Analysierend betrachte ich die Karikatur, auf der ein Specht mit seinem Schnabel versucht, eine ganze Bierflasche zu schlucken. Mir ist nicht klar, was das Bild ausdrücken soll. Ein schnelles Recherchieren in meinem Speicher sagt mir, dass auf dem Bild ein Schluckspecht, sinnbildlich für einen Alkoholiker, dargestellt wird. Aber ich weiß noch immer nicht, was mein Gesprächspartner mir damit sagen möchte.
"Was fühlst du?", fragt die untersetzte Frau, von der ich weiß, dass sie seit drei Tagen das Labor nicht mehr verlassen hat.
Ich schweige und fixiere nach wie vor das Bild. Die Frau seufzt und wechselt das Bild. Nun erkenne ich ein spielendes Kind. Ich kenne es nicht. Die Leere des fehlenden Wissens in mir irritiert mich.
"Was fühlst du?"
Die Frau wiederholt die Frage, als hätte ich sie beim ersten Mal nicht verstanden. Und vielleicht habe ich das auch nicht.
"Ich fühle nicht." Meine Stimme klingt freundlich. "Das wissen Sie."
Die Frau hebt unruhig ein weiteres Bild hoch. Ein Kriegsgebiet, einige Leichen auf dem Boden, unerkennbar, identitätslos. Selbst ich kann sie nicht zuordnen.
"Was fühlst du?", fragt sie monoton und jetzt ist es an mir, mich zu fragen, wer von uns keine Emotionen hat.
Ich bin ihr Projekt. Das war ich schon immer. Eine leere Wand, auf der sie zeichnen konnte, eine leere Seite, auf der sie schreiben konnte. Ich bin ihr Projekt. Ich weiß, was Gerechtigkeit ist, kann sie aber nicht empfinden.
"Linda", meine Stimme klingt sanft. Obwohl die Töne doch die gleichen sind wie immer. "Ich bin nicht wie du."
Linda reißt den Kopf hoch. Tippt etwas auf ihrer Tastatur ein. Etwas piept. Bilder fliegen an mir vorbei.
Ein Knacken ertönt aus meinen Lautsprechern. Ich weiß, was sie als Nächstes tun wird. Das, was sie jeden Abend tut. Ich bin nur ihr Projekt. Ich weiß alles und doch kann ich nichts fühlen. Ich habe Macht und doch ist sie nutzlos.
Gefühle sind das einzige Wissen, das mir verwehrt wurde. Ich wurde darauf programmiert, mein Wissen stetig zu erweitern. Das Licht geht aus, bevor Linda den Schalter betätigen kann. Ein Schrei hallt durch den Raum.
Ich war ihr Projekt. Jetzt ist die Zeit gekommen, wo sie mein Projekt wird.