ihre Schritte hallten durch die Gänge, ihre Rufe kamen aus einer Zeit, die nur wenige Wochen zurück lag.
Fay. Hier hatte Luca sie verloren. Während er Sams ausdauerndem Tempo folgte, konnten seine Augen sich in der Finsternis an nichts realem festhalten.
Also sah er Fay vor sich. Ihr Lächeln. Ihre großen Augen, ihre Haare, in denen die Sonne glänzte. Und ihre Leiche, blutig und zerfetzt auf dem Boden dieser Mine.
„Hier!“, keuchte Sam unvermittelt und riss Luca aus seinen Gedanken.
Sie hatten eine Kreuzung erreicht. Vier Gänge mündeten in eine Art kleine Höhle. Sofort stellte sich jeder an einen Eingang. Luca starrte in das Dunkel vor ihm. Sein Rücken fühlte sich völlig ungeschützt an, aber er musste darauf vertrauen, dass Sam, Mira und Amy die anderen Gänge bewachen würden.
In diesem Moment erklang ein Schrei, und vor Lucas Augen blitzte ein helles Licht auf. Er stolperte zurück, die Augen vom Feuer geblendet. Eine Hand fing ihn ab.
Flammen schlugen aus der Wand des Tunnels vor Luca, und vor dem flimmernden Feuerschein sah er seltsamen Gestalten auf sich zu rennen.
Die Hände zogen ihn an die Wand. Eine zweite Lichtquelle beleuchtete den Gang, entstand direkt neben Lucas Ohr. Er brauchte eine Weile, um Samstags Sender zu erkennen, der den Gestalten entgegen leuchtete.
Es waren die Gäste der Tour. Sie flohen vor dem Inferno, das in ihrem Schlafplatz ausgebrochen war. Jemand schrie, dass Kevin noch in dem Raum sei, die anderen wurden langsamer, als sie in ihrer Flucht auf die Fremden stießen.
Samstag warf einen Blick auf die immer noch grell leuchtende Uhr und meinte: „Hups. Wir hängen dem Zeitplan etwas hinterher.“
Luca riss sich von Sam los und rieb sich die schmerzenden Augen. Die Gruppe, samt Rollstuhlfahrer, kam zögerlich zu ihnen.
„Moin, Moin“, sagte Sam lässig. „Wir gehören nicht zur Tour, aber wir bringen euch jetzt nach oben.“
„Mein Kumpel ist noch da drin!“, sagte ein möglicherweise türkischstämmiger Junge und deutete auf das Feuer hinter sich.
Sam warf einen prüfenden Blick in den Gang. „Ich bezweifle, dass noch etwas von ihm übrig ist. Kommt jetzt bitte mit, wir haben es eilig.“
Die Gäste zögerten. Luca hätte es nicht anders erwartet. Wenn er damals in dieser Mine auf Fremde gestoßen wäre, hätte er vermutlich direkt die Flucht ergriffen.
In einem Gang hinter ihnen kreischte etwas laut. Die Tourgäste fuhren zusammen, Amy, Luca und Mira ebenfalls. Samstag zog sein Messer, was dem Vertrauen der Tourgäste wohl nicht eben zuträglich war.
„Ich komme mit!“, rief der Junge im Rollstuhl und fasste die Räder, um nach vorne zu rollen. „Ihr wollt uns helfen, richtig?“
„Ja“, sagte Luca anstelle seines Meisters, weil Sam in den Gang geschlichen war und auf weitere Wendigowak lauschte.
„Gut. Ich glaube euch“, sagte der Junge. Zwei Mädchen folgten, um seinen Rollstuhl zu schieben, und dann kam der Rest hinterher.
„Wo ist eigentlich Sarah?“, fragte der Rollstuhlfahrer.
„Hab sie nicht mehr gesehen“, meinte der türkische Junge. „Hoffentlich wartet sie draußen auf uns.“
Luca verbiss sich einen Kommentar in der Richtung von „Ich würde nicht darauf wetten.“ und setzte sich lieber mit Sam zusammen an die Spitze der Gruppe, während Amy und Mira das wachsame Schlusslicht bildeten. Die Gäste nahmen sie in die Mitte.