Eigentlich war Gerold nach dem Erlebnis in der Sattelkammer die Lust an Sex vergangen. Wenn er nur dran dachte, der Koch könnte ihn anfassen, gruselte es den Burschen und ein kalter Schauer jagte ihm über den Rücken. In der Küche versuchte er, Kaspar so gut wie möglich aus dem Wege zu gehen. Dass das nicht immer realisierbar sein würde, war auch Gerold klar. Immerhin war er sein direkter Vorgesetzter und hatte in der Küche das alleinige Sagen. Somit musste Gerold tun, was ihm vom Koch aufgetragen wurde. Zum Glück ahnte dieser nicht, dass er von Gerold bei seinen verbotenen Spielchen mit Godfried in der Sattelkammer beobachtet worden war. Somit beließ es der Küchengehilfe einfach als gesehen und versuchte das Vorkommnis zu vergessen. Nur, dass dieses Erlebnis auch seine Lustgefühle auf Frauen verdrängt hatte, ließ ihn doch etwas nachdenklich werden. In seinem Hinterstübchen war immer der Gedanke, Kaspar könnte auch mit der Frau, die er für sich selbst als Opfer auserkoren hatte, etwas gehabt haben.
So vergingen die Tage im Trott des Alltags und Gerold überlegte schon, ob er noch weiter auf der Burg bleiben, oder doch lieber weiterziehen sollte. Richtig halten tat ihn hier eigentlich nichts, außer, dass er ein Dach über dem Kopf und ein Auskommen hatte, mit dem er seine Mutter auch noch unterstützen konnte. Doch dann dachte er sich, so eine Chance bekommt er bestimmt nie wieder. Auch wenn er sich seitdem etwas unwohl und sich vom Koch ständig beobachtet fühlte, entschloss er sich letztendlich zu bleiben. Allerdings würde er den Burgvogt Alfred von Witzelsberg nach einer anderen Arbeit fragen. Damit erhoffte er sich, aus den Fängen des Kochs entkommen zu können.
„Wie kommst du auf die Idee, nicht mehr in der Küche arbeiten zu wollen?“, wurde Gerold vom Burgvogt gefragt, als er diesem sein Anliegen vorbrachte. „Sei doch froh, dass du diese Anstellung bekommen hast.“
„Nun ja“, druckste Gerold herum. Die Wahrheit zu sagen, dazu fehlte ihm der Mut. Den Koch aufgrund der stummen Sünde anzuklagen, war für ihn doch ein wenig zu weit hergeholt. Beweise hatte er auch keine, da stände es zwei gegen eins. Er würde garantiert den Kürzeren ziehen, denn Kaspar hatte genug Macht auf der Burg, Gerold, der nur ein kleines Nichts unter Vielen war, in den Kerker werfen zu lassen. Wie es da aussah, das wusste er ja schon. Nicht aus eigener schlechter, sondern eher aus lustvoller Erfahrung, die er dort mit Sigurd, dem Burgfräulein machen durfte.
„Heraus mit der Sprache“, forderte Alfred ungeduldig. „Ich habe nicht so viel Zeit, ewig auf deine Antwort zu warten.“
„Nun ja“, begann Gerold erneut. „Ich möchte gerne etwas Anderes machen. Die Küche ist doch nicht so mein Metier.“
„Ich schaue mal, was ich machen kann“, erwiderte Alfred. „Aber hoffe nicht auf leichte Arbeit“, warnte er Gerold noch.
„Das ist mir klar. Ich kann zupacken und scheue keine schwere Arbeit“, sagte Gerold noch, ehe er sich wieder auf den Weg zurück in die Küche an die verhasste Arbeit machte.
Wilhelma, die Witwe des alten Schmiedes stand eben am Herd, als Gerold durch die Tür trat und sich daran machte, Gemüse für das Abendmahl des Burgherrn zu putzen. Nervös schaute sich Gerold dabei immer wieder um und achtete darauf, dass ihm Kaspar nicht zu nahe kam.
Wilhelma bemerkte die Unruhe des Küchenhelfers, sagte aber noch nichts. Eher machte sie sich Gedanken darüber, was ihm denn fehlen könnte. Sie wusste, Gerold war ohne Weib auf die Burg gekommen. So zog sie ganz andere Schlüsse aus Gerolds ungewöhnlichen Verhalten.
Er bräuchte vielleicht mal wieder etwas Weibliches, waren ihre weiteren Gedankengänge. Dabei dachte sie allerdings nicht nur an Gerold, sondern mehr an sich selbst. Wilhelma war seit Jahren Witwe und hatte seit dem Tod ihres Angetrauten keinen Mann mehr im Bett gehabt. Sie war nie die Frau gewesen, die sich einfach aus Spaß einem Mann hingeben konnte. Das behielt sie auch bei, als ihr Mann von ihr gegangen war. So stand sie trocken und wusste oft nicht, wie sie mit ihrer Geilheit, die sie ab und an mal überraschte, fertig werden sollte. Dass ihre Möse, wie sie es immer sagte, überhaupt noch da war, wunderte sie. Unbenutzt machte diese ihr keinen Spaß und es sich selbst besorgen, wollte sie auch nicht. Bei Gerold allerdings dachte Wilhelma daran, sich der Sünde hinzugeben. Er zog sie an, wie die Motten das Licht.
„Ja, ich werde mich an ihn ranmachen, ihn bezirzen, verführen und dann …“, sprach Wilhelma zu sich selbst. Fast hätte sie es laut ausgesprochen. Zum Glück konnte sie sich gerade noch bremsen und die Worte nur leise vor sich hin murmeln.
Allerdings ging noch einige Zeit ins Land, bis Wilhelma endlich bei Gerold landen konnte. Der Burgvogt hatte sein Versprechen schnell wahr zu machen können und Gerold eine andere Arbeit auf der Burg zugewiesen. Wie es das Glück so wollte, wurde gerade die Stelle des Schmiedes frei. Der bisherige Amtsinhaber konnte aufgrund eines Unfalls seiner Arbeit nicht mehr nachgehen und war nun auf die Hilfe anderer angewiesen.
Es war inzwischen Herbst geworden, als es für Wilhelma endlich eine Gelegenheit ergab, ungestört an den heimlichen Geliebten heranzukommen. Gerold arbeitete schon längst nicht mehr in der Küche, sondern hatte die Arbeit des Schmieds zugeteilt bekommen.
Eines Abends, Wilhelma kam eben von ihrem Dienst in der Küche zurück, stand Gerold immer noch in der Schmiede und hämmerte auf einem Stück glühendem Eisen herum. Er schlug darauf ein, als würde er es totschlagen wollen. Grimmig schaute er Wilhelma an, als die hinter ihn trat und ihn bei der Arbeit störte.
„Was willst du? Hast du nichts zu tun?“, fuhr er die unschuldig schauende Frau an.
„Wenn ich ehrlich sein soll, ja, ich habe nichts zu tun“, antwortete Wilhelma wahrheitsgemäß. „Aber ich schaue dir gerne zu. Das habe ich schon bei meinem Ehemann, Gott habe ihn selig, immer gerne getan.“
„Meinetwegen“, brummte Gerold und wandte sich wieder seinem Werkstück zu. „Aber steh mir nur nicht im Wege herum.“
Wilhelma stand etwas abseits und beobachtete ihren Helden weiter bei der Arbeit. Er war zwar sehr viel jünger als sie selbst, aber trotzdem fand sie ihn sehr anziehend. Sie sah das wilde Muskelspiel seiner Oberarme, während er mit dem Hammer auf das Schmiedeeisen einschlug, das langsam die Form eines Hufeisens annahm. Sein Brustkorb hob und senkte sich, als wäre Gerold außer Atem. Schweiß rann ihm in Strömen über das Gesicht und nässte sein Hemd ein, das vom Ruß des Schmiedefeuers geschwärzt war. Als Gerold den Schweiß wegwischen wollte, verschmierte er sein Gesicht derart mit Ruß, dass er aussah wie ein Ungeheuer.
Die beobachtende Frau begann zu lachen. Sie versuchte noch, das Lachen zu unterdrücken. Doch sie konnte sich nicht beherrschen.
„Was gibt es da zu lachen?“, knurrte Gerold die Frau an. Er konnte sich beileibe nicht vorstellen, was hier so lustig sein sollte.
„Du müsstest dich mal sehen“, prustete Wilhelma los, sich den Bauch dabei haltend. „Dein Gesicht ist ganz schwarz. Du siehst aus wie der Leibhaftige.“
„Das hat die Arbeit eines Schmiedes so an sich, dass man auch mal schmutzig wird“, motzte Gerold weiter und schüttelte den Kopf über ihr Gelächter. „Das müsstest du eigentlich wissen, dein Mann war doch auch Schmied.“
„Natürlich weiß ich das“, verteidigte sich Wilhelma. „Nur bei dir sieht das so süß aus, die schwarzen Streifen in deinem Gesicht.“
„Süß? Ich? Das wage ich zu bezweifeln“, erwiderte Gerold etwas mürrisch.
„Ich finde starke Männer immer süß und sehr animalisch“, ging nun Wilhelma auf Konfrontation. Jetzt oder nie, dachte sie sich. Entweder er beißt an und ich habe Glück, oder ich habe Pech.
„Hey, willst du mir um den Bart gehen und mich gefügig machen?“, erkannte Gerold die Situation sofort. Er begann zu ahnen, was seine Besucherin bezweckte. Doch so schnell wollte er sich nicht einfangen lassen. Er war ein Mann, der gerne das Heft in die Hand nahm und von sich aus die Initiative ergriff. Dass ihn hier eine Frau anmachte, das passte ihm gar nicht. Dass diese Frau auch noch viel älter war, als er selbst, behagte ihm erst recht nicht. Gerold stellte sich den hängenden, vom Kinder säugen ausgelaugten Busen der Frau vor, was ihm einen Schauer über den Rücken jagte.
„Was denkst du denn von mir. Ich habe es nicht nötig, mich Männern an den Hals zu werfen“, erzürnte sich Wilhelma. Am liebsten hätte sie mit dem Fuß aufgestampft, so wie sie es immer getan hatte, wenn sie sich mit ihrem Angetrauten stritt. Doch das hier war Gerold, der neue Schmied, der vor ihr stand wie ein kleiner Lausbub mit verschmiertem Gesicht und nicht ihr Ehemann. Was sie sich bei Gerold erlauben konnte, war ihr noch nicht klar. Das würde sie noch herausfinden müssen, bis sie ihn endgültig in ihren Fängen hatte und er ihr nicht mehr entkommen konnte.