Die nächsten Tage wurden für Marianna sehr schmerzhaft. Die Striemen am Hintern waren stark angeschwollen, sie vermochte kaum zu sitzen. Trotzdem hielt sie tapfer durch. Täglich lief sie zur Kräuterfrau, die ihre Verbände wechselte und die Wunden weiter behandelte.
Marianna ging, obwohl sie sich noch schonen sollte, bereits am nächsten Tag wieder ihrer Arbeit in der Küche nach. Kaspar, der Küchenchef, ging ihr aus dem Weg, beobachtete sie aber mit Argusaugen. Die Magd ließ sich nichts anmerken und tat ihre Arbeit so, als wäre nichts gewesen.
Kaspar hatte aber keinesfalls vor, die Angelegenheit vom Vortag einfach so auf sich beruhen zu lassen. Sein Sinn stand nach Rache. Gerold sollte es bitter bereuen, dass er ihn vor der gesamten Burgbevölkerung und vor seinen Unterstellten so gedemütigt hatte. Es kratzte an seiner Ehre. Oft genug hörte er die Leute tuscheln, ihm verstohlen hinterher schauen und dann ein Lachen, das er stets auf sich bezog. Für ihn war Marianna die Schuldige, dass er umherlaufen musste wie ein bunter Hund. Um sie nochmals zu strafen, wollte er sich etwas ganz besonderes ausdenken. Das Gesicht des Küchenchefs hatte inzwischen die tollsten Farben angenommen, ein Auge war noch zugeschwollen und blau unterlaufen, der Nasenrücken hatte einen Knick, der ihn aussehen ließ, als wäre er der Leibhaftige. Der Koch tat kein Auge zu, bis er seinen Plan endlich ausgereift sah.
Alfred von Witzelsberg, der Burgvogt, saß in seinem Kontor und brütete über den Büchern. Sein Lehnsherr hatte ihn für den morgigen Tag zu sich bestellt, um die Finanzen der Burg zu klären. Alfred wollte sich keinen einzigen, noch so kleinen Fehler leisten. Er wusste, wie peinlich genau sein Herr darauf achtete, dass alles seine Richtigkeit hatte. So prüfte er nochmals jedes noch so kleine Detail der Aufzeichnungen der Steuereintreiber, seine Rechnungen und die Rechnungen der Lieferanten, die er beglichen hatte.
Als es an die Kontortür klopfte, brummte Alfred nur ein mürrisches „Herein“, blickte aber nicht von seiner Arbeit auf. Kaspar wagte es nicht, den Burgvogt anzusprechen, einen demütigen Gruß bekam er gerade noch so über die Lippen.
„Du störst gerade, also halt dich gefälligst kurz“, knurrte von Witzelsberg den Küchenchef an. „Was gibt es dringendes, dass du mich von meiner Arbeit abhältst.“
Der Koch schluckte schwer. Die grimmige Art des Burgvogts war ihm schon immer zuwider, dass er ihn hier aber so kurz angebunden begrüßte, behagte ihm gar nicht. Doch er nahm seinen ganzen Mut zusammen und erzählte, was sich in der Küche abgespielt hatte. Er gab die Schuld Marianna, die ihn gereizt hätte, dass er sie zur Räson bringen musste. Mit Schlägen, versteht sich, ein aufmüpfiges Weibsbild wie sie gehöre gezüchtigt. Als er bei Gerold angekommen war, dichtete er noch einiges dazu, um den Schmied in einem noch schlechteren Licht dastehen zu lassen.
„Was geht mich deine Fehde mit dem Schmied an, der sich bisher noch nie etwas zuschulden kommen lassen hat“, fragte Alfred. Er kannte Gerold als arbeitsamen und aufrichtigen Menschen. Dass er den zuweilen zum Jähzorn neigenden Küchenchef grundlos zusammengeschlagen haben sollte, konnte er sich durchaus vorstellen.
„Der Schmied gehört bestraft. Wenn ich es nicht kann, dann solltet Ihr es tun“, kam Kaspar nun mit der Sprache heraus. „Ihr habt die Macht, ihn gefügig zu machen und seine Schuld an meinem Weh zu sühnen.“
Alfred lachte laut auf, so laut, dass Kaspar erschrocken zusammenzuckte. Da lag also der Hase im Pfeffer. „Diese Macht habe ich nicht. Die hat nur unser Herr, er darf über uns richten, aber nicht ich.“
„Könntet nicht Ihr unserem Herrn die Angelegenheit vorlegen, damit er darüber richtet?“, fragte Kaspar.
„Das könnte ich. Doch bevor ich unseren Burgherrn damit behellige, werde ich die Zeugen, natürlich auch Gerold und Marianna, in dem Fall befragen. Das ist das einzige, was mir zusteht. Wenn ich mir ein Bild davon gemacht habe, werde ich entscheiden, ob ich unseren Herrn deswegen behellige oder nicht. Und nun geh, ich habe zu tun.“ Der Burgvogt fuchtelte nervös mit der Hand in Kaspars Richtung und schickte ihn hinaus. Die Sache kam ihm zwar nicht ganz koscher vor, doch einer Anzeige musste er nachgehen und die wahren Hintergründe untersuchen. Vorher konnte und wollte er seinen Lehnsherrn nicht damit belästigen. Doch zuerst musste er sich um die Bücher kümmern, die gingen erst einmal vor.
Fies vor sich hin grinsend lief Kaspar über den Burghof zurück zur Küche. Dass der Burgvogt nun weitere Untersuchungen anstreben wollte, behagte ihm nicht. Doch das musste er in Kauf nehmen. In der Küche angekommen, rief er seine Untergebenen zusammen.
„Der Burgvogt wird in den nächsten Tagen auf euch zukommen und euch wegen der Sache mit Gerold befragen“, ließ er sofort die Katze aus dem Sack. „Ihr sagt natürlich alle für mich aus, wehe euch, ich höre andere Worte.“
Ein leises Murmeln ging durch die Küche, einige entsetzte Blicke trafen den Meister, doch keiner wagte Widerworte. Nach einer Weile trat Wanda nach vorn.
„Meister, ich werde nicht lügen, nur um Euch zu schützen“, sagte sie mutig zum Küchenchef. Kaum hatte Wanda die Worte ausgesprochen, lief er vor Zorn rot an.
„Du wagst es, mir zu widersprechen“, schrie er die sonst so schüchterne Küchenhilfe an.
„Ja, das wage ich“, sprach diese mutig weiter, „ich werde mir sogar noch sehr viel mehr wagen, damit man Euch endlich für Eure schlimmen Taten bestraft. Ihr schlagt uns hier wegen jedem noch so kleinen Fehler. Es reicht, es reicht mir und einigen von uns garantiert auch!“ Wanda hatte sich in Rage geredet und je mehr sie redete, desto mutiger wurde sie. Sie drehte sich zu ihren Kollegen um und funkelte sie zornig an. „Ihr sagt lieber gar nichts. Ihr seid ein feiges Volk. Anstatt euch zu verteidigen, haltet ihr lieber still und lasst euch vom Meister wegen jeder Nichtigkeit misshandeln. Ihr habt letztens doch selbst gesehen, mit welcher Grausamkeit er Marianna misshandelt hat.“
Kaspar wurde von Wort zu Wort zorniger. Wütend schritt er auf die Frau zu, dabei erhob er, wie es seine Art war, drohend seinen Kochlöffel, um sie zu schlagen. Nur wenn er zuschlagen konnte, fühlte er sich mächtig.
„Wagt es Euch, mich zu züchtigen“, warnte Wanda und trat ihm trotzig entgegen. Ihre Augen funkelten vor Wut über den hinterhältigen und grobschlächtigen Küchenchef, doch keineswegs ängstlich. „Ich habe keine Furcht vor Euch. Im Gegenteil. Ich werde mich zu wehren wissen, solltet Ihr noch einmal gegen mich die Hand erheben.“ Wanda wusste, sie hätte gegen die wohlbeleibten Mann keine reelle Chance, doch ihm einen Dämpfer zu verpassen, war ihr wichtiger, als in einem Kampf gegen ihn zu gewinnen.
Wanda hatte nach dem Vorfall heimlich Gerold aufgesucht und mit ihm gesprochen. Dass da gerade auch Hannes, der Töpfer, anwesend war, behagte ihr nicht. Doch ihn hinauszuschicken, damit sie allein mit dem Schmied reden konnte, lag nicht an ihr. So erfuhr auch Hannes vom Geschehen in der Küche. Gerold hatte bisher darüber geschwiegen. Er wunderte sich, warum sein Freund bisher noch nichts gesagt hatte. Hannes war genau so erbost darüber wie Gerold und Wanda und hätte dem Koch am liebsten den Hals umgedreht. Gerold konnte ihn gerade noch zurückhalten, sonst hätte er es getan.
Interessiert schaute die Küchenhilfe Hannes an. Bisher war er ihr auf der Burg noch nicht aufgefallen. Sie wusste zwar, dass ein neuer Töpfer die alte Töpferei übernommen hatte, kümmerte sich bis eben aber nicht darum. Ihr gefiel der kleine, quirlige Mann mit den ständig lächelnden Augen. Dass einer seiner Füße verkrüppelt war, störte sie nicht. Für sie galten andere Normen, damit ein Mensch ihr gefiel.
Auch Hannes blickte Wanda sehr interessiert an. Sein Herz klopfte plötzlich wie wild in seiner Brust. Er spürte, da war etwas, was ihn an dieser Frau anzog. Umgekehrt schien es genau so zu sein.
Gerold ließ sich von den verliebten Blicken seiner Gäste nicht beeindrucken, sondern dachte nach, wie er weiteren Begegnungen mit dem gewalttätigen Koch aus dem Wege gehen könnte. Er nahm sich vor, allen zu helfen, die es wagen, dem Küchenchef die Stirn zu bieten, ohne direkt mit diesem in Kontakt zu kommen.
„Diesem Wahnsinnigen muss ins Handwerk gelegt werden“, redete Gerold plötzlich laut zu sich selber. „Nie wieder soll er sich an wehrlosen Frauen vergehen.“
Hannes und Wanda blickten den Schmied erstaunt an.
„Was meinst du?“, fand der Töpfer als erster Worte.
„Den Koch, diesen Schwanzlutscher, meine ich“, erwiderte Gerold wutentbrannt. Zu Wanda sagte er noch: „Habt keine Angst mehr vor ihm. Ich bin sofort zur Stelle, sollte meine Hilfe benötigt werden.“
Dass alles ganz anders kommen sollte, wusste Gerold bis dahin noch nicht.
Alfred von Witzelsberg zog seine Erkundigungen über Gerold ein. Er kannte ihn erst seitdem er vor Jahren von Marianna auf die Burg mitgebracht wurde und nach Arbeit fragte. Der Burgvogt fragte sich damals schon, als Gerold ihn bat, ihm die Arbeit in der Küche zu ersparen, welchen Grund er dazu hatte. So schlimm fand Alfred die Küchenarbeit gar nicht. Man hatte immer etwas zu essen und bekam des Öfteren gute Speisen, die am Tisch der Herrschaft nicht mehr gegessen wurden. Dass der Küchenchef der Auslöser für Gerolds Bitte war, ahnte Alfred nicht.
Die Befragung der Küchenangestellten brachte nicht viel. Die meisten waren verstockt oder sprachen nur Gutes über ihren Meister, der sie eingeschüchtert hatte. Nur Wanda, eine der Hilfen, sagte Genaueres aus. Nach ihrer Rede missbrauchte Kaspar die arme Marianna auf grausamste Weise. Sie ließ durchblicken, dass dies nicht das erste Mal gewesen war und auch schon andere seiner Untergebenen unter seinem Jähzorn leiden mussten. Wenn Gerold nicht dazwischen gegangen wäre, wäre die Magd garantiert noch schlimmer misshandelt worden. Auch Kaspar verhielt sich lieber verschwiegen und sagte nur das aus, was er bereits in Alfreds Kontor gesagt hatte. An Marianna und Gerold ließ er allerdings kein gutes Blatt. Er gab Marianna die Schuld für die Schläge, die sie von ihm erhielt und verstand nicht, warum sich der Schmied in seine Angelegenheiten einmischte. Auch Gerold und Marianna wurden nochmals befragt. Beide sagten das selbe wie Wanda aus. Hannes, der Töpfer, konnte, trotz dass er ein enger Freund Gerolds war, nichts dazu aussagen. Er kannte die Geschichte nur vom Hörensagen und wollte sich deshalb kein Urteil bilden.
Nach Stand der Dinge sah die Sache nicht gut für Gerold aus. So sehr Alfred von Witzelsberg das Ereignis auch anders gesehen hätte, es half nichts. Die meisten Aussagen sprachen gegen Gerold und für den Küchenchef. So musste sich Alfred wohl oder übel auf den Weg zum Burgherrn machen, damit dieser sein Urteil darüber sprechen konnte.
Arthur von Burghausen hörte sich genau an, was sein Burgvogt zu sagen hatte. Nachdenklich runzelte er die Stirn, als Alfred seine Rede beendet hatte. Er konnte es sich nicht vorstellen, dass sein Küchenchef, der in seinen Augen ein Meister seines Fachs war, sich so hatte gehen lassen. Klar, ab und an hörte er schon unter seinen Bediensteten tuscheln, dass der Kaspar gerne mal seinen Kochlöffel sprechen ließ, wenn ihm etwas nicht in den Kram passte, aber so etwas war noch nie vorgekommen. Arthur überlegte lange, ehe er zu einem Urteil kam. Er wog die einzelnen Aussagen gegeneinander ab. Leider musste auch er feststellen, für Gerold stand es nicht gut. So kam er zu dem Schluss, der Schmied musste bestraft werden. An ihm würde er ein Exempel statuieren. Auch die Magd Marianna sollte Strafe erfahren.
Der Burgherr rief, nachdem er sein Urteil gebildet hatte, Alfred herbei. Mit kurzen Worten teilte er ihm seine Entscheidung mit. Der Burgvogt hörte es sich an. Er wusste, die Entscheidung seines Herrn war falsch, jedenfalls in der Sache mit Marianna, die durch die Misshandlung durch den Koch schon bestraft genug war. Doch er musste sich beugen. Widerworte galten nicht. Nachdem Arthur den Termin der Bestrafung festgelegt hatte, schickte er einen Boten, um Gerold und Marianna zu sich rufen zu lassen.
„Wie ich hörte, gab es in der Küche Streitereien“, begann Arthur von Burghausen, als die beiden Delinquenten vor ihm standen. „Was habt ihr dazu zu sagen?“
Gerold trat als Erster vor und begann die Angelegenheit von seiner Seite aus zu schildern. Er ließ kein Detail aus, fügte aber auch nichts hinzu. Er war sich sicher, die Wahrheit würde ihm besser stehen, als zu lügen.
Auch Marianna gab zu, dass sie an dem Tag ihre Arbeit nicht ordnungsgemäß verrichtet und am späten Nachmittag sogar noch das edle Wildbret hatte anbrennen lassen, worauf der Küchenchef sie züchtigte. Genaue Details über den Vorgang der Züchtigung selbst ließ sie allerdings aus, es war ihr schon peinlich genug, dass sie ihre intimsten Stellen vor allen Augen hatte präsentieren müssen.
„Ihr habt mir beide Schaden zukommen lassen“, begann Arthur, nachdem der Schmied und die Magd ihre Aussage beendet hatten. „Einige der Burgbewohner sagten gegen euch aus, darunter auch der Küchenchef.“ Er überlegte einige Zeit, bis er weitersprach. „So sehe ich es vor, euch zu bestrafen.“
Gerold und Marianna blickten sich an, sagten aber kein Wort. Sie wussten, wenn sie sich dem Diktat ihres Herrn widersetzen würden, würde alles noch schlimmer kommen.
„So habe ich mich entschlossen“, wandte sich der Burgherr an Marianna, „du wirst zehn Hiebe mit der Peitsche bekommen. Eigentlich hast du mehr verdient, da du mich auch finanziell geschädigt hast, aber deine Strafe, die du vom Küchenchef bekamst, rechne ich mit an. Das Urteil wird morgen früh nach Sonnenaufgang vollstreckt werden.“
Marianna schienen vor Entsetzen beinahe die Beine zu versagen. Nochmals Schläge zu erhalten, war eine riesige Qual für sie. Vor allem auch, da die alten Wunden auf ihrem Hintern immer noch nicht verheilt waren. Leise weinend sank sie zu Boden. Obwohl sie noch etwas aussagen wollte, fand sie keine Worte mehr.
„Und du“, sprach Arthur zu Gerold, „du wirst fünfzig Hiebe bekommen. Danach hast du die Burg zu verlassen. Unruhestifter wie dich kann ich hier nicht gebrauchen. Meine Bediensteten haben die Vorschriften zu beachten und zu tun, was ihnen gesagt wird. Auch wenn Kaspar nicht dein Vorgesetzter ist, er steht im Rang höher als du. Somit hast du auch ihm zu gehorchen.“
„Aber…“, Gerold wollte sich und Marianna nun doch verteidigen, wurde aber vom Burgherrn unterbrochen.
„Schweig, kein Wort mehr. Die Nacht werdet ihr im Kerker verbringen, damit ihr nicht flüchten könnt“, bestimmte Arthur. „Wachen!“, rief er, „bringt die zwei in den Kerker.“ Damit war für den Burgherrn die Unterredung beendet.
Als die Kerkertür hinten ihnen zuging, begann Marianna erneut zu schluchzen. Bisher konnte sie einigermaßen sich beherrschen, aber nun in der Dunkelheit des Verlieses, brach alles aus ihr heraus. Zum Glück musste sie die Nacht nicht allein in der feuchten und nach Moder stinkenden Zelle verbringen. Der Einfachheit halber wurde Gerold mit ihr zusammen untergebracht. Sie mussten auch nicht, wie andere Gefangene, in Ketten am feuchten Mauerwerk ausharren. Sie konnten sich frei in dem winzigen Kabuff bewegen, an dessen einer Wand weit oben ein kleines Loch befand, durch das Mondlicht hereinkam.
„Nicht weinen“, versuchte Gerold die zitternde und schluchzende Marianna zu beruhigen. Er nahm sie in seine Arme und drückte sie an sich. Obwohl er wusste, ihre Lage war aussichtslos und niemals würden sie hier entkommen können, blieb er recht gelassen. Nur dass er schon morgen nach der Urteilsvollstreckung die Burg verlassen musste, ließ ihn nicht kalt. Zukunftsängste plagten ihn, Angst um sich selbst, aber auch um Marianna und seinen Freund Hannes, den er ebenso hier zurücklassen musste.
Gerold dachte angestrengt nach. Lange, bis tief in die Nacht hinein zermarterte er sein Hirn. Was sollte aus Marianna werden? Sie wäre dem bestialischen und sadistischen Küchenchef weiterhin wehrlos ausgesetzt und musste ihm gehorchen. Gerolds Herz schien zu bluten. Da erkannte er, wie sehr er die Frau, die inzwischen schlafend neben ihm lag, liebte. Doch wie sollte er sie retten? Der Schmied dachte weiter nach. Ja, so sollte es sein. Er wollte sie wenigstens von ihrer Strafe befreien. Doch vorher wollte er mit Marianna reden, sie um etwas bitten.
„Marianna, aufwachen, ich muss dich was fragen“, versuchte Gerold die Frau wach zu bekommen. „Marianna, hörst du. Wach bitte auf.“
Erschrocken richtete sich die Magd auf. Mit vor Angst geweiteten Augen blickte sie sich um. Die Fackel, die einer der Wärter noch herein gebracht hatte, spiegelte sich in ihren Pupillen wider.
„Ist es schon morgen? Ist es soweit?“, flüsterte die Frau furchtsam.
„Nein, noch nicht“, beruhigte sie Gerold. „Ich möchte dich etwas fragen. Bitte hör mir zu.“
„Sprich einfach“, forderte Marianna Gerold auf, nachdem sie sich ein wenig beruhigt hatte.
„Morgen werde ich die Burg verlassen müssen. Aber das weißt du ja. Ich will dir vorher noch etwas sagen. Vielleicht werden wir nach der Urteilsvollstreckung nicht mehr dazu kommen, miteinander zu sprechen. Daher möchte ich es dir jetzt sagen.“ Gerold hielt die Luft an und schaute auf Marianna, die ihn immer noch mit geweiteten Augen ansah. Dann nahm er all seinen Mut zusammen und sprach mit laut klopfendem Herz weiter: „Marianna, bitte werde meine Frau. Ich liebe dich und wünsche mir nichts sehnlicher, als dich an meiner Seite zu haben, als meine Frau. Mein ganzes Leben lang.“ Nun war es raus. Er hörte, wie Marianna erneut begann zu schluchzen.
„Habe ich dich erschreckt? Sag doch was!“, drängte Gerold die Frau, aus Angst, sie verletzt zu haben.
„Aber nein“, wisperte Marianna bebend, „ich wusste es. Mein Herz sagte mir schon immer, dass du mich liebst. Deshalb gab ich mich dir in dieser einen Nacht hin. Ich liebe dich auch und ja, ich will deine Frau werden und dir überall hin folgen.“
Dem Schmied fiel ein Stein vom Herzen, als er Mariannas Worte hörte. Sein sehnlichster Wunsch ging in Erfüllung. Er nahm sie erneut in seine Arme und küsste sie verlangend. Marianna erwiderte seinen Kuss voller Liebe und Hingabe.
„Hab keine Angst vor dem Morgen. Wir werden das überstehen, beide“, flüsterte Gerold zwischen zwei Küssen.
„Ich habe keine Angst mehr. Du bist bei mir und deshalb werde ich stark sein“, erwiderte Marianna und blickte Gerold in die Augen.
Wieder versanken sie in einem innigen Kuss. Sie spürten das Verlangen, das sie aufeinander hatten. Trotz der widrigen Umstände, in denen sie sich befanden, steigerte es sich immer mehr. Als Gerold Marianna auf das modrige Stroh bettete, ihre Röcke hob und sich endlich in ihr versenkte, war Marianna die glücklichste Frau auf Erden. Sie liebten sich so lange, bis sie draußen auf dem Gang die Wärter hörten, die Brot und Wasser an die anderen Gefangenen verteilten. Als die Tür aufgerissen wurde und sie zum Vollstreckungsplatz geführt wurden, fühlten sie die Stärke, die sie miteinander verband. Gelassen blickten sie wenig später dem Folterknecht entgegen, der mit der siebenschwänzigen Peitsche bereit stand, um das Urteil gegen sie zu vollstrecken.