Liebevoll fährt Lilly mit der Hand über den Arm ihrer Freundin. Das hatte sie alles nicht gewollt. Es sollte doch ein schöner Tag werden. Nur sie beide, ein selbstgemachtes Essen und Abends, vielleicht bei Kerzenschein, ein gemütlicher Film. Gut, Alex hasste Kerzen und noch mehr hasste sie Romanzen, aber dann wäre es halt ein Actionfilm in der Dunkelheit geworden. Vielleicht nicht so romantisch, aber ebenso schön. Aber jetzt liegt Alex im Krankenhaus, nur weil Lilly wieder einmal nicht nachgedacht hat. Irgendwie musste ihr entgangen sein, dass in dem Soßenansatz Nüsse enthalten waren. Dabei war sich Lilly doch sicher, die Packungsbeilage sorgfältig gelesen zu haben. Schließlich wollten sie heute ihren Jahrestag feiern und Lilly weiß schon ziemlich lange, dass Alex auf Nüsse allergisch reagiert. Zusammen haben sie es immer liebevoll Gift genannt, wenn Lilly manchmal heimlich Nüsse gegessen hat und von Alex dabei erwischt wurde.
Noch während Lilly leicht über Alex Handrücken streicht, scheint diese zu erwachen. Vor Erleichterung treten Lilly fast Tränen in die Augen. Dennoch schweigt sie, denn sie hat Angst vor Alex Reaktion. Lilly hat selbstverständlich rechtzeitig einen Krankenwagen gerufen, aber es ging alles so schnell, dass sie Angst hat, dass Alex ihr die Schuld gibt. Dabei reichen schon die Vorwürfe, die sie sich selbst macht.
Alex öffent die Augen und blickt Lilly benommen an.
"Jetzt hast du mich doch vergiftet. Ich habe dir doch gesagt, dass das früher oder später passieren würde."
Lilly müsste eigentlich bemerken, dass ihre Freundin diese Aussage scherzhaft meint, aber die Schuld druckt ihr noch immer aufs Herz.
"Es tut mir so unendlich Leid, Alex. Ich hätte besser aufpassen müssen, ich weiß doch, wie gefährlich das sein kann. Du hast dich auf mich verlassen und ich habe dich enttäuscht. Ich esse nie wieder Nüsse, versprochen!"
Jetzt laufen Lilly tatsächlich Tränen über das Gesicht und sie wischt sie hektisch weg. Nicht, weil sie vor ihrer Freundin nicht weinen möchte, sondern weil sie das Gefühl hat, nicht das Recht zu haben, weinen zu dürfen.
"Hey, alles gut!".
Alex drückt Lillys Hand und fährt ihr mit der anderen tröstend über die Wange.
"Es ist ja nichts schlimmes passiert, nächstes Mal passen wir beide besser auf."
Dankbar lehnt sich Lilly mit der nassen Wange gegen Alex Hand.
"Verzeihst du mir?", fragt Lilly ganz leise, obwohl sie die Antwort bereits kennt.
"Immer."
Alex Worte klingen fest und bei ihren nächsten Worten hat Lilly das Gefühl, dass sich ein Lächeln in ihr Gesicht schleicht.
"Und außerdem sind wir jetzt quitt. Schließlich habe ich dich bei unserem ersten Date fast mit einem Weinglas erstochen."
Jetzt muss auch Lilly lachen und ihre Erleichterung euphorisiert sie leicht. Sie kann noch immer nicht glauben, dass es Alex wieder so gut geht. Als die Notärzte gekommen sind, hatte sie wirklich Angst, dass Alex stirbt. Noch immer zittern ihre Hände leicht.
"Kann ich heute Nacht bei dir bleiben?"
Lillys Stimme ist warm und ihre Hände sind noch immer miteinander verschränkt.
"Wenn nicht, wäre ich schwer beleidigt", schmollt Alex und zieht die Unterlippe vor.
Lächelnd hebt Lilly die Bettdecke an und kuschelt sich zu ihrer Freundin, welche augenblicklich den Kopf auf Lillys Schulter ablegt.
So endet der Abend vielleicht nicht wie geplant, aber wer braucht schon einen Actionfilm, wenn man einander hat. Füreinander und miteinander zu sein ist so viel wichtiger, als alles weltliche je sein könnte.