Gerolds Aufenthalt auf der Burg seines Herrn zog sich nun beinahe über zwei Jahre hin. Der Schmied hatte eine Arbeit, die ihn ernährte und ein gutes Auskommen bescherte. Es blieb sogar noch genug übrig, um seiner Mutter, die im Dorf unweit der Burg lebte, ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen. Burgherr Arthur war der Einzige in der gesamten Umgebung, der seine Dienstboten und andere Angestellten gut bezahlte. So musste keiner in Not leben und alle waren zufrieden. Dafür leisteten die Beschäftigten gute Arbeit und somit war auch der Burgherr zufrieden.
Leider hatte Gerold nicht das Glück, einen Freund zu finden, den man auch wirklich Freund nennen und mit dem man durch Dick und Dünn gehen konnte. Er hatte zu den anderen Bediensteten der Burg zwar guten Kontakt, doch keiner war darunter, den er als seinen richtigen Freund bezeichnen könnte. Ob ihm seine Vergangenheit als Räuber da einen Strich durch die Rechnung machte? Gerold wusste es nicht. Genau so verhielt es sich mit den Frauen. Für etwas Spaß außer der Reihe war er gut genug, für mehr aber leider auch nicht. So lebte Gerold ein recht einsames Leben.
Eines schönen Tages jedoch sollte sich alles zum Besseren wenden. Nein, keine Frau trat in Gerolds Leben, sondern ein Mann.
Das kam so zustande:
Der Frühling neigte sich bereits dem Ende zu. Die Sonne tat ihr Bestes, die Menschen mit ihren wärmenden Strahlen zu verwöhnen. Auf der Burg herrschte reges Treiben, ebenso auf den umliegenden Feldern. Die Saat wurde in die Erde gebracht, das erste Gras für Heu wurde gemäht.
Seit einiger Zeit veranstaltete der Herr einen Wochenmarkt, den er im äußeren Burghof abhielt. Jede Woche trafen fliegende Händler ein, die ihre Waren zum Verkauf anboten. Sogar Gaukler und Minnesänger fanden sich ein, die die Menschen mit ihren Künsten erheiterten. Die Bauern aus dem näheren Umfeld hielten ihre Produkte feil, auch die Handwerker priesen ihre Produkte an. So entstand ein reger Handel, der allen zu Gute kam.
Außer Händler, Gaukler und Minnesänger zog es auch Dirnen an, die Handel mit der Fleischeslust trieben. Von Taschendieben und anderen Gauern mochte niemand sprechen. Beinahe jeder hatte bereits mit solch einer zwielichtigen Gestalt Bekanntschaft gemacht. Die Halunken fanden unter den vielen Menschen, die sich auf dem Wochenmarkt versammelten, immer gute Beute. Ob edle Herren oder arme Bauern, niemand blieb verschont von den Langfingern. Der Burgherr bot seine besten Wachen auf, doch oftmals waren die Diebe schneller als sie und konnten ihren Häschern entkommen.
Für Gerold war der wöchentliche Markt eine willkommene Abwechslung. Besonders hatten es ihm die Gaukler und Minnesänger angetan. Des Öfteren wurde er, wenn er den Vorführungen folgte, von einer Dame des horizontalen Gewerbes angesprochen. Gerold wies sie jedoch jedes Mal ab. Warum sollte er für etwas zahlen, das er auch umsonst bekommen konnte. Auch wenn er oft lange Zeit keine Frau hatte, er fand es nicht nötig, sich mit einer Metze einzulassen.
An einem der Markttage lauschte Gerold, so wie fast jede Woche, dem Musikstück eines Minnesängers. Der Mann, in bunte Kleider gehüllt, sang von Liebe, Glück und Leidenschaft. Obwohl Gerold nur ein einfacher Mann mit wenig Bildung war, gefiel ihm die Darbietung.
Hoch konzentriert blickte er zur Bühne, auf der der Sänger saß und seine Lieder zum Besten gab. Der Schmied war so konzentriert, dass er alles um sich herum vergaß. So bemerkte er auch nicht, dass sich unter den Zuschauern ein Langfinger befand, der die Leute um ihre Taler oder andere Wertgegenstände erleichterte.
Der Schurke schlich durch die Reihen der Menschen. Ohne Hemmung griff er zu und stahl, was er zwischen die Finger bekommen konnte. Ohne von Gerold bemerkt zu werden, näherte er sich dem Schmied. Ein flinker Griff in dessen Tasche stieß ins Leere. In Gerolds Tasche befand sich nichts was das Interesse des Diebes geweckt hätte, weder harte Taler noch sonst etwas, das man zu Geld machen konnte. Gerold, der bereits von Langfingern gehört hatte, hatte vorgesorgt und trug nichts mit sich, was gestohlen werden konnte. Unverrichteter Dinge wollte der Dieb seine Hand zurückziehen. Doch was war das? Eine Hand, hart wie Stahl und ein Griff, fest wie die Zähne eines Tellereisens legte sich um sein Handgelenk. Verzweifelt versuchte er, den Griff zu lösen, um seinem Häscher entfliehen zu können. Jedoch alle Mühe war vergebens. Er war gefangen. Resigniert ergab sich der Taschendieb seinem Schicksal. Betreten und hochrot im Gesicht sah er zu Boden und wagte es nicht, seinen Häscher anzublicken.
„Wen haben wir denn da?“, ließ Gerold leise, aber drohend genug vernehmen. „Was tust du hier? Schämst du dich nicht, ehrbare Leute zu bestehlen?“
Immer noch hochrot im Gesicht, vermochte es der Dieb nicht, nur ein einziges Wort hervorzubringen.
„Komm mit“, wurde er vom Schmied angeranzt. Während sich Gerold wegdrehte, um aus der Menschenmenge herauszutreten, zog er die Hand des Gauners, ohne den Griff um dessen Gelenk zu lockern, aus seiner Tasche. „Folge mir freiwillig, wenn du kein Aufsehen erregen willst“, drohte Gerold leise.
„Wohin bringst du mich?“, fragte der Taschendieb ängstlich, als sie die Menge verlassen hatten. Eingeschüchtert folgte er dem Schmied zum Eingang des Haupthauses, in dem der Burgherr wohnte.
„Zu meinem Herrn natürlich“, erwiderte Gerold grimmig. „Möge er über dich richten.“
„Bitte, bitte nicht! Ich verspreche, alles zu tun, was du von mir verlangst“, bettelte der Dieb und jammerte erbärmlich über sein Schicksal, das ihm beschieden schien.
„Du sollst für deine Untaten bestraft werden“, blieb Gerold hart und zog den schmächtigen, humpelnden Mann unbarmherzig weiter. Beinahe musste er ihn hinter sich herschleifen, dabei jammerte der Dieb so herzzerreißend, dass er fast Steine zum Erweichen brachte.
„Bitte“, bettelte der Dieb weiter, „ich gelobe, nie wieder zu stehlen, wenn du mich verschonst. Die Hände sollen mir abgeschlagen werden, sollte ich es je wieder tun.“
„Komm weiter“, schnauzte Gerold ihn an und zog in weiter vorwärts. Jedoch änderte er die Richtung seines Weges.
„Wohin bringst du mich nun?“, fragte der Dieb, als er erkannte, sein Häscher schlug eine andere Richtung ein.
„Frag nicht! Das wirst du schon sehen“, sagte Gerold nur. Er ging inzwischen so schnell, dass der Dieb ihm kaum folgen konnte. Über seine eigenen Füße stolpernd lief er so schnell er konnte. Doch aufgrund seines steifen Beines, das von einem Unfall zurück geblieben war, gelang ihm das nicht. Er verlor das Gleichgewicht und schlug der Länge nach mitten in der Pfütze auf, der Gerold eben ausgewichen war. Gerold konnte ihn gerade noch loslassen, sonst wäre er ihm gefolgt.
Böse knurrend drehte er sich um und blickte auf den sich in der Lache windenden Mann.
„Steh auf, du Jammerlappen!“, fuhr er ihn an. „Du machst dich mit deinem Gezeter schon genug zum Gespött der Leute!“
Ohne weiter auf sein Anhängsel zu achten, strebte Gerold schnurstracks auf die Schmiede zu. Der Tag war ihm durch das Aufkreuzen des Taschendiebs schon genug versauert worden. Da stand ihm nicht noch der Sinn, sich das Gelächter und den Hohn der Burgbewohner zuzuziehen.
Mühsam rappelte sich der Dieb auf. Seine Kleider waren durch den Sturz in den Pfuhl durchnässt und verschlammt. Verstohlen blickte er sich um, um einen Weg für seine Flucht zu finden. Doch Gerolds grimmiges „Wage es und du wirst dein blaues Wunder erleben“ brachte ihn wieder auf den rechten Weg zurück. Mit hängenden Armen folgte er somit beinahe freiwillig.
„Komm rein“, befahl Gerold dem Taschendieb, ihm in die Schmiede zu folgen. Gerold verschloss hinter sich die Tür und legte noch extra einen Riegel vor.
„Ich werde nicht fliehen“, beteuerte der Dieb und sah Gerold zum ersten Mal offen an. Wässrig blaue Augen blickten dem Schmied entgegen.
„Vorsicht ist besser als Nachsicht“, erwiderte Gerold nur und prüfte nochmals den Riegel.
„Wie heißt du eigentlich?“, wollte Gerold dann wissen.
„Ich bin der Töpfer Hannes“, antwortete der Mann nur.
„Der Töpfer Hannes also“, äffte Gerold den Taschendieb nach. „Aber sag, Töpfer Hannes, warum gehst du keiner ehrbaren Arbeit nach, anstatt Leute zu bestehlen, die ihre Taler mit harter Arbeit verdienen?“
Finster schaute Gerold seinen Gefangenen an. Der wurde unter dem grimmigen Blick des Schmieds noch kleiner als er bereits war. Wie ein begossener Pudel stand er mit eingezogenen Kopf vor Gerold.
„Antworte, Schurke!“, fuhr Gerold ihn an, der der Warterei auf eine Antwort überdrüssig geworden war.
„Schau mich doch an“, begann Hannes zu flennen. „Ich bin von kleiner Statur, einen Hinkefuß habe ich auch. Wer soll eine Missgestalt wie mich schon zur Arbeit anstellen? Niemand wird dies tun.“ Jämmerlich dreinschauend und um Mitleid heischend schaute Hannes den Schmied an. Immer noch hegte er die Hoffnung, von Gerold verschont und nicht an den Burgherrn ausgeliefert zu werden.
Gerold jedoch ließ sich nicht erweichen.
„Hast du jemals versucht, eine ehrliche Arbeit zu tun?“, fragte er Hannes. „Deine Leiden, wie du es sagst, sind doch nur faule Ausreden! Genau so faul wie du es bist!“
„Das sind keine faulen Ausreden“, jammerte Hannes nur weiter, ohne darüber nachzudenken, was er falsch gemacht hatte. Er sah immer nur den Vorteil für sich, doch sich die Finger schmutzig machen, das wollte er nicht. „Faul bin ich auch nicht! Ich kann hart arbeiten“, beharrte er auf seiner Meinung.
Gerold geriet inzwischen immer mehr in Rage.
„Dein dummes Geschwätz kann ich nicht mehr hören. Du willst nicht arbeiten, sondern lieber auf Kosten anderer leben“, brüllte er ihn an. Er griff nach Hannes Händen und drehte die Handflächen nach oben.
„Siehst du“, rief Gerold aus, „weich wie die Hände eines Neugeborenen. Nein! Du kannst mir nichts weis machen. Deine Hände sind klebrig und keine, die harte Arbeit gewohnt sind.“
Wie ein aufgescheuchtes Tier lief Gerold in seiner Stube auf und ab. Angestrengt überlegte er, was er mit dem Taschendieb tun soll. Einerseits wolle er ihn nicht ungeschoren davonkommen lassen, andererseits glaubte er an das Gute im Menschen. Warum also sollte sich ein Dieb nicht ändern können. Er dachte da an sich selbst, der noch vor gar nicht so langer Zeit mit seinen Kumpanen raubend durchs Land zog und oft nur ganz knapp seinen Häschern entkam. Der Schmied befand sich in einer Zwickmühle.
„Mach mir einen Vorschlag, was ich mir dir tun soll“, sprach Gerold den Töpfer Hannes an, der immer noch wie Espenlauf zittern auf Gerolds Entscheidung wartete.
Hannes Herz schlug bis zum Hals. Nun war er es, der am liebsten wie ein waidwundes Tier durch den Raum gelaufen oder geflohen wäre. Inzwischen wusste er, mit dem Schmied war nicht zu spaßen. So musste er genau überlegen und seine Worte abwägen, sonst fand er sich schnell im Kerker wieder, oder noch schlimmer, beim Henker auf dem Schafott.
„Ich tue alles, was du von mir verlangst“, begann Hannes mit zittriger Stimme.
„Das sagtest du schon“, schnitt ihm Gerold das Wort ab. „Ich will eine genaue Antwort.“
Hannes überlegte und überlegte. Er sah für sich keinen Ausweg mehr, als Gerold hinzuhalten.
„Bring mich zum Burgherrn“, platzte er ohne nachzudenken, heraus.
„Zum Burgherrn?“, erwiderte Gerold. Er wunderte sich über den plötzlichen Sinneswandel seines Gefangenen.
„Du wolltest mich doch vorhin schon zum Burgherrn bringen, nachdem du mich beim Diebstahl ertappt hattest“, sprach Hannes einfach weiter. Dabei stand er auf und streckte sich, um Gerold zu zeigen, er meint es wirklich so, wie er es ihm sagte. „Sinneswandel hin oder her, ich stehe zu meinen Taten. Ich gehöre bestraft und der Burgherr soll über mich richten.“
Nun war es an Gerold, zu überlegen. Den Burgherrn um diese Zeit mit solchen Lappalien zu belästigen, wagte er sich nicht. Dazu war er ein zu kleines Licht in der Hierarchie. Er wusste, an Markttagen waren am Abend oft Gäste da, die zu bewirten waren. Auch heute sah er gegen Mittag einen Pulk von gut gekleideten Reitern, die vom Burgherrn in Empfang genommen wurden.
Es entstand Stille in Gerolds Stube. Hannes saß inzwischen wieder auf dem Stuhl, den Gerold ihm zugewiesen hatte. Währenddessen sah Gerold auf den bereits im Dunkeln liegenden Burghof hinaus.
„Gut“, sagte der Schmied, „ich bringe dich zum Burgherrn. Doch nicht, um über dich richten zu lassen und auch nicht heute Abend.“
Erstaunt blickte Hannes ihn an. Ehe er etwas sagen konnte, sprach Gerold weiter.
„Ich nehme an, du stammst aus einer Töpferfamilie?“ Hannes nickte darauf. „Auf der Burg fehlt noch ein Töpfer. Alle Tonwaren müssen für teures Geld außerhalb gekauft werden. Wenn du dich gut anstellst, ehrlich arbeitest, dein Benehmen und deine Arbeit dem Burgherrn gefällt, kannst du hier gut verdienen. Ich könnte versuchen, ein gutes Wort für dich einzulegen.“
Hannes fielen beinahe die Augen heraus über so viel Einfallsreichtum. Töpfern konnte er, sein Vater lehrte es ihm, bevor er verstarb. Seitdem hatte zwar keine Töpferscheibe mehr angefasst, aber gelernt ist gelernt.
„Und du verzichtest darauf, mich beim Burgherrn anzuzeigen, wenn er mit dem Vorschlag einverstanden ist?“, vergewisserte Hannes sich vorsichtshalber noch einmal.
„Ja, genau. Eine Bedingung stelle ich allerdings noch“, sagte Gerold darauf.
„Die wäre?“, fragte Hannes.
„Nie wieder bestiehlst du jemanden“, erwiderte Gerold. „Sollte ich einen Fehltritt bemerken, bist du schneller beim Burgherrn und im Kerker als du amen sagen kannst.“
Hannes bemerkte, Gerold meinte es ernst. So wie er bisher lebte, konnte es nicht weitergehen. Immer mit einem Bein im Kerker. Irgendwann musste das schief gehen. Das sagte er auch Gerold.
„Du bist noch jung, dein ganzes Leben steht noch vor dir“, entgegnete Gerold. „Lass uns überlegen, was wir morgen dem Burgherrn sagen, wenn wir ihn um Rat fragen.“
Die beiden Männer beratschlagten bis tief in die Nacht. Die Kerze war schon bis auf einen kleinen Stumpf heruntergebrannt, als sie sich endlich zur Nachtruhe begaben.
Gerold lag noch lange wach, während Hannes zum ersten Mal seit langer Zeit tief und fest schlafen konnte.
Am nächsten Morgen standen Gerold und Hannes bereits bei Sonnenaufgang von ihrem Nachtlager auf. Während sie ein karges Frühstück in Form von Hirsebrei einnahmen, besprachen sie nochmals ihr Vorgehen beim Burgherrn.
„Ich grüße euch, Herr“, sagte Gerold zum Burgherrn Arthur, als er und Hannes endlich vorgelassen wurden. Hannes, der zum ersten Mal das prächtige Innere einer Burg zu sehen bekam, konnte vor Stauen kaum den Mund schließen. Seine Augen blitzten gierig und schnell rechnete er sich im Kopf aus, was diese wertvollen Dinge wohl auf dem Schwarzmarkt einbringen würden. Gerold, der Hannes Gedanken wohl erahnte, stieß ihn in die Seite und ermahnte ihn, auf die Etikette zu achten.
„Seid gegrüßt, edler Herr“, leierte Hannes den eingeübten Spruch herunter. Nach einem weiteren Schubs von Gerold gelang ihm auch die Verbeugung.
Arthur, der noch vor den Resten seines Frühstücks saß, blickte zu den beiden Bittstellern, die in demütiger Haltung vor ihm standen. Ihren Gruß zu erwidern, sah er nicht als notwendig. In seiner Stellung konnte er sich das leisten, auch wenn es nicht gerade den besten Eindruck machte.
„Herr, ich entdeckte gestern meinen Vetter, den Töpfer Hannes, unter den Besuchern des Wochenmarktes“, begann Gerold. Dabei zog er Hannes an seine Seite, damit der Burgherr ihn betrachten konnte. „Entschuldigt seine Unhöflichkeit. Hannes ist den Umgang mit höher gestellten Personen nicht gewohnt“, entschuldigte Gerold das Verhalten seines angeblichen Vetters.
„Was interessiert mich dieser Hannes“, brummte Arthur und schlürfte den Rest seiner Milchsuppe aus der Schüssel.
„Hannes sucht eine Anstellung“, ließ nun Gerold die Katze aus dem Sack.
„Was habe ich damit zu tun?“, fragte Arthur.
„Herr, ich entdeckte letztens die leere Töpferei. Mein Vetter ist Töpfer von Beruf. Er beherrscht sein Handwerk meisterhaft“, lobte Gerold den Taschendieb über alle Maßen. Er redete und redete, so viel wie schon lange Zeit nicht mehr. Hannes nickte dabei zur Bestätigung.
„Er ist also dein Vetter“, fragte der Burgherr, als Gerold endlich geendet hatte.
„Ein weit entfernter Vetter mütterlicherseits“, erwiderte Gerold. „Wir sahen uns zuletzt als Kinder.“
„Ja, ja, das sagte er bereits“, winkte Arthur ab. Die Familienranke des Schmiedes interessierte ihn nicht.
„Hat er Referenzen?“, wandte er sich nun direkt an Hannes. Der wurde knallrot und fing vor Aufregung an zu stottern.
„Rede er langsam. Man versteht ja gar nichts“, herrschte Arthur ihn an. „Und beruhige er sich.“
Hannes holte tief Luft ehe er dem Burgherrn endlich antworten konnte.
„Referenzen habe ich leider keine, Herr“, brachte Hannes endlich heraus. „Ich erlernte das Handwerk bei meinem Vater, der im weit entfernten Trier ein kleines Haus mit einer Werkstatt gemietet hatte. Die Ware meines Vaters war in ganz Trier und in der Umgebung immer sehr begehrt. Leider verstarb er sehr früh. Deshalb konnte ich meinen Meisterbrief nicht machen. Meine Mutter musste nach Vaters Tod das Haus und die Werkstatt aufgeben, da unser Lehnsherr keine Töpferei ohne Meister duldete.“
„Hat er später noch als Töpfer gearbeitet?“, wollte Arthur wissen.
„Ich wollte. Doch dann ereilte mich ein Unfall, der mich verkrüppelte“, erklärte Hannes und zeigte auf sein steifes Bein. „Niemand wollte einen Krüppel als Gesellen. So sehr ich mich auch bemühte, ich hatte keinen Erfolg.“
„Und dann kam er hierher und traf seinen Vetter“, schlussfolgerte Arthur.
„So war es“, bestätigte Hannes und überlegte bereits, wie er seine nächsten Worte wählen konnte.
„Ich erzählte ihm von der leer stehenden Töpferei“, brach Gerold die aufkommende Stille. „Dabei kam mir der Einfall, euch zu bitten, Hannes eine Anstellung zu geben.“
Arthur dachte nach, noch mochte er sich nicht entscheiden. Eine Frage wollte er dem Bittsteller noch stellen, ehe er näher über die Anstellung nachdachte.
„Wovon hat er gelebt?“
„Von Almosen“, log Hannes ohne Hemmung. Von seiner wirklichen Vergangenheit konnte er nicht sprechen. „Ich begnügte mich mit dem, was andere Leute für mich übrig ließen. Doch jetzt bin ich dem müde. Ich habe viele Menschen gesehen, die trotz Verkrüppelung von Gliedmaßen ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Ich bin kräftig und begabt. Ich kann das auch. Meine Eltern, Gott habe sie selig, wären zufrieden mit ihrem einzigen Sohn.“
„Gut, wir werden es versuchen. Er muss aber so viele Töpferwaren produzieren, dass wir genug für die Burg haben und auch noch genug für den Wochenmarkt vorhanden ist“, entschied nun Arthur. „Ich lasse den Burgvogt rufen. Der wird ihm alles zeigen und alles geben, was für eine eventuelle Reparatur der Töpferei nötig ist. Wo kann er ihn finden?“
„Bei mir in der Schmiede“, antwortete Gerold an Hannes Stelle.
„Gut, dann sind wir uns einig“, sagte Arthur darauf. Zu Hannes gewandt, sagte er noch: „Ist er anfänglich mit drei Talern im Monat einverstanden? Wohnen kann er in der Töpferei, wenn sie renoviert wurde. Bis dahin kann er in der Gemeinschaftsunterkunft der Männer unterkommen.“
Hannes sah den Burgherrn erfreut an. Mit solch einer Bezahlung hatte er nicht gerechnet.
„Natürlich bin ich einverstanden, Herr“, antwortete Hannes und verbeugte sich dankbar.
„Wenn seine Arbeiten gut sind und sich gut verkaufen lassen, kann er später mehr Bezahlung erwarten“, rief Arthur Gerold und Hannes nach, bevor sie die große hölzerne Tür hinter sich schlossen.
„Das ging ja gut“, freute sich Hannes, als die beiden Männer in Gerolds Schmiede ankamen.
„Nun geht die Arbeit für dich los“, antwortete Gerold, „nutze die Chance und denke immer an meine Worte“, frischte er nochmals Hannes Erinnerung auf.
„Immer, Gerold, immer“, erwiderte Hannes und freute sich bereits darauf, bald mit ehrlicher Arbeit verdientes Geld in den Händen halten zu können. Doch erst musste er sich daran machen, die Töpferei instand zu setzen. Das war noch eine Menge Arbeit, doch Hannes ängstigte sich nicht davor. Im Gegenteil: Er ging einer frohen Zukunft entgegen und wusste, Gerold wird bald sein bester Freund sein.