Mit dem Babyphone in der Hand betrat Jan die Küche und schloss die Tür hinter sich. Sie stand am Fenster und drehte sich zu ihm, als er an die Küchenzeile trat. Auf der Anrichte standen noch seine Medikamente und er griff nach der Packung mit den Schmerztabletten. Sein Kopf dröhnte und die Narbe pochte.
"Schmerzen?", fragte sie leise und beobachtete, wie er die Tablette mit einem Glas Wasser hinunter spülte. Vorsichtig tastete er nach dem Pflaster auf seiner Seite und fühlte kurz, ob die Stelle noch immer so warm war. Kurz biss er die Zähne zusammen, dann sah er Diana an.
"Also. Was wolltest du besprechen?" Vorsichtig ließ er sich auf einen Stuhl sinken.
"Kann ich dir mit David nicht helfen?", fragte sie.
"Danke, du hast genug geholfen. Ich würde dich gerne bitten wollen, den Kleinen nicht als Sprachrohr zu missbrauchen." Müde senkte er den Blick. "Diana, er ist vier Jahre alt. Seine heile Welt hat sich verändert. Mama und Papa haben sich getrennt, das kann er noch nicht richtig verstehen. Da ist es nicht hilfreich, wenn du ihm vorheulst und eintrichterst, dass du wieder zurück zu mir möchtest."
Schuldbewusst wandte sich Diana wieder dem Fenster zu.
"Das war dumm von mir." Ihre Schultern zuckten verdächtig. "Jan, ich weiß einfach nicht mehr weiter. Und ihr beide fehlt mir, das musst du mir glauben." Müssen tat er gar nichts, dachte Jan bei sich. Noch immer hämmerte es wild in seinem Kopf. Diana nun weinen zu sehen, machte es nicht besser. Hatte sie das überhaupt schon mal vor ihm getan? Schlussendlich erzählte sie ihm alles. Dass Karsten sie aus der Wohnung und der Firma geworfen hatte, nachdem sie ihm von der Schwangerschaft erzählt hatte. Vorzeitig war sie aus New York zurückgekehrt und wusste nicht einmal, ob sie das Kind behalten wollte.
Immerhin hatte sie einen neuen Job in Aussicht, sie überlegte, ganz in die Staaten zu ziehen. Ihr Vater hatte dort gute Kontakte. Jan reichte ihr ein Taschentuch und ein Glas Wasser, dann setzte er sich wieder auf seinen Stuhl.
"Wie weit bist du?", fragte er dann.
"10. Woche", meinte sie kleinlaut. Ungläubig schüttelte Jan den Kopf.
"Und das hast du nicht früher gemerkt?" Aber das war ja schon damals so gewesen. Auch ihre erste Schwangerschaft hatte sie ja nicht wahrhaben wollen. "Die Entscheidung kann dir niemand abnehmen, Diana", seufzte er. Sie tupfte sich ihre Tränen weg und hob das Kinn.
"Ja, ich weiß", murmelte sie. "Damals hast allerdings du die Entscheidung für mich getroffen."
Jan spielte mit der Tischdecke. Ja, dachte er, nur hatte er es damals nicht geahnt. Diana löste sich vom Fenster und nahm sich einen Stuhl.
"Ich war nie eine vorbildliche Mutter, das ist mir durchaus klar. Das heißt nicht, dass ich David nicht liebe. Ich hatte mir mein Leben einfach nur ganz anders vorgestellt."
Jan lachte trocken. "Mit einem so wundervollen Typen wie Karsten?", fragte er spitz.
Ihr schoss die Röte ins Gesicht. Dann sammelten sich wieder Tränen in ihren Augen. "Ich habe ihn echt geliebt."
Wieder lachte Jan. "Weißt du überhaupt was Liebe ist, Diana?", fragte er dann leise. Verächtlich sah sie ihn an.
"Du hast doch keine Ahnung, was das zwischen mir und Karsten war", verteidigte sie sich.
"Oh doch, ich denke schon. Aber ist ja auch egal. Ich jedenfalls würde es sehr begrüßen, wenn du akzeptieren würdest, dass ich mit Isabelle sehr glücklich bin. Endlich bin ich das und ich werde nicht zulassen, dass du das zerstörst." Er atmete tief durch. "Also lass es einfach, Diana. Für mich gibt es kein zurück. Und bitte verschone unseren Sohn mit diesem Kleinkrieg. Der kann überhaupt nichts dafür. Sei froh, dass er dich nach all dem Chaos noch so lieb hat und freu dich daran."
Es tat gut, ihr das alles zu sagen und ihre Reaktion dabei zu sehen. Fast hatte er die Kopfschmerzen darüber vergessen. Wieder biss er die Zähne aufeinander, als er vom Tisch aufstand. Die Narbe zog jetzt bei jeder unbedachten Bewegung. Er stütze sich kurz am Stuhl hab, ehe er sich aufrichtete.
"Hast du was?", fragte Diana und wirkte ernsthaft besorgt. Reiß dich zusammen, sagte er sich.
"Nichts schlimmes, die OP-Narbe", antwortete er daher nur knapp und griff dann nach den beiden Wassergläsern.
"Du bist operiert worden? Warum weiß ich davon nichts? Wo war David?" Sie stand ebenfalls auf und machte einen Schritt auf ihn zu.
"Der war versorgt. In Wien ist mir der Blinddarm geplatzt, etwa eine Woche vor Weihnachten. Du warst da glaub schon in den USA."
Er zuckte mit den Schulten. Warum auch, hätte er sie informieren sollen. Sie schlug eine Hand vor den Mund und stand nun direkt vor ihm, legte ihm eine Hand auf seinen Arm.
"Ein Durchbruch? Oh Gott, Jan." Erschrocken sah sie ihn an. Ihre Hand wanderte weiter über seinen Arm, dann schob er sie energisch weg.
"Fass mich bitte nicht an", zischte er leise. "Du solltest gehen, Diana. Danke für deine Hilfe mit David." Mit zwei langen Schritten war er an der Küchentür und öffnete diese mit Schwung. Über das Babyphone hörte er David leise weinen. Langsam folgte ihm Diana in den Flur. Jan blieb an der Kinderzimmertür stehen und legte die Hand auf die Klinke. Diana ging nicht an ihm vorbei, sondern sah ihm in die Augen.
Behutsam legte sie ihm eine Hand auf die Wange, stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. Überrumpelt glitt Jans Hand von der Türklinke. Geschickt drückte sich Diana gegen ihn und ihre Zunge fand Einlass, obwohl er sich wehren wollte. Mit ihrer zweiten Hand streichelte sie seinen Po und wanderte dann in seinen Schritt. Zitternd keuchte Jan. Energisch packte er ihre Handgelenke und schob Diana von sich. Sie hielt seinem Blick stand, fuhr sich mit der Zunge genüsslich über die Lippen. Dann wanderten ihre Augen tiefer. Sie lächelte.
Jan schämte sich über seine körperliche Reaktion.
"Du warst schon immer leicht zu haben, Jan", schmunzelte Diana und befreite sich aus seinem Griff. Verzweifelt versuchte er seinen Atem unter Kontrolle zu bekommen. Hinter der Tür hörte er David leise wimmern. Diana fuhr ihm erneut über die Jeans.
"Soll ich dich ein wenig verwöhnen, so wie es deine kleine, brave Kindergärtnerin nicht tun würde?" Sie spielte schon mit seinem Hosenknopf.
"Stopp!", schrie Jan und schob sie gegen die gegenüberliegende Wand. Mit wütendem Blick griff er nach ihrem Mantel und drückte ihr diesen in den Arm.
"Geh!", fuhr er sie an. "Lass dich hier nie wieder blicken! Wie konnte ich nur so dumm sein." Niemals hätte er sie reinlassen dürfen. Und keinesfalls durfte er ihr vertrauen. Als endlich die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, betrat er Davids Zimmer und erlöste das weinende Kind. Noch immer zitterte er selbst am ganzen Körper. Er öffnete das Fenster, um frische Luft hinein zu lassen und hielt seinen Sohn fest im Arm. Schluchzend erzählte der Kleine von seinem Alptraum.
Unten trat Diana auf die Straße und blieb kurz am Hauseingang stehen. Jan tröstete weiter David, der sich langsam wieder beruhigte. Aus den Augenwinkeln beobachtete Jan, wie Diana zu ihrem Auto ging.
"Isi", quietschte David.
Tatsächlich. Am Parkeingang auf der anderen Straßenseite tauchte Isabelle auf. Schnell setzte Jan den Jungen ab und hob kurz die Hand. Auch Diana schien Isabelle bemerkt zu haben, auf jeden Fall blieb sie vor ihrem Auto stehen.
Aufmerksam behielt Jan die Frauen im Auge, reichte David sein Stofftier, damit er beschäftigt war. Kalt lächelnd warf ihm Diana einen Blick zu. Dann schritt sie Isabelle entgegen. Panisch sah Jan zu David, dann wieder auf die Straße. Am Liebsten wäre er nach unten gelaufen, aber er konnte ja kaum den Jungen alleine in der Wohnung lassen.
Verdammter Mist.
Hilflos schloss er kurz die Augen, dann lehnte er sich aus dem Fenster. "Diana!!", brüllte er.
Isabelle, die gerade die Straßenseite wechselte, sah erstaunt zu ihm hoch. Diana dagegen blieb stehen und sah der anderen entgegen.
"Ich warne dich nur einmal. Lass Isabelle in Ruhe!" Die Wut stand ihm ins Gesicht geschrieben.
Irritiert ging Isabelle weiter, vorbei an Diana und weiter zur Tür. In der Tat blieb Diana stehen. Als Isabelle aber die Haustür erreicht hatte und mit dem Schlüssel hantierte, rief ihr Diana dann doch hinterher.
"Mäuschen, du verschwendest deine Zeit. Auf Dauer wirst du ihn langweilen. Glaub mir."
Jan konnte spüren, wie sich sein Hirn ausschaltete. Er warf das Fenster zu, schloss hinter David die Tür und eilte durch das Treppenhaus nach unten. Außer Atem kam er dort an und schnappte nur die letzten Wortfetzen von Diana auf.
"Geh hoch zu David, vertrau mir", raunte er Isabelle zu und ging auf Diana zu. Sie lehnte grinsend an ihrem Auto.
"Das reicht!", schrie er.
"Was regst du dich so auf. Wir wissen es doch beide. Früher oder später bekomme ich dich rum. Das habe ich doch noch immer geschafft. Egal, wie sauer oder beleidigt du warst. Zum Sex hast du dich doch immer überreden lassen. Warum sollte es jetzt anders sein? Was willst du mir mit diesem Liebchen?"
Jan ballte seine Fäuste. "Verpiss dich endlich. Lass sie in Ruhe. Ich schwöre bei Gott, mach so weiter und du siehst David nie wieder."
Spöttisch grinste sie erst, dann musterte sie ihn von oben bis unten.
"Du bist verdammt sexy, wenn du dich so aufregst. Allein das ist es schon wert. Ich für meinen Teil hätte jetzt große Lust auf dich."
Anzüglich leckte sie sich über die Lippen. Jan schluckte, er hatte Angst, dass er die Kontrolle verlieren könnte. Zudem passte ihm diese lautstarke, öffentliche Auseinandersetzung überhaupt nicht.
"Isabelle ist die Frau, die ich liebe. Und alles andere geht dich nichts an. Fahr nach Hause, kümmere dich um dein eigenes Leben!"
Diana drückte sich von ihrem Auto ab und wollte ihn wieder berühren. Im Effekt hob Jan gleichzeitig seine Hand.
"Nur zu, dann schlag halt zu", kommentierte sie mit derben Spott in ihrer Stimme. Jan schüttelte den Kopf.
"Das bist du nicht wert."
Er drehte sich auf dem Absatz um und ließ sie stehen. Er eilte zurück nach oben betrat die Wohnung und rief nach Isabelle. Im Kinderzimmer saß sie am Boden und beschäftigte David.
Jan konnte sehen, dass sie durcheinander war. Er blieb im Türrahmen stehen.
"Was hat sie hier gemacht?", fragte sie tonlos. In ihren Augen schimmerten Tränen. In Jan zog sich alles zusammen. Das musste in der Tat komisch wirken. Ruhig betrat er das Zimmer und ging vor den Beiden in die Hocke. Dann kam auch er auf die Knie und zog Isabelle zu sich.
"Nicht weinen. Bitte. Du bist es, die ich will. Niemanden sonst. Und das habe ich ihr gesagt. Isabelle, Kleines, ich liebe dich. So sehr. Ohne dich wäre ich nicht komplett. Du bist es, die mein Herz erhellt, die Farbe in mein Leben bringt, die ich niemals mehr verlieren möchte." Abwartend sah er sie an. Eine Träne lief über ihre Wange. Unsicher sah sie ihn an. "Bitte, vertrau mir", flüsterte er und griff nach ihrer Hand. Er würde Diana umbringen, er schwor es sich, wenn er Isabelle wegen ihr verlieren würde.