Fragend wurde Gerold von Bartel angesehen.
„Du scheinst schwer von Begriff zu sein“, sagte Gerold zu seinem Wachkollegen, als er erkannte, sein Kamerad begriff den Zusammenhang des Einbruchs und der Tür immer noch nicht. „Die Gefangenen sind immer noch gefangen und die Einbrecher ebenfalls.“
Endlich ging Bartel ein Licht auf. „Du bist ein wahrer Filou! Wenn ich dich nicht hätte“, rief er erfreut aus und umarmte Gerold überschwänglich. „So ein Glück für uns!“
„Weshalb Glück für euch?“, hörten sie auf einmal die Stimme ihres Vorgesetzten von der Tür her. Erschrocken wandten sich die beiden Ertappten um. Michel stand wirklich am Eingang des Wachhäuschens und schaute sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Hm, ja… wie soll ich es sagen“, begann Bartel zu stottern.
„Bartel musste eilig zum Abort und sich erleichtern. Er hat heute etwas Bauchgrimmen, was ihn ein wenig zu schaffen macht. Deshalb dauerte seine Sitzung etwas länger als normal. Das bot sich zwei Nichtsnutzen an, ihre hier eingekerkerten Kumpane befreien zu wollen“, wurde Bartel von Gerold unterbrochen. Gerold hatte erkannt, dass sein Kollege an Erklärungsnot litt.
„Willst du damit sagen, die Gefangenen konnten entfliehen?“, fragte Michel bestürzt.
„Das nicht, nein“, erwiderte Gerold. „Obwohl ich von den Unholden niedergeschlagen wurde, konnte ich sie festsetzen.“
„Und wo sind sie jetzt?“, wollte Michel nun wissen, worauf Gerold erneut auf die verbarrikadierte Kerkertür zeigte.
„Leider nicht in einer Zelle, sondern im Gang oder auf der Treppe nach oben“, gab Gerold zu. „Doch fliehen können sie trotzdem nicht.“
„Wie viele sind es?“, fragte Michel.
„Insgesamt vier“, erwiderte Gerold, „zwei davon haben mich überfallen und danach ihre eingesperrten Kumpane befreit.“
Michel überlegte. „Es ist besser, wir kerkern sie wieder ein“, sagte er nach einiger Zeit. „Ausreißen können sie wirklich nicht, da es nur diesen einen Ausgang und keine Fenster gibt. Doch ein Risiko eingehen möchte ich auch nicht. Es ist ebenfalls gut, dass wir derzeit nur zwei Eingekerkerte haben, die befreit werden konnten. Aber warten wir trotzdem, bis die beiden Streifen von ihrem Rundgang zurück ist. Dann sind wir in der Überzahl. Mit deren Hilfe dringen wir in den Kerker ein. Du Gerold, hältst solange hier oben Wache. Der Schlag auf den Kopf hat dich bestimmt ein wenig geschwächt und du bedarfst Schonung.“
Gerold wollte widersprechen, doch Michel wehrte ab. „Keine Widerrede“, befahl er seinem Untergebenen. Er konnte es sich nicht leisten, ein Risiko einzugehen oder Gerolds Gesundheit noch weiter zu gefährden.
„Danke“, flüsterte Bartel Gerold leise zu, nachdem Michel die Wachstube verlassen hatte, um zu schauen, wo die beiden Streifen blieben.
„Nichts zu danken“, erwiderte Gerold nur und setzte sich wieder an den Tisch. Er fühlte sich wirklich ein wenig unwohl und Kopfschmerzen hatte er auch. Plötzlich drehte sich die ganze Stube vor seinen Augen wie ein Karussell, ihm wurde nun zu allem Pech noch schwindelig. Dicke Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Stirn, sein Gesicht nahm die Farbe einer weiß getünchten Wand an.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte Bartel besorgt, als er Gerolds blasses Gesicht bemerkte.
„Ja, ja“, konnte Gerold gerade noch ausstoßen, dann fiel er wie ein nasser Sack besinnungslos zu Boden.
„Gerold, was ist mit dir?“, rief Bartel erschrocken, als er seinen Wachkollegen ohne Sinnen zu Boden gehen sah. Er sprang zu ihm und legte ein Ohr auf dessen Brustkorb. Zum Glück konnte er Gerolds Herz kräftig schlagen hören.
„Auch das noch“, stieß Bartel entsetzt aus. Er rüttelte Gerold leicht, doch kein Erfolg. Gerold blieb ohnmächtig. Vorsichtig bettete er den Kopf seines Freundes auf seiner Jacke, die er schnell zusammengeknüllt hatte. Dann lief er aus der Wachstube und suchte Michel. „Schnell, Michel, komm her, der Gerold ist zusammen gebrochen“, rief er seinem Vorgesetzten zu, der an der Hausecke stand und sich augenscheinlich langweilte.
Michel ging sofort zurück zur Wachstube. „Was ist mit Gerold?“, fragte er aufgeregt. Er kniete sich neben den am Boden liegenden Mann. Auch er horchte an dessen Brust. „Hm“, sagte Michel, „da scheint alles in Ordnung zu sein.“ Doch dann bemerkte er, dass sich die Jacke unter Gerolds Kopf immer mehr rot verfärbte. Vorsichtig drehte er seinen Kameraden auf die Seite. Erst jetzt sah er die klaffende Wunde an dessen Hinterkopf. „Oh Mist, das sieht wahrlich nicht gut aus“, stellte Michel fest. „Den Gerold hat es arg erwischt. Wann wurde er so verletzt?“
„Keine Ahnung“, erwiderte Bartel. „Bestimmt bei dem Überfall vorhin. Er hat auch nichts gesagt, dass er eine Verletzung davon getragen hat. Er meinte auch nur, dass er einen Schlag auf den Hinterkopf bekommen hat. Dann fiel er einfach um. Seitdem ist er ohne Sinnen.“
Plötzlich hörten die Beiden ein Krachen hinter der verbarrikadierten Kerkertür, gleich darauf ein lautes Schimpfen. Schwere Tritte polterten die Treppe hinauf und an der Tür wurde heftig gerüttelt.
„Du dämlicher Depp“, schrie ein Mann, „kannst du nicht aufpassen! Du rennst mich ja gleich um den Haufen!“
„Hartmann, du bist selber ein Depp. Sehen wir lieber, wie wir hier entkommen können.“
„Schrei nur noch lauter meinen Namen. Da weiß gleich jeder da draußen, wer ich bin“, schimpfte der als Hartmann angesprochene Mann. Es folgte ein Klatschen und ein schmerzerfülltes Stöhnen.
„Weswegen schlägst du mich jetzt schon wieder“, jammerte die andere Stimme.
„Dafür, dass wir so blöd waren und alle beide in den Kerker hinunter gingen, um unsere Freunde zu befreien. Einer von uns hätte aufpassen müssen, dass der verbliebene Wachmann die Tür nicht verriegeln kann. Nun haben wir den Salat.“
„Wer konnte denn ahnen, dass der so schnell wieder zu sich und auf die Beine kommt“, wehrte sich der andere gegen die Vorwürfe. „Außerdem war er gefesselt und geknebelt.“
„Wir wissen auch ohne Namen, wer ihr seid. Schon lange Zeit suchen wir nach euch. Nun seid ihr uns endlich ins Netz gegangen, ergebt euch und gesteht eure Untaten“, rief Michel zur Tür hin, als dahinter wieder Stille herrschte. Dann wandte er sich erneut Gerold zu. „Lauf schnell zum Henker. Er soll herkommen“, befahl er Bartel.
„Aber…“, begann Bartel zu stottern.
„Geh endlich, oder ich mach dir Beine“, schimpfte Michel und scheuchte Bartel hinaus.
Ganz wohl war Bartel nicht zumute, mitten in der Nacht Meister Hans wecken zu müssen. Doch einen besseren Heilkundigen gab es in der Stadt nicht.
Wenig später kam Meister Hans in die Wachstube gepoltert. Im Schlepptau hatte er den Wachmann, der aussah, als würde er zum Galgen geführt werden. Er trug ein Bündel, in dem der Henker seine Utensilien verstaut hatte. Meister Hans war noch verschlafen und nicht sehr erfreut gewesen, mitten in der Nacht aus den Träumen gerissen worden zu sein.
„Ich hoffe, du hast einen guten Grund, mich mitten in der Nacht rufen zu lassen“, sagte der Henker barsch zu Michel. „Vom Bartel war nicht viel herauszuholen. Den hat es wohl die Sprache verschlagen?“, blaffte Meister Hans den Wachsoldaten an.
„Wir haben einen Verletzten“, erwiderte Michel.
„Wo ist er?“, fragte Meister Hans und trat an den Tisch, hinter dem der immer noch besinnungslose Gerold lag. „Ah, da ist er ja“, rief er aus. Sorgsam untersuchte er den Verletzten. „Die Wunde am Kopf ist nicht besonders schlimm und auch nicht lebensgefährlich“, diagnostizierte er, „doch der Schlag, den er abbekommen hat, scheint nicht ohne zu sein. Ich werde erst einmal die Wunde versorgen und dann bringen wir ihn nach Hause.“ Ohne groß um den heißen Brei herum zu reden, machte sich Meister Hans an die Arbeit. „Du da“, sprach er Bartel an, „besorg ein Brett, oder am besten eine Leiter, auf der wir den Patienten transportieren können.“
Bartel verschwand aufatmend und kam nur kurze Zeit später mit einer Leiter zurück.
Meister Hans zog Gerold das Hemd aus, wobei er die vernarbten, aber auch gut verheilten Wunden auf dessen Rücken entdeckte. „Was haben wir denn da?“, rief er aus und schaute sich die Sache genauer an. „Da müssen wir nichts tun“, stellte er fest. „Doch würde ich gerne mal wissen, woher die argen Verletzungen stammen“, murmelte der Henker in seinen Bart. „Das aber später.“ Er befestigte Gerolds Hemd zwischen zwei Stufen der Leiter. „Darin betten wir seinen Kopf“, erklärte er. „Das ist besser als auf einem harten Brett. Kopfschmerzen wird er schon genug haben. Da müssen wir ihn nicht noch mehr quälen.“
Endlich kam auch die erste Streife von ihrem Rundgang zurück. Entsetzt sahen sie auf ihren verletzten Kollegen.
„Gut, dass ihr endlich da seid“, riss sie Michel aus ihrer Starre. „Ihr bleibt hier und bewacht die Gefangenen, während Meister Hans, der Bartel und ich Gerold nach Hause bringen.“ Die beiden Männer nickten darauf. „Passt ja gut auf und öffnet keinesfalls die Kerkertür. Dort sind vier freilaufende Gefangene, die keinesfalls entkommen dürfen. Wenn die anderen hier eintreffen, sie sollen in der Wachstube bleiben. Ich brauche sie nachher noch einmal.“
Gleich darauf machten sie sich mit Gerold auf der provisorischen Trage auf den Weg zu Weber Sebalts Haus, wo der Verletzte zur Zeit mit seiner Frau Marianna wohnte.
Meister Hans klopfte laut an die Haustür des Webers. Drinnen war alles dunkel, alle schienen zu schlafen. Als sich nichts rührte, klopfte der Henker nochmals heftig an die Tür. Endlich wurde im oberen Stockwerk ein Fenster geöffnet, aus dem Dorlein mit einer Nachthaube auf dem Kopf heraus schaute.
„Wer macht hier mitten in der Nacht solch einen Lärm. Ich schütte gleich den Nachttopf über euch aus. Frechheit!“, schimpfte sie lauthals. „Schert euch zum Teufel!“
„Ich bin es, Meister Hans“, gab sich der Henker zu erkennen.
„Was wollt ihr? Hat das nicht Zeit bis es hell ist?“
„Macht endlich auf“, schimpfte nun Michel, der endgültig die Geduld verlor. „Wir bringen Gerold, er ist verletzt.“
„Oh mein Gott“, jammerte Dorlein nun herzzerreißend.
„Jammere nicht. Mach lieber auf“, wetterte Michel aufgebracht, worauf Dorlein endlich das Fenster schloss und nach unten zur Haustür eilte.
„Oh mein Gott, oh mein Gott“, zeterte sie weiter, als sie die Männer mit Gerold ins Haus ließ. „Marianna, Marianna, schnell, komm runter! Dein Gerold wurde eben gebracht“, rief sie jetzt nach oben.
Durch ihr lautes Gezeter wurden fast alle im Haus wach und bald schon standen alle, wenn auch noch verschlafen, um den Verletzten herum und hielten Maulaffen feil. Nur Sebalt und Marianna fehlten noch. Während Sebald dann doch noch die Treppe hinunter ging, um der Ursache des nächtlichen Lärms auf den Grund zu gehen, stürzte Dorlein ins Obergeschoss und rüttelte an Mariannas Tür.
„Marianna, so mach doch auf“, schrie sie und klopfte aufgeregt an die Zimmertür ihrer Hausgenossin.
„Mein Gott, ich komme ja schon. Du machst hier einen Lärm, dass sich die Balken biegen“, antwortete Marianna erbost. Sie war müde, der lange Arbeitstag hatte ganzen Tribut gefordert. „Was ist denn los?“, fragte sie Dorlein verschlafen, als sie aus ihrem Zimmer auf den Flur trat.
„Dein Gerold wurde eben gebracht! Er ist verletzt und nicht ansprechbar“, erklärte die Magd aufgeregt. „Nun komm schon. Meister Hans, Michel und Bartel sind auch da.“
Marianna nahm ihr Brusttuch und legte es sich um die Schultern. Dann folgte sie Dorlein, die laut schnatternd vor ihr herging, nach unten. Als sie den Eingangsflur betrat, bildeten die Anwesenden eine Gasse. Da sah sie ihren Gerold bleich wie ein Leintuch auf dem Boden liegen. Erst jetzt begriff sie den Ernst der Lage. Marianna fiel auf die Knie und warf sich aufschreiend über ihren Gatten. Tränen liefen über ihr Gesicht und tropften auf ihn.
Alle standen betreten um Marianna und Gerold herum. Niemand wagte es, etwas zu sagen. Meister Hans fand als Erster ein Wort des Trostes. Er griff nach Mariannas Schulter und zog sie von Gerold weg.
„Beruhigt euch. Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht“, versuchte er die in Tränen aufgelöste Frau zu trösten. Er nahm sie in den Arm und drückte sie liebevoll an sich. Er wusste, diese Geste war meist tröstender und beruhigender als jedes Wort. So auch bei Marianna.
„Was ist geschehen?“, fragte Marianna schniefend und versuchte tapfer die Fassung wieder zu erlangen.
„Gerold wurde überfallen, als ich meine Notdurft verrichten ging“, erklärte ihr Bartel, der zu ihr getreten war. Dass er stattdessen Bier holen war, verschwieg er lieber. „Michel ließ den Henker holen und dieser meinte, Gerold wäre zu Hause besser aufgehoben als im Wachhäuschen.“
Als Bartel das Wort Henker aussprach, zuckte Marianna zusammen. Ängstlich schaute sie sich um und entdeckte unter den Herumstehenden einen ihr unbekannten Mann in schlichter Kleidung. Ihr fiel auf, es war derjenige, der eben zu ihr tröstende Worte gesprochen hatte. Sollte dies der Henker sein? Genau dieser Herr trat jetzt vor und verbeugte sich vor ihr.
„Gestatten, Meister Hans. Ich bin der Henker hier in Buttstädt“, stellte er sich selbst vor. „Doch ehe wir uns hier die Beine in den Bauch stehen und labern, lasst uns lieber den Verletzten nach oben in euer Schlafgemach bringen“, bestimmte Meister Hans einfach. Alle fassten mit an.
Als Gerold endlich im Bett lag, schickte der Henker alle bis auf Marianna wieder hinaus. „Der Kranke braucht Ruhe“, erklärte er. „Und nun zu euch“, wandte er sich dann an Marianna, die eingeschüchtert neben der Tür stand. Ein Henker war ihr gar nicht geheuer, in ihrem Schlafgemach erst recht nicht.
„Ihr braucht euch nicht zu fürchten“, meinte Meister Hans zu ihr. „Ich tue euch nichts.“
„Wenn ihr meint“, erwiderte Marianna und wagte sich endlich ans Bett, auf dem Gerold lag. Meister Hans hatte sich bereits an die Arbeit gemacht, die Wunde am Kopf zu versorgen, auszuwaschen und dann zu verbinden. „Euer Gemahl wird es überleben“, erklärte er dabei. „Er ist kräftig und gut genährt. Es wird nur einige Zeit dauern, bis die Gehirnerschütterung abklingt und er wieder voll einsatzfähig ist. Bis dahin verordne ich strenge Bettruhe. Am besten bewegt er sich so wenig wie möglich. Vor allem seinen Kopf sollte er vorsichtig sein. Die Körpersäfte müssen wieder ins Gleichgewicht kommen können.“
„Gerold und Bettruhe“, sagte Marianna herzlich auflachend. „Das wird sehr schwierig werden. Er ist sehr ungeduldig. Vor gar nicht allzu langer Zeit musste er auch über längere Zeit das Bett hüten. Schlimm, schlimm, sag ich nur.“
„Die frischen Narben auf seinem Rücken?“, fragte Meister Hans, der den Zusammenhang mit den Narben und langer Bettruhe erkannte.
„Ja, genau“, erwiderte Marianna nickend.
„So, fertig“, sagte Meister Hans nach einer Weile. Jetzt prangte an Gerolds Kopf ein großer Verband, der die Verletzung schlimmer aussehen ließ als sie in Wirklichkeit war.
Plötzlich schlug Gerold die Augen auf. „Wo bin ich?“, fragte er und schaute den ihm noch unbekannten Mann an, der an seinem Bett saß. „Was tut ihr hier in meinem Schlafgemach?“, fuhr Gerold auf, der nun erkannt hatte, wo er lag. Ein heftig stechender Schmerz in seinem Kopf ließ ihn qualvoll aufstöhnen.
„Ruhig, ruhig, nicht zu viel bewegen“, versuchte Meister Hans ihn zurückzuhalten. „Ihr habt eine Gehirnerschütterung und solltet euch so wenig wie möglich bewegen.“
„Es wird alles wieder gut, sagte Meister Hans eben zu mir“, ließ nun auch Marianna, die auch ans Bett herangetreten war, vernehmen.
„Marianna“, flüsterte Gerold, als er seine Liebste sah. Gerade wollte er sich aufstützen, als es ihn würgte. „Mir ist so übel“, stieß er aus. Marianna konnte eben noch die Waschschüssel vorhalten, als sich Gerold schon übergeben musste.
„Die Übelkeit vergeht auch wieder“, erklärte Meister Hans. „Die hat man meistens bei einer Gehirnerschütterung. Haltet euch an meine Anweisungen, dann ist bald alles wieder beim Alten. Und nun schlaft euch gesund. Ich komme morgen wieder und schaue nach euch“, sagte er noch und ließ das Paar allein zurück.
Auch Marianna wollte das Zimmer verlassen. Sie wurde jedoch von Gerold zurück gehalten. „Bleib bitte“, flüsterte er erschöpft. Er konnte kaum noch die Augen offen halten.
„Ich bin gleich wieder da. Ich will nur noch kurz Meister Hans meinen Dank aussprechen“, sagte Marianna und ging nach unten.
Die ganze Gesellschaft hatte sich inzwischen in der Küche um den großen Tisch zusammen gefunden. Alle redeten durcheinander und waren aufgeregt. Bartel musste zu wiederholten Male schildern, was vorgefallen war. Dabei konnte er sich die Details auch nur zusammen reimen.
Still setzte sich Marianna neben Meister Hans auf die Ofenbank. „Habt vielen Dank“, sagte sie leise zu ihm. „Was bin ich euch schuldig?“
Kopfschüttelnd sah der Henker sie an. „Gar nichts“, antwortete er. „Es ist doch auch meine Aufgabe, Verletzten zu helfen. Vor allem bei Leuten wie euch. Ich spüre, welches Leid ihr bereits durchleben musstet. Wie kann ich da einen Lohn für meine Dienste fordern. Nein, seid gewiss, ich tue es gerne, auch ohne Lohn.“
Marianna errötete. „Aber…“, flüsterte sie so leise, dass Meister Hans sie fast nicht verstehen konnte.
„Ach, mein Mädchen“, winkte der Henker ab. „Ich habe doch die Narben auf Gerolds Rücken gesehen. Das ist nicht ohne und eine sehr harte Bestrafung, die ihm zuteil wurde. Zum Glück ist alles gut verheilt, wahrscheinlich mit der Hilfe einer kundigen Heilerin. Erzählt mir irgendwann davon, wenn ihr es mögt. Doch nun geht zu eurem Liebsten…“
„Vielen Dank“, sagte Marianna nochmals und drückte Meister Hans verstohlen einen leichten Kuss auf die Wange. Dann stürmte sie hinaus und die Treppe hoch zu Gerold ins Schlafgemach.