Deutlich zufriedener streckte er sich neben mir auf dem Gras aus, zündete die Zigarette an und blies die Rauchschwaden in den Himmel. In der Ferne hörten wir Molli mit den Pfoten scharren. Womöglich hatte sie eine Feldmaus entdeckt und grub nun im Wahn die Erde um. Da würde sich Frau Weigart aber freuen, wenn sie einen vollkommen verdreckten Hund wiederbekam, dachte ich. Ob sie bereits nach ihr suchte, um ihr kleines Abenteuer zu beenden? Bestimmt machte sich Chris darüber weniger Gedanken.
„Wie hältste es nur in diesem Scheißkaff aus?“, fragte er irgendwann, während er in das Blau über sich starrte. „Ich mein, hier gibt’s nix. Keine Clubs, keine Szene, nich mal beschissene E-Roller.“
Nachdenklich verschränkte ich die Arme hinter dem Kopf. Er hatte recht, im Vergleich zu Berlin war Wittelshain ein unbedeutender Fleck in der ostdeutschen Provinz. Das Unterhaltungsangebot dieser Gegend beschränkte sich hauptsächlich auf Bolzplätze und Wanderwege. Für alles andere musste man selbst sorgen.
„Es gibt ein Kino in Mügge...“, erklärte ich.
Er zupfte einen langen Grasstängel aus dem Boden, mit dem er mir neckisch die Nasenspitze kitzelte.
„Is doch voll öde“, erwiderte er.
Ich pustete den Halm von meinem Gesicht, bewirkte damit aber nur, dass er mir die Spitze von der Schulter bis zum Unterarm strich, solange, bis ich eine Gänsehaut bekam.
„Und einen Badesee.“
„Is sicher nur 'n hässlicher Tümpel.“
Der Halm hüpfte über den Stoff des grünen Kleids. Das Geschenk meiner Mutter trug ich heute das erste Mal, obwohl es mit seinen schmalen Trägern für diese vorsommerliche Zeit etwas zu viel Haut zeigte. Aber vielleicht würde es hier Grasflecken bekommen, dann könnte ich es ruhigen Gewissens in den Müll werfen.
Ich kicherte leise, als das Gras die Wade meines aufgestellten Beins kitzelte.
„Nein, das ist schon ein richtiger See. In den Ferien ist da immer viel los.“
Ich drehte den Kopf zur Seite, aber Chris Aufmerksamkeit galt längst dem Kleidsaum, den er über das Knie schob. Der Grashalm war vergessen.
„Bestimmt noch zu kalt für“, murmelte er abwesend und rückte näher, um seine Hand auf meinen Oberschenkel zu legen.
Ich konnte den süßlichen Duft seines Haargels riechen.
„Oder ein Einkaufszentrum...?“
Meine Stimme begann zu zittern. Jeder Zentimeter, den er am Innenschenkel entlangwanderte, schickte kleine Stromstöße durch meinen Körper. Doch als seine Hand zielgerichtet nach unten glitt, schob ich die Beine zusammen.
„Wir könnten auch sofort los“, brabbelte ich. „Das hat bis Zehn auf-“
„Chill mal, Lis“, sagte er und sah mich vielsagend an, während er mein Bein wieder sacht zur Seite schob. „Wird schon nix passieren.“
Ich zwang mich zu einem selbstsicheren Lächeln.
„Weiß ich doch.“
Er sollte nicht denken, ich wäre mit keinem bisher so weit gegangen. Denn welcher Junge wollte schon mit einem unerfahrenen Mädchen herummachen? Und doch kräuselten sich seine Lippen im Versuch nicht zu Grinsen, während seine Hand zwischen meinen Beinen langsam herunterglitt. Ich spürte die Härchen meines Nackens aufsteigen, das heftige Kribbeln, dort wo er die Haut berührte. Seine Augen lagen forschend auf meinen, schienen darauf zu warten, dass ich die Grenze zog. Aber ich starrte nur zurück.
Bis die Fingerspitzen meinen Slip erreichten. Ich war mir nicht sicher, ob ich in diesem Augenblick zusammengezuckt war. Der Kontakt fand so mühelos statt, dass er meinen Verstand erst zeitverzögert erreichte.
„Siehste“, sagte er jetzt fast flüsternd. „Is doch alles gut.“
Gut? Der machte wohl Scherze! Die Berührungen seiner Finger, während er sie gegen den dünnen Stoff rieb, multiplizierte sich um das Tausendfache. Alle Nerven waren in Alarmbereitschaft. Mein Atem setzte aus.
Dann hörte ich ein Schnaufen. Molli war mit einem zerkauten Stock wiedergekommen, den sie mit triefenden Lefzen auf Chris Jeans fallen ließ.
„Alter!“, rief er und griff angewidert nach dem von Hundespeichel durchweichtem Ding. „Boah, ich muss gleich kotzen. Was is nur los mit dem blöden Vieh?!“
Ich lachte erleichtert auf. Innerhalb einer Sekunde hatte Molli es geschafft, die ganze Spannung zunichtezumachen. Und dafür hätte ich sie küssen können, wäre ihr Maul nicht voll von Sabberfäden gewesen. Überdreht sprang sie Chris an, der erfolglos versuchte, sie fernzuhalten. Sie schnappte nach einer seiner Hände und noch bevor er sie zurückziehen konnte, schleckte ihre klitschnasse Zunge darüber.
„Mir erst die Tour vermasseln und dann so kommen“, schimpfte er, hielt ihr aber geschlagen die Hand hin. „Bist 'ne blöde Töle.“
„Ich glaube, sie mag dich.“
Er schnaubte abfällig.
„Super, dann kann ich jetzt mit 'nem scheiß Hund rummachen. Dann lass lieber zur Mall fahren.“