Etwa zur gleichen Zeit in Sieglindes Gemach
Unruhig wälzte sich Sieglinde in ihrem Bett umher. Die Kissen und die Laken waren so zerwühlt, als hätte darin eine Schlacht stattgefunden. Die junge Frau schwitzte, heiße und kalte Wellen durchzogen ihren Körper, als hätte sie Fieberschübe. Doch das mysteriöse Fieber, das sie befallen hatte, war nicht krankhafter Natur. Die heimlichen Fantasien der Frau führten sie zurück zu Gerold, mit dem sie am späten Nachmittag gar unzüchtige Dinge erlebt und die sie mit jeder Faser ihres Leibes genossen hatte.
Für Sieglinde war das, was sie im Verborgenen getan hatte, gar kein Frevel, sondern eher die Rache an ihrem Gemahl. Seit seiner Abreise mit Schwager Arthur litt sie unter diesem eisernen Keuschheitsgürtel, den er ihr in seiner unberechtigten Eifersucht anlegen ließ. Wie glücklich war Sieglinde gewesen, als es Gerold mit etwas Mühe gelang, dieses Folterinstrument zu entfernen.
„Ich kann froh sein, dass ich Brunhilds Rat angenommen habe“, ging es Sieglinde durch den Kopf, als die nächste Welle der Wollust abebbte und sie wieder zu Atem kommen ließ. „Eigentlich könnte ich Gerold herbeirufen lassen und ihn um ein weiteres Schäferstündchen bitten“, dachte sie weiter. Nach einiger Überlegung stand ihr Entschluss fest: Gerold musste her!
Sieglinde griff nach der Kordel, die neben dem Bett angebracht war und zog daran. Dieser Seilzug führte über einige Rollen ins Nebenzimmer zum Schlafgemach ihrer Zofe hinüber und brachte dort ein Glöckchen zum Klingeln. Henriette, die bereits geschlafen hatte schreckte hoch, sie wusste, dass ihre Herrin ihre Dienste benötigte. Noch während Sieglinde an der Kordel zog, rief sie ungeduldig:
„Henriette! Komm her!“
Diese stieß einen gequälten Seufzer aus. An den lang ersehnten Schlaf und Ruhe war nun nicht mehr zu denken.
„Nicht schon wieder, nicht einmal zur Nacht kann man sich ausruhen“, stöhnte sie und stand auf. Schnell richtete sie ihre Kleidung, zupfte ihre Haube zurecht, ehe sie sich durch die schmale Verbindungstür ins Gemach ihrer Herrin begab.
„Herrin, ihr ließet mich rufen“, grüßte sie Sieglinde, die aufrecht im Bett saß und sie bereits ungeduldig erwartete. Sieglinde war nicht gerade die geduldigste Person. Wenn es ihr nicht schnell genug ging, konnte sie schon sehr ungehalten werden. Henriette hatte deshalb nicht nur einmal die Peitsche zu spüren bekommen. So auch jetzt. Sieglinde hatte bereits erneut die Kordel in der Hand und wollte eben noch einmal nach ihrer Bediensteten klingeln.
„Da bist du ja endlich“, fuhr sie die Zofe an. „Neuerdings brauchst du immer so lange, wenn ich nach dir rufe. Ich möchte mal wissen, was du so treibst.“ Aus ihrer Stimme klang der Missmut heraus.
„Entschuldigt bitte, Herrin, ich habe schon geschlafen. Das nächste Mal werde ich schneller sein“, beteuerte Henriette reumütig, in der Hoffnung, diesmal einer Strafe zu entgehen.
„Das will ich hoffen, sonst muss ich erneut zur Peitsche greifen und dich wieder einmal an deine Aufgaben erinnern“, kam der nächste Anranzer von Sieglinde. „Ich habe einen Auftrag für dich“, sprach sie einfach weiter, ohne Henriette zu Wort kommen zu lassen. „Du weißt doch, wer dieser Gerold ist und wo seine Unterkunft ist.“
„Natürlich Herrin“, erwiderte Henriette. „Das ist doch der Schmied, der auf der anderen Seite des Burghofes wohnt.“ Ihr Herz klopfte aufgeregt, als sie den Namen des Schmieds hörte. Sie sah ihn öfters im Hof, mit nacktem Oberkörper. Der Anblick des kräftigen Mannes ließ ihr Gemüt erhitzen. Was jedoch ihre Herrin mit diesem Mann zu tun hatte, das konnte sie sich bei bestem Willen nicht erklären. Dass auch sie ihn heimlich vom Fenster ihrer Kammer aus beobachtete, behielt sie lieber für sich.
„Richtig, da muss ich dazu ja nichts weiter erzählen. Pass auf und höre genau, was ich dir zu sagen habe. Versprich mir aber, niemals ein Wort darüber auszuplaudern, auch meinem Gemahl und meiner Schwester gegenüber nicht!“ Sieglinde sah ihre Zofe forsch an.
„Ich verspreche und schwöre bei Gott, auch unter Androhung von Strafe, niemals etwas verlauten zu lassen, was ihr mir jetzt im Vertrauen befehlen werdet“, schwor Henriette. Um die Wahrheit ihrer Worte zu bekunden, hob sie dabei sogar die Hand zum Schwur.
„Also“, begann Sieglinde, die beruhigt Henriettes Geste sah. Sie zog die Kammerzofe ein wenig näher an sich heran, damit sie leiser sprechen konnte. „Gehe zu Gerold und bitte ihn, mich hier zu besuchen. Er soll gleich mit dir zurückkommen. Sag ihm, ich hätte es mir überlegt. Er weiß dann, was du meinst und wird keine Fragen stellen. Sei jedoch auf der Hut, dass dich niemand entdeckt, wenn du zu ihm gehst. Auch auf dem Rückweg ist Vorsicht geboten. Die Burg ist zwar groß, aber die Wände haben Augen und Ohren. Hast du alles verstanden?“
„Ja, Herrin“, erwiderte Henriette.
„Sehr gut. Dann geh und eile dich“, schickte Sieglinde die junge Frau los.
Henriette eilte. Flink und leise wie eine Maus huschte sie durch die Flure und verließ das Haupthaus durch eine kleine Seitentür, durch die sonst Lebensmittel für die Küche hineingetragen wurden. Sie ließ die Tür ein wenig angelehnt, damit sie auf dem Rückweg nicht noch einmal mit dem Riegel hantieren musste.
Der Hof war durch die Strahlen des Mondes genug erhellt, sodass Henriette ohne zusätzliches Licht, das sie verraten könnte, die Schmiede erreichen konnte. Dort klopfte sie leise an das Fenster, hinter dem sie Gerolds Unterkunft wusste. Zum Glück musste sie nur kurz klopfen. Der Schmied war noch wach und hörte die Geräusche am Fenster.
„Wer da?“, rief er, als er aufstand, um nachzuschauen, wer es zu dieser späten Stunde wagte, ihn zu stören.
„Gerold, bist du noch wach, lass mich rein“, hörte er Henriettes Stimme. Er kannte die junge Frau, die er schon öfter mit Sieglinde durch den Garten spazieren sah. Die beiden Frauen erregten sein Gemüt, die junge Zofe ein wenig mehr als Sieglinde, die Schwester der Burgherrin. Er mochte deren lieblichen Anblick zwar ebenso, doch ihre oft hochmütige Art und Weise trug nicht dazu bei, sie in seinen Augen recht beliebt zu sein. Da gefiel ihm ihre Begleitung sehr viel mehr, jung, knackig, wohlgerundet an Stellen, die er mochte: Busen und Hintern. Dass er heute bereits mit Sieglinde ein Stelldichein hatte, verdrängte er einfach.
„Was machst du denn hier?“, fragte Gerold erstaunt, als er die Tür öffnete. „Und das auch noch zu solch einer unchristlichen Zeit. Kleine Mädchen wie du sollten längst schlafen.“ Er trat beiseite, um Henriette eintreten zu lassen. Ehe er die Tür wieder schloss, schaute er noch nach, ob jemand seine späte Besucherin bemerkt haben könnte. Doch alles war still.
„Nun sag schon, was du um diese Zeit hier willst“, fragte er nochmals. Gerold zündete eine Kerze an. Henriette stand mit hochrotem Kopf vor ihm und rang nach Luft.
„Meine Herrin schickt mich“, begann sie.
„Weshalb“, wollte Gerold wissen und sah die junge Frau lüstern an. „Sollst du vielleicht mit mir? Ich bin ein guter Stecher, der deine Jungfernschaft schnell beseitigt. Dauert auch nicht lange und tut gar nicht weh“, meinte er mit lüsternem Blick auf Henriette.
„Red nicht so ´nen Schmarrn. Meine Jungfernschaft geht dich gar nichts an“, wurde er von Henriette angefaucht, die am liebsten sofort ihre Unschuld an den Schmied verloren hätte. Doch das war nicht der Grund ihres Kommens. Also musste sie dem Drang, ihre Lust auszuleben, widerstehen. „Meine Herrin lässt ausrichten, du sollst in ihr Gemach kommen. Du wüsstest schon, warum.“
„So, weiß ich das?“, stichelte Gerold weiter, der jetzt viel lieber vom jungen Fleisch der Zofe gekostet hätte, als von dem ihrer Herrin.
„Ja, weißt du. Also red´ nicht so. Nun komm schon. Meine Herrin mag nicht lange warten. Sie ist sehr ungeduldig“, erklärte Henriette und griff nach Gerolds Ärmel, um ihn hinter sich herzuziehen.
„Ich komme ja schon“, wehrte Gerold ab und riss sich los. Dann lief er hinter Henriette zum Ausgang. Er warf seine Tür nur hinter sich zu, ohne sie zu verschließen. Dass jemand unberechtigterweise seine Unterkunft betreten könnte, interessierte ihn nicht. Sein weniges Hab und Gut, das er besaß, war nur von geringem Wert und für ihn nicht von Bedeutung.
„Mach leise“, flüsterte Henriette und schritt voran. „Die kleine Tür zur Küche habe ich offen gelassen“, kam dann noch von ihr. Henriettes Gesicht war rot und erhitzt vom schnellen Laufen. „Pass auf, dass du im Schatten bleibst und nicht gesehen wirst“, sprach sie weiter. „Du weißt ja...“ weiter kam sie nicht, denn Gerold unterbrach sie barsch.
„Nun halte endlich den Mund, du Schnatterweib“, herrschte er sie an. „Wenn du so weiter plauderst, werden wir wirklich noch entdeckt.“ Er sprach so leise, dass Henriette ihn kaum verstehen konnte. Doch an seinen grimmigen Gesichtszügen, die sie im Licht des Mondes erkennen konnte, konnte sie erahnen, was er sagte.
Endlich erreichten sie die kleine Tür und schlüpften hindurch ins Innere des Haupthauses. Henriette kannte den Weg und lief im Dunkeln, ohne irgendwo anzustoßen. Georg währenddessen hatte Probleme, sich zu orientieren.
„Wo bleibst du“, zischte Henriette, als sie bemerkte, dass er zurückfiel.
„Ich kenne mich hier im Inneren nicht aus. Lauf ein wenig langsamer, damit ich dir besser folgen kann. Außerdem ist es stockdunkel. Wie soll ich da leise sein, wenn ich ständig irgendwo anstoße“, murrte Gerold, dem der Wunsch Sieglindes immer weniger gefiel. Vor allem auch, da sie sich damit zum zweiten Male am heutige Tage der Unzucht schuldig machte.
„Nimm meine Hand“, bot Henriette an.
„Viel lieber würde ich nach etwas ganz anderem greifen“, wurde Gerold anzüglich und griff nach Henriettes Busen. Die junge Frau konnte gerade noch einen Schreckenslaut unterdrücken. Schon presste sich Gerold mit seinem gesamten Gewicht an sie. Henriette trat zurück, doch da war schon die Wand, die ihr ein Entkommen unmöglich machte.
Heftig versuchte sie, Gerold zurückzustoßen.
„Kleine Kratzbürste“, flüsterte der an ihren Lippen und verschloss diese mit seinen eigenen. Doch da hatte er die Rechnung ohne Henriette gemacht. Kräftig biss sie zu, obwohl sie sich viel lieber von ihm küssen lassen wollte. Doch die Strafe, die ihr Sieglinde auferlegen würde, ließ sie ihre eigenen Gelüste vergessen.
„Ahhh, au, du Biest“, jammerte Gerold und betastete mit seiner Zunge die malträtierte Lippe.
„Selber schuld“, schimpfte Henriette leise, dass er es gerade noch so hören konnte. „Meine Herrin wartet, wir sollten weitergehen“, ging sie einfach zur Tagesordnung über, als wäre nichts gewesen. Mit weit ausladenden Schritten lief sie los, ohne darauf zu achten, ob Gerold ihr folgen konnte. In ihrem Inneren glühte es. Als sich Gerold an sie presste, konnte sie seine harte Männlichkeit spüren, die sich an ihren Schoß drängte. Von Erzählungen ihrer bereits verheirateten Freundinnen wusste sie, welche Wonnen diese Härte zaubern konnte. Dass sie gerade jetzt den von ihr Begehrten zu ihrer Herrin bringen musste, damit diese mit ihm ein Schäferstündchen verbringen konnte, ließ in ihr die Eifersucht brodeln. Doch sie selbst war nur eine einfache Bedienstete, die zu tun und zu lassen hatte, was ihr befohlen wurde.
„Noch ist nicht aller Tage Abend“, ging es Henriette durch den Kopf, als sie die Tür zu ihrer Kammer öffnete, um Gerold durch ihre Unterkunft in das Gemach ihrer Herrin eintreten zu lassen.
„Herrin, ich habe Gerold gefunden. Er ist nun eingetroffen“, kündigte sie Sieglinde Gerolds Ankunft an, als sie durch die kleine Tür in deren Gemach eintrat. Gerold selbst wartete noch in Henriettes Kammer, um Sieglinde nicht in Verlegenheit zu bringen, ihn womöglich ohne eine Faser am Leib empfangen zu müssen.
Sieglinde saß, nur mit ihrem Nachtgewand bekleidet, aufrecht im Bett. Die Vorhänge hatte sie nur ein wenig geöffnet und die Kerzen, die aufgestellt waren, ließen den Raum ein wenig schummrig wirken. Es war gerade so viel Helligkeit im Gemach, dass sie Henriette erkennen konnte. Zum Glück war es nicht hell genug, um deren rot leuchtenden Wangen bemerken zu können.
„Lass ihn eintreten“, erwiderte Sieglinde hoheitsvoll. „Ich warte schon eine halbe Ewigkeit auf ihn. Was habt ihr nur gemacht, dass das so lange gedauert hat“, hängte sie mit einem vorwurfsvollem Ton an ihre Rede an.
„Sehr wohl“, erwiderte Henriette und ging in Richtung ihrer Kammer. „Meine Herrin erwartet dich“, ließ Henriette Gerold wissen. Dabei schaute sie ihn sehnsuchtsvoll, aber auch eifersüchtig an. Sie trat ein wenig zur Seite, um ihm Platz machen.
„Seid gegrüßt“, sagte Gerold mit einer Verbeugung zu Sieglinde, als er in das Gemach seiner Gespielin eintrat. Sieglinde blickte ihm mit leuchtenden Augen entgegen. Ihren Unmut über die vermeintliche Verspätung hatte sie bei Gerolds Anblick längst vergessen.
„Sei du auch gegrüßt“, erwiderte Sieglinde. Ihr Herz schlug dabei schnell und ihr Puls erhöhte sich, dass sie schon Angst bekam, er könne es bemerken. „Henriette, du kannst gehen“, konnte Sieglinde gerade noch herauspressen, so groß war ihr Verlangen nach Gerolds harter Männlichkeit. Ihr Schoß kribbelte vor lauter Vorfreude, als wären dort Ameisen eingedrungen.
„Nun geh schon“, fuhr Sieglinde Henriette an, die immer noch wie zur Salzsäule erstarrt mitten im Raum stand und nicht reagierte.
Erschrocken schaute Henriette zu ihrer Herrin.
„Ja, natürlich“, seufzte sie fast und verließ fluchtartig den Raum. In der Unterkunft ließ sie sich auf der anderen Seite der Tür nieder und legte den Kopf auf ihre Arme. Tränen flossen über ihr Gesicht, Tränen, die sich tief in ihre Seele einbrannten.
„Was soll das nur noch werden“, flüsterte sie zu sich selbst. „Gerold, was hast du nur mit mir getan? Ein Feuer hast du entfacht, das nur du wieder löschen kannst.“ Henriette lauschte an der Tür. Sie presste ihr Ohr fest an das Holz, das sie von Gerold trennte. Doch keinen, noch so winzigen Laut konnte sie aus dem Gemach ihrer Herrin vernehmen. „Wenn du wüsstest, was du mir damit antust“, weinte Henriette vor sich hin. Die Sehnsucht brannte in ihr und Gerold, der diese erfüllen könnte, lag mit einer anderen Frau, die auch noch ihre Dienstherrin war, im Bett.
„Ach Gerold, Liebster“, seufzte Henriette nochmals, als sie sich endlich aufraffte, um sich auf ihrem Bett zur Nachtruhe niederzulegen. Nachdenklich schaute sie zur Decke, angestrengt versuchte sie, wach zu bleiben. Doch der Schlaf kam schneller und unbarmherziger, als sie es wollte.