Paul wusste nicht genau, warum er sich für Griechenland entschieden hatte. Er hätte ebenso gut nach Italien fahren können. Oder Spanien. Im Grunde wusste Paul noch nicht einmal, warum er überhaupt im Urlaub war. Wahrscheinlich hing das damit zusammen, dass sein Chef ihn dazu verpflichtet hatte, seinen Urlaub zu nehmen. Und wenn Paul etwas noch mehr hasste, als Menschen, dann war es das untätige Herumsitzen in seiner viel zu kleinen Wohnung. Es war nicht so, als das Paul sich keine größere Wohnung leisten konnte. Aber er sah einfach nicht den Sinn darin, mehr Platz für sich zu beanspruchen, als er eigentlich brauchte. Hier in Griechenland war es warm, viel zu warm. Aber wäre Paul nach England gereist, wäre es ihm mit Sicherheit zu kalt. Sein eigentliches Problem mit diesem Urlaub bestand darin, dass Paul hier nicht arbeiten konnte. Er würde jetzt viel lieber in seinem Büro sitzen und eine Akte nach der anderen bearbeiten. Arbeit war furchtbar beruhigend. Stattdessen stapfte Paul nun durch den Sand am Meer entlang und war wohl weit und breit der einzige Tourist, der es nicht einsah, die Schuhe auszuziehen. Für den späten Herbst war es noch erstaunlich voll und eigentlich hätten die Menschen Paul schon abschrecken müssen, den Strand zu betreten. Aber nach der Karte, die er zurate gezogen hatte, müsste der letzte Touristenort bald enden und Paul könnte Abstand von den ganzen Menschen nehmen. Kurz vor Ende der letzten Sonnenschirme, entdeckte Paul einen Hund, der ziellos zwischen den liegen schnupperte. Eilig schritt er an dem Tier vorbei und ließ bald auch endlich die letzten Häuser hinter sich. Erst nach einiger Zeit merkte er, dass der Hund ihm folgte. Es war ein großer Hund. Paul kannte sich mit Tieren nicht aus. Aber er war sich sicher, dass er keinen Schatten haben wollte. Also beschleunigte er seine Schritte und ignorierte den Hund. Dieser trottete jedoch weiter gemütlich hinter Paul her. Langsam wurde Paul wütend. Er war nicht hierhergekommen, um sich von einem Straßenköter nerven zulassen. Paul nahm einen Stein und warf ihn nach dem Hund. Nicht so, als das der Stein den Hund wirklich hätte treffen können. Aber so, dass der Eindruck entstand, dass Paul es ernst meinte. Leider verstand der Hund dies als Aufforderung, den Stein zu Paul zurückzubringen. Als Paul erneut den Hund durch wilde Armbewegungen verscheuchen wollte, setzte dieser sich nur hin, legte den Kopf schief und beobachtete Paul interessiert bei seinem Treiben. Schließlich wurde es Paul zu bunt. Er beschloss, den Hund einfach zu ignorieren. Ein langer Weg stand ihm bevor und früher oder später würde der Köter schon merken, dass er nichts zu gewinnen hatte. Also machte sich Paul auf den Weg. Leider hatte er unrecht. Denn auch nach mehreren Stunden folgte der Hund ihm nach wie vor. Der Hund musste Durst haben, so dicht, wie sein Fell war. Ab und zu ging er in das Meer, um sich abzukühlen, aber bevor Paul außer Reichweite kam, holte er ihn stets wieder ein. Schließlich brach der Abend herein und Paul suchte die nächste Stadt auf. Spätestens, wenn er sich ein Taxi suchte, würde der Hund zurückbleiben.
Morgen würde Paul ganz sicher frühzeitig aufbrechen und nach Hause fahren. Urlaub war nichts für ihn. Erst Recht nicht, wo er durch seine Arbeit so vielen helfen konnte. In einem Kiosk kaufte sich Paul ein Wasser. Er fragte den Besitzer nach einem zweiten Ausgang. Dieser schüttelte nur mit dem Kopf. Paul deutete nach draußen. Dort hatte sich der Hund brav hingesetzt und hechelte im Schatten vor sich hin. Der Besitzer des Kioskes schlug vor, dass er die Polizei rufen könne. Erst durch eine Nachfrage verstand Paul, dass diese den Hund erschießen würden. Kurz überlegte er, dass Angebot anzunehmen. Aber schließlich schüttelte Paul den Kopf. Als der den Kiosk verließ, saß ein alter Mann auf einer Bank vor dem Stuhl und schüttete dem Hund etwas Wasser in eine Mulde im Boden. Ohne zu Paul aufzusehen, sprach er mit ihm.
Aber Paul hatte kein Interesse daran, zum Tierarzt zu gehen und dem Hund einem Haustierpass ausstellen zu lassen. Da wäre er noch eher auf das Angebot mit der Polizei zurückgekommen. Während der Hund noch trank, suchte Paul das Weite. Als er in ein Taxi stieg, sah er den Hund im Rückspiegel. Er lief dem Taxi nach, bis es auf die Schnellstraße abbog. So brauchte Paul gar nicht die Polizei zu rufen.
Paul brauchte keinen Hund, ebenso wenig, wie er andere Menschen brauchte.
Als Paul am nächsten Morgen die Tür seiner Unterkunft öffnete, stolperte er fast über seinen Hund.
Paul brauchte niemanden. Aber Paul erkannte, wenn ihn jemanden brauchte. Also nahm er eine andere Art eines Souvenirs mit nach Hause.