Neugierig hatte Isabelle das kleine Apartment inspiziert. Die Schlafsituation war für beide mit Sicherheit unbefriedigend. Jede Nacht mit dem Kind auf der Couch? Groß war die nicht. Zum großen Erstaunen hatte David dann aber kein Problem gehabt, in seinem Zimmer zu schlafen. Innig hatte er mit Isabelle gekuschelt und sich von ihr vorlesen lassen. Nun schlief er selig und war voller Vorfreude auf den Vormittag mit ihr. Jan lag ebenfalls schon müde auf der Couch und lächelte sie an, als sie zu ihm kam.
Isabelle betrachtete ihn und streichelte ihm vorsichtig über das Gesicht.
"Du siehst sehr müde und richtig geschafft aus", kommentierte sie nach einer Weile. Fast war sie ein bisschen erschrocken, als sie ihn im Theater gesehen hatte. Er griff nach der Hand, die ihn gestreichelt hatte und gab ihr einen sanften Kuss.
"Wenn die Premiere erstmal gespielt ist und wir einen ganz normalen Rhythmus bekommen, dann wird es wieder besser."
Was blieb ihr anderes übrig, als ihm das zu glauben? Sie kannte zum einen die Abläufe in seiner Welt zu schlecht und zum anderen erlebte sie ihn zum ersten Mal in einer solchen Situation. Gerne würde sie ihm jetzt näher kommen, aber entgegen dem vertraulichen Wiedersehensmoment, konnte sie nun wieder eine Distanz spüren.
"David hat dich vermisst", sagte Jan leise und sah ihr dabei in die Augen.
"Nur David?", fragte sie belustigt. Jan schmunzelte.
"Nein, natürlich nicht. Du hast mir so sehr gefehlt, ich kann dir das gar nicht beschreiben", gab er dann zu. Noch immer hielt er ihre Hand. Mutig kam Isabelle etwas näher und hauchte ihm einen Kuss auf seine Lippen.
"Jetzt bin ich ja hier", meinte sie und sah ihn mit Herzklopfen an. Sie wollte ihn spüren, anfassen, riechen und ihm einfach nah sein. Zu ihrer großen Freude erwiderte er den Kuss. Erst sehr sanft und dann öffnete er endlich seinen Mund, so dass sie vorsichtig mit ihrer Zunge ein wenig seine Lippen reizen konnte.
Dieser Kuss fühlte sich so leicht und verlockend an, dass sie leise aufseufzte. Vorsichtig betrachtete sie ihn. Jan hatte die Augen geschlossen und ein leichter Schweißfilm stand ihm auf der Stirn.
"Schau mich an", bat sie. "Ich liebe dich", sagte sie, als die Augen aufgeschlagen hatte. Behutsam berührte sie seine Wange. So blieb sie bei ihm liegen, bis er schlief. Sie kuschelte sich dann mit ihrem Buch neben ihn. Sie freute sich auf den kommenden Tag. Erst mit David ins Museum und ab Nachmittag hatte auch Jan Zeit. Vielleicht würden sie zusammen mit Gina, Ariane und Jule essen, auch Ginas Freund kam wohl morgen. Jan würde es gut tun. Immer wieder war er unruhig und murmelte im Schlaf. Verstehen konnte sie nichts und er wachte auch nicht richtig auf. Einmal sprach sie ihn an, aber er war ganz in seinen Träumen gefangen. Nachdenklich betrachtete sie ihn und überlegte, was ihn umtrieb. Mittlerweile war sie sich sicher, dass ihn irgendetwas sehr quälte und er es ihr nicht zeigen wollte, wie sehr. Als sie das Licht löschte, rückte sie näher zu ihm und küsste ihn auf die Schulter.
Mit leuchtenden Augen saß David ihr gegenüber. Das Museum hatte ihm großen Spaß gemacht, der Kinderbereich war aber auch eine klasse Welt für sich. Wissbegierig hatte der Kleine sie alles mögliche gefragt und ausprobiert. Er war schon ein cleveres Kerlchen, wie sie amüsiert feststellte und seine Neugier war wirklich erfrischend. Glücklich und zufrieden kaute er auf seinen Pommes, die ihm Isabelle gerade spendiert hatte.
"Du, Isi?" Liebevoll lächelte sie ihn an. Er kam um den Tisch und kuschelte sich auf ihren Schoss.
"Kann ich nicht Mama zu dir sagen? Ich mag so gerne."
Überrascht sah sie dem Kleinen ins Gesicht. "Aber David, du hast doch eine Mama. Die ist nur weit weg zur Zeit. Wenn sie dir fehlt, dann fragen wir den Papa, ob du nicht mit ihr telefonieren kannst", schlug sie pragmatisch vor. Doch David schüttelte wild den Kopf.
"Nicht den Papa fragen."
Sie hob die Augenbraue. "Vermisst du sie denn?", wollte sie dann wissen.
Notfalls musste sie mit Jan darüber sprechen. Der Kleine dachte nach und schmiegte sich an sie. "Nein", meinte er dann kopfschüttelnd. "Aber dich!", sagte er dann fröhlich und gab ihr einen Kuss. Lachend drückte sie ihn. "Du bist so lieb, Isi. Mama war böse." Aufmerksam musterte sie den kleinen Kerl. Geduldig fragte sie nach, würde er ihr so weit vertrauen?
David erzählte dann tatsächlich etwas kompliziert und aufgeregt von der letzten Begegnung. Das verschlossene Zimmer ging ihm noch immer sehr nah, so viel war klar.
"Mama war auch böse zu Papa", erzählte er dann weiter. Seufzend nickte Isabelle. Höchstwahrscheinlich waren sie laut geworden, hatten gestritten.
"Aber immerhin konnte dich der Papa dann schnell raus holen", tröstete sie den Jungen. Zu gerne hätte sie der Anderen dazu ein paar Punkte gesagt. Aus pädagogischer Sicht war das eine Katastrophe. Sie hatte den Teller mit den Pommes heran gezogen und David nahm sich nun welche.
"Ich habe ganz lang rufen müssen", bekundete er dann. "Und ganz laut. Damit der Papa mich auch hört."
Isabelle streichelte ihm über den Kopf und hörte ihm geduldig zu. Wieder überraschte sie der Kleine mit seiner Ansicht der Dinge, wie schon vor dem letzten Besuch bei Diana, als er nicht zu ihr hatte wollte. Offenbar ging ihm das eingesperrt gewesen sein auch nahe, aber mehr beschäftigte ihn sein Vater. Der Beschützerinstinkt rührte Isabelle sehr, gleichzeitig macht er ihr etwas Angst. Dafür war der Junge einfach noch zu klein. Behutsam fragte sie nach, hörte sich an, was er erzählte und versuchte ein Bild zu bekommen. Gleichzeitig versuchte sie ihm den Druck zu nehmen David spürte sehr genau, wenn es Jan nicht gut ging, so viel war klar. Vermutlich steckten die beiden in einer Spirale fest. Langsam spazierten sie zurück in die Wohnung, nachdem sie den Mittagssnack beendet hatten.
Erst kurz nach Vier war Jan zurück und wurde erst einmal von David in Beschlag genommen.
"Da hatte jemand Spaß", meinte Jan augenzwinkernd, als der Kleine sich endlich wieder seinen Spielsachen zu wandte. Isabelle lachte und reichte ihm einen Kaffee. Sie hatte auf dem kleinen Balkon in der Sonne gesessen, die ihre erste Kraft zeigte. Er folgte ihr nun und setzte sich zu ihr.
"Es war ein gelungener Tag. Wir waren viel länger dort, als ich ihm zugetraut hätte", meinte sie lächelnd. Stirnrunzelnd sah sie zu, wie er eine Zigarette aus der Packung vom Tisch nahm und sie sich ansteckte. Sie hatte gehofft, dass jemand anders das Päckchen vergessen hatte. Irgendwann hatte Jan ihr erzählt, dass er mal geraucht und sehr lange mit dem Abgewöhnen gebraucht hatte.
"Seit wann rauchst du wieder?", fragte sie. Jan lehnte sich zurück und stieß den Rauch aus.
"Der Stress. Wenn die Premiere rum ist, höre ich auf, versprochen." Er nahm einen Schluck Kaffee und schloss kurz die Augen. "Die Sonne tut gut", murmelte er leise. Sie griff über den Tisch, nach seiner Hand.
"Jan, können wir kurz über David reden?", bat sie ihn. Schnell öffnete er die Augen und sah sie an.
"Ist was mit ihm?", fragte er besorgt. Ruhig fasste Isabelle ihr Gespräch mit dem Jungen zusammen. Jan kaute derweil auf der Lippe, rauchte die Zigarette zu Ende und sah sie nicht an.
"Möchtest du mir nicht doch erzählen, was genau passiert ist?", hakte sie nach.
"Nichts. Sie hat ihn eingesperrt. Ich habe ihn rausgeholt."
Energisch drückte er die Zigarette im Aschenbecher aus. Das ergab keinen Sinn, dachte sie bei sich. Der Junge war wegen irgendetwas anderem aufgeregt.
"Habt ihr euch gestritten?"
Seufzend stand Jan auf.
"Natürlich haben wir uns gestritten. Das wird er wohl gehört haben. Ich habe versucht ihm zu erklären, dass es nichts mit ihm zu tun hat." Er wollte an ihr vorbei in die Wohnung gehen, doch Isabelle hielt ihn auf.
"Warum tut ihr beide dann so, als würde es Diana nicht mehr geben?" Blinzelnd betrachtete er ihre Hand, die auf seinem Arm ruhte.
"Lass mich bitte los", sagte er bestimmt. Isabelle schüttelte den Kopf.
"Erst sagst du mir….", doch weiter kam sie nicht. Jan riss sich los und funkelte sie an.
"Da gibt es nichts zu erklären. Sie ist weg und gut. Für David und für mich. Ende der Geschichte."
Erschrocken sah sie ihn an. Sein Tonfall war unerwartet eisig. Ein Indiz mehr, wie sie fand. Noch stand er vor ihr und sie setzte erneut an. Doch wieder unterbrach er sie.
"Bitte Isabelle, lass uns das Wochenende genießen. Für einen Streit fehlt mir gerade echt die Kraft. Ich gehe schnell duschen und dann lass uns das einfach vergessen." Sein Blick war jetzt fast flehentlich. Nickend lenkte sie ein. Als er in der Wohnung verschwand blieb sie noch draußen sitzen und dachte nach.
Der Abend verlief entspannt. Gina und Ariane hatten gekocht und Julian erwies sich als passender Gesprächspartner für Jan. Die beiden fachsimpelten über Sport und Jan wirkte extrem ausgeglichen. Zufrieden beobachtete Isabelle ihn und drehte ihr Weinglas in der Hand. Jule und Gina sahen sich am Handy Fotos an und lachten viel. Da David nebenan schon eine Weile schlief, wollte sie schnell nach ihm sehen. Er war ein bisschen anhänglich gewesen am Abend, und hatte sie ganz schön gefordert. Vorsichtig öffnete sie die Tür zu Ginas Schlafzimmer.
Zufrieden lächelte sie, als sie bemerkte, dass er tief und fest schlief. Hoffentlich würde sie ihn die paar Meter nach Hause bekommen, ohne dass er zu wach wurde. Leise schloss sie die Tür wieder und wandte sich um. "Isabelle, können wir uns kurz unterhalten?"
Sie hatte Ariane nicht kommen hören und zuckte erst was zusammen. Die Ältere reichte ihr das Weinglas und bat sie, ihr ins Wohnzimmer zu folgen.
"Machst du bitte die Tür mal zu?"
Irritiert kam Isabelle der Bitte nach.
"Was ist denn los?"
Ariane bedeutete ihr, sich neben sie zu setzen.
"Vielleicht mache ich mir auch zu viel Gedanken", begann Ariane zögerlich.
"Aber es gab diverse Vorfälle in den letzten Wochen mit Jan."
Alarmiert stellte Isabelle ihr Glas auf dem Tisch vor ihr ab.
"Vorfälle?", wiederholte sie und spürte, wie ihr Hals trocken wurde.
Ariane nickte. Sie erzählte von den Proben, Jans Unkonzentriertheit und seiner Distanz.
"Weißt du, ich hatte mal eine sehr schwere Zeit, vor mehr als 15 Jahren. Aber ich weiß noch genau, wie es war. Mir ging es nicht gut, ich konnte es erst gar nicht greifen und auf einmal waren die Gedanken nur noch düster. Bis ich dachte, dass ich alles hinwerfe und mein Leben beende."
Sie sah Isabelle nun ernst an, die musste schlucken.
"Und Jans Verhalten erinnert mich mehr und mehr daran. Und ich mache mir, ehrlich gesagt, zunehmend große Sorgen, wusste aber nicht, wen ich ansprechen soll."
Beruhigend legte sie Isabelle eine Hand auf den Oberschenkel. Ihr wurde abwechselnd heiß und kalt. Nur mühsam schluckte Isabelle die Tränen herunter. Stumm nickte sie. Ariane schwieg einen Moment.
"Jetzt ist er gut drauf, keine Frage, aber wie wird es morgen sein?"
Sie ließ die Frage im Raum stehen.
"Isabelle, wenn es wirklich Depressionen sind, dann braucht Jan dringend Hilfe. Glaub mir, das geht nicht mehr lange gut."
Mit einem flauen Gefühl im Magen nickte Isabelle. Sie wollte ihn nicht hintergehen oder hinter seinem Rücken über ihn sprechen. Grundsätzlich widerstrebte ihr dies. Doch sie konnte sehen, dass es Ariane gut meinte.
"Er hatte sie gut im Griff", gab sie dann zu. "Und er hat wirklich hart dafür gearbeitet, eine sehr intensive Therapie gemacht….", sie stockte.
Ariane griff nach ihrer Hand.
"Das glaube ich. Aber im Moment geht es ihm nicht gut. Er wollte gestern sogar abhauen. Völlig aufgelöst zu Dir fahren."
Im Grunde wusste Isabelle, dass Ariane recht hatte. Dennoch versuchte sie nochmal eine Lanze für Jan zu brechen.
"Er hat mich diese Woche sehr vermisst."
Doch Ariane schüttelte den Kopf.
"Du weißt, dass das nur die halbe Wahrheit ist."
Langsam griff Isabelle nach ihrem Glas und nahm einen tiefen Schluck.
"Wissen Robert und so Bescheid?", fragte Ariane. Nun schüttelte Isabelle den Kopf.
"Das wollte Jan nicht, Alex weiß Bescheid und vermutlich Gina. Jule natürlich. Jan wollte nicht, dass es bekannt wird. Robert ahnte was im Herbst, ja, aber das war es schon."
Ariane nahm ihrerseits einen Schluck aus ihrem Glas.
"Ich habe keine Ahnung was ich tun soll, Ariane. Er lässt mich nicht an sich heran."
Sie dachte an den kurzen Wortwechsel vom Nachmittag. "Er hat mir auch nichts von den Problemen hier erzählt. Er sagte nur, es sei stressig." Wissend sah Ariane sie an.
"Das kenne ich. Notfalls wird er solange so tun, als wäre alles in bester Ordnung, bis es zu spät ist." In einem Zug leerte Isabelle ihr Glas.
"Danke Ariane. Ich weiß es sehr zu schätzen, dass du zu mir gekommen bist." Sie beschloss, dass sie ihn ansprechen würde. Die Premiere war in knapp einer Woche. Wie sollte das gehen? Würde er sich Hilfe suchen? Irgendjemanden an sich heran lassen? Warum hatte er nicht mit Dr. Jäger gesprochen? Warum dieser Rückfall? Immer mehr zweifelte sie an seinen Worten. Die Aussagen von ihm und David deckten sich nicht.
Als sie in die Küche zurückkam, strahlte Jan sie an. Wenn man ihn gerade so sah, konnte man durchaus glauben, dass es ihm gut ging. Auch er hatte Wein getrunken und war auf dem Heimweg etwas beschwipst. Im Apartment brachte er David ins Bett und kam dann zu ihr auf die Couch.
Ganz eng zog er sie an sich und schlief mit ihr im Arm ein. Wäre Ariane nicht gewesen, Isabelle hätte ihm abgekauft, dass er nur gestresst gewesen war. Noch immer gingen ihr die Worte der älteren Kollegin nicht aus dem Kopf.
Irgendwann löste sich Jan von ihr und sie stand nochmal auf. Mit einem Glas Wasser stand sie in der Küche und sah zum Fenster hinaus. Morgen mittag musste sie wieder nach Hause und ihr gefiel der Gedanke nicht. Weder Jan noch David ließ sie gerne zurück. Vor allem nicht mit einem guten Gefühl. Sie leerte das Glas langsam und grübelte weiter. Was sollte sie nun tun? Ihre Gedanken wurden durch einen leisen Aufschrei unterbrochen. Erschrocken eilte sie wieder nach nebenan, dort saß Jan aufrecht im Bett. Schnell war sie bei ihm, er war schweißgebadet. Beruhigend sprach sie auf ihn ein, doch er schien ganz woanders zu sein. Sie wollte ihn berühren, doch er ließ es wieder nicht zu. So konnte sie nichts tun, als einfach bei ihm sitzen zu bleiben, bis er sich von selbst wieder beruhigt hatte. Dann legte sie sich neben ihn und tastete vorsichtig nach seiner Hand. Diesmal entzog er sich dem Griff nicht, sondern drückte tatsächlich kurz zurück.
Am nächsten Morgen ließ sich Jan nichts anmerken. Sie hatten gefrühstückt und David hatte sie mit seiner guten Laune abgelenkt. Es ergab sich keine ruhige Sekunde mehr. Jan wirkte zumindest ebenfalls gut gelaunt und versuchte auch, Nähe herzustellen. Hand in Hand gingen sie spazieren und er erzählte viel. Isabelle blieb skeptisch. Zu viel geisterte ihr durch den Kopf. Vor dem Jungen wollte sie ihn aber nicht zur Rede stellen. Und am Telefon an und für sich auch nicht. Erst zum Wochenende würde sie wiederkommen und hoffentlich am Sonntagabend auch zur Premiere kommen können.
"Meine Eltern kommen, die freuen sich bestimmt, dich zu sehen", sagte Jan, während sie in einem Eisacafé saßen. Isabelle lächelte. In der Tat freute sie sich auf Anke und Paul. "Und Alex und Heike natürlich", schob er hinterher.
"Ich sehe, was ich machen kann, Jan. Grundsätzlich muss ich Montag arbeiten." Isabelle lächelte ihn an.
"Es würde mir unheimlich viel bedeuten", sagte er leise. David war voll und ganz mit seinem Eisbecher beschäftigt und hörte ihnen nicht zu. Liebevoll griff sie nach seiner Hand und gab ihm einen Kuss auf dieselbe.
"Ich weiß. Und ich möchte auch gerne dabei sein." Sie suchte seinen Blick. "Du würdest doch mit mir sprechen, wenn was wäre?", wollte sie wissen.
"Nur der Stress. Das wird wieder. Ich bekomme das hin, versprochen."
Er sah ihr nun ebenfalls in die Augen und beugte sich zu ihr. Der sanfte Kuss fühlte sich auf ihren Lippen perfekt an. Sie wünschte sich nichts mehr, als diesen zu intensivieren. Sie fuhr sich mit der Zunge über den Mund, als Jan den Kuss beendete. Auch in seinem Blick konnte sie etwas Sehnsucht erkennen. Er räusperte sich.
"Komm, wir müssen langsam. Du sollst ja nicht deinen Zug verpassen."
Als sie später auf ihrem Sitzplatz saß, lehnte sie den Kopf an die Scheibe. David hatte bittere Tränen vergossen, als sie sich von ihm verabschiedet hatte. Nur die Aussicht auf ein Telefonat am Abend hatte ihn getröstet. Auch Jan hatte sie ungern gehen lassen. Vielleicht hätte etwas mehr Zeit geholfen, dache sie. Als ihr Handy vibrierte, schreckte sie hoch.
-komm gut nach Hause, vermisse dich jetzt schon. Kuss Jan-
Die Fahrt verging dann wie im Flug und am frühen Abend war sie zu Hause. Tina hatte die beiden Katzen versorgt und einen Zettel hinterlassen. Schnell wählte Isabelle deren Nummer und bedankte sich für die Hilfe. Gleichzeitig fühlte sie vor, ob Tina auch das kommende Wochenende einspringen könnte. Sie erklärte ihr, dass sie unbedingt zur Premiere wollte und auch in der Kita mit Hannah sprechen wollte.
"Vielleicht kann ich Montag später anfangen, dann nehme ich einen frühen Zug", sagte sie. Sie saß im Lesesessel und Mimi hatte es sich bei ihr bequem gemacht.
"Und sonst, wie war das Wochenende?", wollte die andere wissen. Knapp fasste Isabelle die Tage in München zusammen.
"Aber irgendetwas stimmt nicht", meinte sie dann. "David erzählt eine völlig andere Version von dem Vorfall bei Diana als Jan. Der wiederum wiegelt das Thema ab."
Sie streichelte die Katze und überlegte.
"Hm, vielleicht kindliche Fantasie", meinte Tina dann.
"Nein, das glaube ich nicht. Irgendwas war da. David ist nur nicht in der Lage zu beschreiben was und Jan schweigt. Er möchte nicht darüber reden. Zudem verhält er sich sehr merkwürdig", sagte sie dann.
Die Andere lachte heiser. "Naja, das ist ja nicht neu.", meinte sie. Mimi begann leise zu schnurren, was Isabelle ein Lächeln entlockte.
"Es ist anders", gab sie nur zurück. Sie spürte es einfach. In Jan tickte eine Bombe und sie musste unbedingt herausfinden, was genau passiert war.