„Siehste, is doch cool“, flüsterte er, als ich mich hingelegt und eine Weile dem Trommeln des Regens über unseren Köpfen gelauscht hatte.
„Mmmh...“, murmelte ich zustimmend.
Wie gerne hätte ich mich in diesem Moment an ihn geschmiegt, meine Finger in seine verschränkt und die Wange an seine Schulter gelehnt. Eine schlichte, unschuldige Liebkosung, die mir das Gefühl geben würde, die Welt da draußen nicht alleine ertragen zu müssen.
Er drehte sich zu mir und bedachte mich mit einem verschmitzten Blick, den ich bereits zu genüge kannte.
„Und jetzt?“, fragte ich, wohl wissend, auf was das Ganze hinauslaufen sollte.
Es wäre naiv zu denken, er hätte die Decke nicht ohne Hintergedanken hervorgeholt. Schon tanzten seine Fingerspitzen über meinem Kleid und schickten kleine Stromstöße in die unteren Regionen.
„Jetzt heitern wir dich 'n bisschen auf.“
Es war zwar nicht das, was mir zunächst vorschwebte, aber sicher würde es mich soweit ablenken, dass ich alles andere vergessen konnte. Und diese Art der Berührung von ihm wäre besser als keine.
Seine linke Hand schob sich unter meinen Nacken, während er näher rückte, um mich zu küssen. In mir rumorte es. Das heruntergestürzte Bier meldete sich wieder. Ich hoffte, er würde das Blubbern nicht mitbekommen. Glücklicherweise schien er äußerst konzentriert dabei, die Knöpfe an meinem Dekolletee zu lösen. Mit nur einer Hand war das kaum zu schaffen. Der Druck in meinem Magen nahm zu. Leise fluchend richtete er sich etwas auf und nahm die zweite Hand zur Hilfe. Damit war das Kleid leicht zu öffnen. Noch ein Knopf und mein BH würde hervorblitzen.
Doch bevor es soweit kam, passierte das Undenkbare: Mit einem Mal presste sich die überschüssige Luft durch meinen Hals und brach dröhnend aus mir heraus. So laut, dass es bestimmt noch das Ungeziefer im unteren Stockwerk aufhorchen ließ. Erschrocken schlug ich die Hände auf den Mund. Natürlich viel zu spät.
Für Sekunden starrte ich Chris aus aufgerissenen Augen an, der starrte perplex zurück. Im nächsten Moment füllte sich die Halle mit lautem Gelächter.
„Boah, war das eklig!“, grölte er und sein Lachanfall warf ihn nach hinten.
Brennend heiß schoss es mir in die Wangen. Hatte ich doch tatsächlich den Jungen, mit dem ich gerade noch einen Schritt weiter gehen wollte, ganz ungeniert angerülpst. In einer von Lena-Maries Liebesschnulzen wäre das niemals passiert. Chris lachte immer noch. Hektisch setzte ich mich auf, war drauf und dran, meine Sachen zu packen und in ein dunkles Loch zu kriechen, aus dem ich niemals mehr hervorkommen würde. Aber ich wurde am Arm gepackt und zurückgezogen.
„Jetzt hau doch nich gleich ab.“
Mit einer geschickten Bewegung drückte mich Chris auf die Decke und setzte sich Rittlinks auf mich, damit mir keine Möglichkeit zur Flucht blieb. Er nahm mir die Hände vom Gesicht und betrachtete grinsend meine hochroten Wangen, die ich verzweifelt zu verstecken versuchte.
„War doch nur 'n Rülpser“, sagte er belustigt. „Musst ja nich ständig versuchen, perfekt zu sein.“
„Tu ich doch gar nicht“, gab ich trotzig zurück.
Er schüttelte amüsiert den Kopf.
„Ne is klar, mit den ganzen Kleidchen und dem Scheiß...“
Um was ging hier genau? Sicherlich nicht um die peinliche Aktion von eben.
Er beugte sich zu mir herunter, so nah, dass sich unsere Nasenspitzen beinahe berührten.
„Du willst den Leuten nur gefallen, Lizzy“, raunte er. „Aber weißte was, denen is das scheißegal, die ziehn trotzdem über dich her. Weil die Welt eben nur aus Arschlöchern besteht. Und die, die keine sind, sind Idioten.“
Seine dunklen Augen lagen entschlossen auf mir. Er schien ziemlich überzeugt von dem zu sein, was er da von sich gab.
„Und was bist du dann?“, fragte ich ohne den Blick von ihm zu wenden.
Er drückte mir einen kurzen Kuss auf und ließ sich auf die Seite rollen.
„'N Idiot bin ich auf jeden Fall nich. Und Arschloch genug, dass ich weiß, dass dieses ganze 'Ich bin so perfekt'-Gehabe 'n Dreck wert is.“
Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Versuchte ich tatsächlich, es allen recht zu machen, auf die bestmögliche Art und Weise? Ich dachte an all meine Listen, die Vorbereitungen, die Kalendereinträge und die Tatsache, dass ich bei Theresas Fehlzeiten und Mariells Terror gegen Anna immer den Mund gehalten hatte, um keinen Streit vom Zaun zu brechen. Jahrelang hatte ich mich an die Regeln der anderen gehalten. Und wie dankten sie es mir? Mit ekelhaften Anschuldigungen und gemeiner Ausgrenzung.
Chris schielte auf den letzten Knopf meines Kleids, der standhaft den Stoff über dem BH zusammenhielt. Die Lust, auch diesen zu öffnen, stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben.
„Also“, murmelte er, während seine Finger beinahe unmerklich an meiner Taille entlangstrichen. „Möchteste jetzt weiter kleines Mädchen spielen oder lieber etwas Fun haben?“