Im Bad nebenan räumte Chris klappernd die Regale aus, während ich mich im Schlafzimmer umsah. Auf dem ordentlichen Bett türmten sich kleine bestickte Kissen, in der Ecke stand eine Nähmaschine, daneben eine Kommode. Dort musste sich doch etwas finden lassen. Ich wäre beinahe über Mollis Hundekörbchen gestolpert, als ich herübereilte und die oberste Schublade aufschob. Ein Arsenal von gehäkelten Deckchen und Garne präsentierten sich, an denen ich meine Finger vorsichtig vorbeischob, um nach anderem zu tasten. Wonach ich genau suchte, war mir nicht klar. Vielleicht Schmuck oder Uhren, vielleicht Bargeld, doch auf jeden Fall etwas von Wert. Aber das ganze übereinandergeschichtete Nähzeug machte die Suche danach unmöglich.
„Machs einfach leer“, sagte Chris, der hereinkam und sich an mich vorbeidrängte.
Mit einem Ruck riss er die Schublade aus ihrer Verankerung, kippte den Inhalt über den Teppich und schob mit den Sneakern die Gegenstände auseinander. Nichts davon schien es wert eingepackt zu werden, deshalb zog er das nächste Fach auf. Magazine und Bastelkram flogen durch die Luft. Eine Packung Moosgummi klatschte gegen meinen Kopf.
„Kannst du nicht aufpassen?!“, meckerte ich und warf sie zurück.
Hier würden wir ohnehin nichts finden, was machte es da für einen Sinn, alles herauszurupfen. Chris jedoch sah das wohl anders.
Ein plötzliches Geräusch ließ mich zusammenzucken. Mein Herz setzte zum Dauerlauf an, während meine Ohren angestrengt in den Flur horchten. Kein Schlüssel, der sich im Türschloss drehte. Kein Röcheln eines erschöpften Hundes. Nichts.
Im nächsten Moment traf mich eine Glitzerwolke. Chris lachte laut auf.
„Damit kannst dein Tütü aufhübschen, du Schisser!“
Schnaufend pustete ich mir das silberne Zeug aus dem Gesicht und packte mir eines der Döschen. Dieses Spiel konnten auch zwei spielen! Ich ließ den Deckel aufspringen und ehe er reagieren konnte, schleuderte ich ihm einen Haufen rosa Pailletten an den Kopf. Damit war die Schlacht eröffnet. Glasperlen, Stoffbänder und Schmucksteine folgen durch das Zimmer, gefolgt von goldenen, blauen und roten Glitterstaub. Hinter dem Bett und mit einem Kissen als Schild ging Chris vor einem Hagelsturm aus Wackelaugen in Deckung. Siegessicher packte ich eine Tube Acrylfarbe und sprang auf die wacklige Matratze, bereit ihm das Zeug auf den Hoodie zu schmieren. Aber noch bevor ich abdrücken konnte, schnellte seine Hand vor, riss an meinem Knöchel und ich flog rücklinks auf die Laken. Die Tube selbst wirbelte im hohen Bogen gegen das Fenster und bespritzte Gardine und Wand. Vor meinen Augen drehte sich kurzzeitig alles. Ich unterdrückte ein aufkommendes Lachen.
Dann spürte ich die Matratze vibrieren und sah Chris Gesicht über mir. Glitter und Paillettenteile fielen aus seinem Haar, flimmerten farbenfroh auf wie ein Feuerwerk in der Nacht. Seine Augen schienen vor Aufregung zu pulsieren, lösten in mir eine Gänsehaut aus, die bis unter den Rock wanderte und eine drängende Wärme hinterließ.
Er küsste mich stürmisch, sein heißer Atem strömte zwischen meine Lippen. Hastig riss er den Verschluss meiner Jacke herunter, wollte keine Sekunde verstreichen lassen, in der sich mein Kopf hätte einschalten können. Er betastete mein Oberteil, um es samt BH nach oben zu schieben. Die andere Hand griff unter den Rock, zerrten den Slip an den Oberschenkeln herunter. Ich seufzte auf, als sein Finger gegen die heiß pochende Stelle zwischen meinen Beinen rieb. Aber nur kurz, denn schon richtete er sich auf, fummelte eine kleine Packung aus seiner Hosentasche, ehe er die Jeans öffnete und sie herunterrutschen ließ. Mit den Zähnen riss er das Plastik auf, spuckte das abgetrennte Eck aus und streifte das Kondom über. Es ging derart schnell, dass ich keine Möglichkeit hatte, mich auf das vorzubereiten, was folgte. Auf dem Bett kniend spreizte er meine Beine und drückte sich in mich, hitzig und mit einem Mal. Meine Hand griff nach einem bestickten Kissen, pressten es aufs Gesicht, um einen Schrei zu unterdrücken. Es roch muffig und nach Alte-Leute-Parfüm, konnte aber das Ziehen in meinem Unterlaib nicht mindern. Alles in mir verkrampfte sich. Ich hörte Chris aufstöhnen, während jeder seiner Stöße tiefer ging. Entspann dich, sagte ich mir, gleich wird es schöner, gleich wirst du es mögen. Was war nur los mit mir? Ich hatte es doch gewollt. Warum wehrte sich mein Körper, obwohl er eben noch voller Eifer dabei gewesen war? Ich versuchte, mich auf Chris schneller werdenden Atem zu konzentrieren, auf die Seufzer, die mir sagten, dass es ihm gefiel, so wie es auch mir gefallen könnte, wenn es nur nicht so wehtun würde. Urplötzlich krallten sich seine Finger in meine Oberschenkel. Ich schmiss das Kissen beiseite und sah, wie sich ein Beben in ihm breit machte, mit dem schönsten Gesichtsausdruck, der höchste Anspannung mit Erleichterung mischte.
Dann war es vorbei. Er löste sich von mir, schnappte sich das Laken und wischte das Gummi samt Höhepunkt ab, mit keiner Miene verlegten darum, dass das Ganze nur Minuten gedauert hatte. Im nächsten Moment zog er seine Hose wieder hoch und warf mir meinen Slip auf den Bauch.
„Abflug“, sagte er mit rauer Stimme. „Möcht nich hier sein, wenn die Alte wiederkommt.“
Damit verließ er das Zimmer.
Reglos blieb ich auf dem Bett zurück, blickte an meinen nackten Brüsten bis zu den gespreizten Beinen herab. Nur langsam verstand ich, was soeben passiert war. Und genauso langsam richtete ich mich auf.
Das Wunder aus glitzernden Farben und freudigem Hochgefühl war einem Trümmerfeld aus besudelter Bettwäsche und blinder Zerstörungswut gewichen. Nicht weit von mir lag das benutzte Kondom, faltig wie ein ausgedienter Luftballon. Wie von fremder Hand geführt zog ich den Slip an und richtete meine Klamotten. Aber erst als ich die Sauerei aus dickflüssiger Farbe auf der Tapete hinter mir erblickte, überkam mich der Ekel wie ein aufplatzendes Geschwür. Was hatte ich getan?