Tag 1 – Samstag
2 – Zögerlicher Abschied
Als Erik Freitag Nacht aufwachte, fühlte er sich wie erschlagen. Es war vermutlich eine reichlich dämliche Idee gewesen, sich am Nachmittag noch einmal hinzulegen. Die Aussicht, die ganze Nacht in einem unbequemen Bus verbringen zu müssen, hatte jedoch dafür gesorgt, dass Erik wenigstens ein paar Stunden Schlaf ‚vorarbeiten‘ wollte. Seufzend tastete er nach dem Wecker und drehte diesen, um die Digitalanzeige erkennen zu können.
„Zehn Uhr“, murmelte er müde.
Immerhin hatte Erik fast vier Stunden Schlaf rausholen können. Bis zur Abfahrt um Mitternacht war noch Zeit. Nicht, dass er die wirklich brauchen würde. Seine Sachen waren weitestgehend gepackt. Etwas zum Essen für die Fahrt und eine letzte Kontrolle, ob er auch tatsächlich alles dabei hatte, dann konnte es losgehen.
Seufzend drehte Erik sich auf den Rücken und starrte durch das Dämmerlicht zur Zimmerdecke. Wobei es nicht gerade viel zu sehen gab dort oben. Trotzdem schien sich dieser eine Fleck im Laufe des vergangenen Schuljahres einer wachsenden Beliebtheit in seiner Aufmerksamkeit zu erfreuen. Wie automatisch fuhr Erik mit der Hand über seinen nackten Oberkörper, als ihm stetig deutlicher bewusst wurde, wovor sein Verstand mal wieder in die Realität des Erwachens geflohen war. Ein Traum. Der gleiche, der ihn seit Wochen verfolgte.
Erik schloss die Augen und lies die Hand tiefer bis zu den Shorts hinunter gleiten, in denen er bei den inzwischen hochsommerlichen Temperaturen schlief. Würde das nach der kommenden Woche endlich aufhören? Als seine Hand in die Short glitt, streckte sich ihm weiterhin die Nachwirkungen dieses Traums entgegen. Dabei war das vor den mündlichen Prüfungen endlich besser geworden.
In den letzten Tagen schien die Abwesenheit Bergers in Eriks Realität aber eher dazu zu führen, dass er sich stattdessen stetig deutlicher in dessen Träume verlagert. Unwirsch verstärkte sich sein Griff, verlangsamte jedoch nicht die Bewegung.
Erik brauchte die Bilder aus diesem Traum nicht wirklich. Aber sie ließen ihn dennoch nicht los. Verfolgten ihn. Wie ein schmutziger Porno, den man als Teenager aus dem Netz lädt und heimlich auf dem USB-Stick versteckte, weil man Angst hatte, sich einen anderen runterzuladen und dabei diesmal erwischt zu werden.
Jeden verdammten Morgen wachte Erik inzwischen wieder mit diesem Nachhall an Bildern auf. Ganz zu schweigen, von dem Ständer, der den Film im Kopf begleitete. Variationen des immer gleichen Themas. Erik, wie er sich Berger schnappte, ihn zu Boden warf. Wahlweise auf irgendeine andere Unterlage.
Manchmal war es ein Küchentisch, eine Couch. Die Szenerie des Klassenzimmers war inzwischen selten geworden. Häufiger war es ein Bett. Mitunter Grass, versteckt hinter ein paar Büschen. Der verfluchte Strand war Erik bisher erspart geblieben. Wahrscheinlich schaffte es sogar, sein Unterbewusstsein zu erkennen, wie beschissen der Sand in jeder nur erdenklichen Körperritze stören würde.
Erik versuchte, die Wut heraufzubeschwören, die er Anfang des Schuljahres für den Mann empfunden hatte. Diesen Hass auf alles, was mit der Schule, diesem Lehrer und dessen, was er in ihm auslöste, zu tun hatte. Aber genau wie an den übrigen Tagen, gelang es Erik nicht. Es war keine rohe Gewalt, die er Berger in diesen Fantasien antat, kein Zwang. Es war gewollt, von beiden Seiten. Nicht zärtlich, aber auch ebenso wenig brutal oder gewalttätig.
‚Ganz sicher nicht liebevoll‘, belehrte Erik sich selbst.
Schließlich war unmöglich etwas zu wollen, was schlichtweg nicht sein konnte. Weil es nicht sein durfte. Jedenfalls nicht, wenn es um Berger ging. Der war immerhin ein verdammter Lehrer. Und trotzdem waren sie da. Diese Gedanken, die Bilder – unterlegt von einer Tonspur, die nicht enden wollte. Zusammen mit dem Puls beschleunigte sich die Bewegung von Eriks Hand. Versetzte die Bilder im Kopf in den Schnelldurchlauf, bis der Film zu abrupt und trotzdem nicht früh genug endete.
„Dann sollten Sie erst einmal erwachsen werden.“
Ein unangenehm flaues Gefühl in Eriks Magen meldete sich prompt, als ihm die Worte vom letzten Schultag erneut in den Kopf schossen. Erwachsen werden. Um was zu tun? Den Kerl küssen zu können?
Erik schnaubte. „Blöder Lehrer“, murmelte er und griff zu der Packung, die auf dem Nachttisch bereitstand. Resignierend warf er kurz darauf das besudelte Taschentuch in Richtung Mülleimer. „Erwachsene wichsen garantiert genauso.“
Wobei sie das vermutlich nicht unbedingt zu Bildern ihrer Deutschlehrer taten. Hoffentlich würde er in der kommenden Woche von diesen Träumen verschont bleiben. Ganz sicher wollte Erik nicht früh mit einem Ständer zwischen seinen Mitschülern aufwachen. Die Lacher würde er für den Rest der Fahrt nicht mehr loswerden.
‚Ganz zu schweigen davon, dass Berger garantiert nur zu gut wüsste, wovon du geträumt hast.‘
War das so? Würde der Blödmann sich in der Tat denken können, dass er der Hauptprotagonist in Eriks ganz persönlicher mentalen Pornosammlung war? Genervt über sich selbst rieb Erik sich die zunehmend müder werdenden Augen.
In dem Moment klingelte der Wecker. „Zeit, sich dem Dämon zu stellen“, murmelte Erik verhalten, musste kurz darauf allerdings grinsen. Vielleicht würde sich die Fahrt ja als Dämonentöter herausstellen. Dann nämlich, wenn seine durchgeknallten Hormone ein für alle Mal begriffen, das Berger nicht nur unerreichbar war, sondern eben das, was Erik sich schon seit Monaten erfolglos versuchte einzureden.
„Nur ein blöder Lehrer.“
✑
Nachdem Erik sich gewaschen und das Nötigste für die Reise aus dem Bad eingepackt hatte, warf er die Waschtasche zu den übrigen Sachen in die Reisetasche und schloss den Reißverschluss. Fünfundvierzig Minuten bis zur Abfahrt. Seine Mutter steckte den Kopf aus dem Schlafzimmer. Müde wischte sie sich den Sand aus den Augen und schlurfte in Richtung Küche.
„Mama. Das muss doch nicht sein. Geh wieder schlafen“, rief er ihr zu.
„Lass mich dir wenigstens etwas zu Essen einpacken“, antwortete sie mit einem Kopfschütteln.
Einen Moment überlegte Erik, ob er erneut widersprechen sollte, aber warum ihr das hier wegnehmen? Sie wollte es ja offenbar so. „Danke“, murmelte er deshalb lediglich verhalten und folgte ihr in die Küche, um wenigstens zu helfen.
„Es ist merkwürdig“, meinte sie nach ein paar Minuten, in denen sie Brote geschnitten und mit Erik gemeinsam belegt hatte.
Irritiert drehte er sich zur Seite und sah sie stirnrunzelnd an. „Was meinst du?“
Eriks Mutter lächelte leicht, sah aber nicht auf. „Als wir zusammen unterwegs waren, um deinen Anzug zu kaufen, das war ... schön. Allerdings hat es sich nicht so endgültig angefühlt wie jetzt“, erklärte sie zögerlich. „Das ist deine Abschlussfahrt, Erik. Wenn du zurückkommst, ist das Schuljahr quasi beendet. Es fühlt sich an, als würde ich meinen Jungen für immer ziehen lassen.“
Wieder konnte Erik die Worte seines Lehrers hören, der ihn aufforderte, zunächst erwachsen zu werden, bevor er ihm verriet, was ein Kuss von dem Blödmann kosten würde. Nicht, dass Erik sich dafür tatsächlich interessierte.
Er grinste und beugte sich zu ihr hinüber, um stattdessen ihr einen leichten Kuss in die Haare zu drücken. Anschließend drehte Erik sich mit einem breiten Grinsen um und stopfte sich ein Stück Apfel in den Mund, das er eben geschnitten hatte.
„Du lässt den Jungen ziehen und bekommst dafür den Mann zurück“, tönte er mit übertrieben gestelzter Stimme.
Eriks Mutter lachte und kniff ihm kurz darauf die Wange. „Sei mir nicht böse, Junge, aber den Mann darf gern jemand anderer haben. Ich bleibe lieber bei meinem früher so süßen und niedlichen Baby.“
„Buah. Mama! Das wird ja eher schlimmer als besser.“ Sie schwiegen und schlagartig war Erik sich nicht sicher, was passiert war. „Ich will kein Baby mehr sein, Ma. Auch kein Junge“, murmelte er, nicht wissend, was er sonst sagen sollte.
„Ich weiß“, antwortete seine Mutter mit einem Lächeln. Aber irgendetwas daran wirkte falsch. Nur war Erik sich nicht sicher, was es war. Oder ob er deshalb nachfragen sollte. „Hast du ...“, setzte sie mit einem Mal an, ohne zu ihm zu sehen. „Hast du eigentlich ... einen ... einen ...“
„Hm?“ Erik sah verwundert zu seiner stammelnden Mutter, die es aber offenbar nicht schaffte, ihn anzusehen.
„...“
„Wie bitte?“
„Freund“, platzte es plötzlich aus ihr heraus. „Hast du ... einen Freund? Also ... so einen ... Freund. Einen ... Ach, Mensch, Erik.“
Es kostete ihn einiges an Beherrschung, um nicht zu lachen. Seit er mit ihr vor ein paar Monaten geklärt hatte, dass er auf Männer stand, war das Thema zwischen ihnen nicht mehr aufgekommen. Jedenfalls nicht in dieser Art und Weise.
„Nein“, gab Erik mit einem anhaltenden Lächeln zu, auch wenn er gern eine andere Antwort gegeben hätte. Der Gedanke, dass diese vor zwei Wochen nicht ebenso ausgefallen wäre, dämpfte die gerade aufgekommene gute Stimmung zusätzlich. „Im Moment nicht.“
„Dann ... also ... während der Fahrt ...“, stammelte sie weiter.
„Stopp!“, unterbrach Erik hastig und hob abwehrend die Hand. „Ich sag das jetzt einmal und nie wieder und tue uns beiden damit einen Gefallen. Wir reden nicht über Sex, Ma. Ich weiß, wie ... es ... funktioniert. Und ich will nicht mit dir darüber sprechen, wie ... Nein.“
„Gut. Hast du Kon...“
„Ich hab gesagt, wir reden da nicht drüber!“, fauchte Erik mit hochrotem Kopf und stapfte aus der Küche, um das Gespräch ein für alle Mal abzuwürgen.
Ganz sicher würde er nicht seiner Mutter zuhören, wie die über Kondome redete, und schon gleich dreimal nicht, wenn es darum ging, ob er welche dabei hatte. Was er natürlich hatte. Erik verließ das Haus schließlich nie ohne. Und da er plante, auf dieser dämlichen Abschlussfahrt irgendwann und irgendwie etwas Spaß zu haben, war die Packung als erste in seiner Reisetasche gelandet. Neben anderem. Über das er auch definitiv nicht mit seiner Mutter reden würde!
Die stand fünfzehn Minuten später mit gleich zwei Plastikdosen voller Essen in Eriks Zimmer. Wenigstens hatte sie den Anstand so beschämt auszusehen, wie er sich fühlte. Dieses ‚Aufklärungsgespräch‘ hatten sie schließlich bisher auch nie geführt. Warum sie der Meinung war, das jetzt nachholen zu müssen, war Erik ein Rätsel. Zumal das lockere drei, vier Jahre zu spät kam.
„Hast Du alles eingepackt?“, fragte sie stattdessen und reichte Erik die beiden Dosen, damit er sie in seinen Rucksack stecken konnte.
„Ich denke schon“, antwortete Erik verhalten, während er zu zwei Büchern griff, die er sich für die Fahrt extra geleistet hatte. Nur für den – natürlich vollkommen unwahrscheinlichen – Fall, dass es ihm nicht gelingen würde, Alexanders Rat zu befolgen und jemanden zum Reden zu finden.
„Handy? Ladekabel?“, murmelte seine Mutter und schien gerade alles in Eriks Zimmer anzusehen, nur nicht ihn selbst.
„Hab ich.“
„Unterw...“
„Mama!“
Sie lachte leise und zuckte mit den Schultern. „Tut mir leid, Erik. Ich kann es wohl nicht lassen.“
„Hör auf, dir einen Kopf zu machen. Es sind nur sieben Tage. Wir kommen Freitag Nacht zurück.“
Erik richtete sich auf und nahm den Rucksack in die eine, die Reisetasche in die andere Hand. Auf dem Weg in den Flur gab er seiner Mutter noch einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
„Mach dir keine Sorgen“, versuchte er sie zu beruhigen, obwohl Erik selbst die Unruhe in sich aufsteigen fühlte. So sehr er sich bemühte, der Fahrt positiv entgegenzusehen. Der Gedanke daran, dass die diese Woche in einer Katastrophe enden würde, ließ sich einfach nicht ignorieren.
„Meldest du dich, wenn ihr da seid?“, fragte sie zögerlich, nur um dafür einen entrüsteten Blick Eriks zu ernten.
„Ich bin neunzehn, Ma“, jammerte er wenig erwachsen, wie Erik mit einem schiefen Grinsen kurz darauf feststellte. „Entschuldige.“
Sie lachte und winkte offensichtlich belustigt ab. „Melde dich trotzdem. Bitte. Damit ich weiß, dass ihr gut angekommen seid.“
Erik richtete sich auf und sah ihr fest in die Augen. Die gleiche blaue Farbe, die ihn jeden Morgen im Spiegel anblickte. Vermutlich das Einzige, was er von ihr geerbt hatte. Denn beim Charakter war Erik sich anbetrachts der Fantasien, die ihn mitunter quälten weiterhin nicht sicher, ob er da nicht zu sehr nach seinem Erzeuger kam. Dem im Knast sitzenden Arschloch, das er seit inzwischen mehr als sieben Jahren nicht gesehen hatte.
„Ich melde mich“, versprach Erik. Würde schließlich nicht wehtun. Und wenn er damit wenigstens diesen einen Menschen, der ihm wichtig war, beruhigen konnte, war es das allemal wert.
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Glücklicherweise waren für die Fahrt mehrere Haltestellen eingeplant, die sich über die Stadt verteilten. So musste Erik nicht erst lange durch die Gegend fahren, sondern konnte bequem von zu Hause zur Bushaltestelle laufen, an der er zusammen mit den Schülern, die ebenfalls in der Nähe wohnten, einsteigen würde.
Schon als er sich der letzten Straßenecke näherte, konnte Erik die Stimmen hören. Und zwar in einer Lautstärke, die die Anwohner vermutlich gerade zur Verzweiflung trieb. Oliver und zwei andere Jungen. Wenigstens wohnte Sandro weit genug weg, sodass er woanders einsteigen würde.
‚Eingestiegen ist‘, korrigierte Eriks Hirn prompt. Denn unglücklicherweise war diese Haltestelle, die letzte, bevor der Bus sich auf den Weg in Richtung Frankreich machen würde.
Langsam trat Erik um die Ecke herum, nicht sicher, ob er sich das wirklich antun wollte. Dort rüber zu gehen und neben den herumalbernden Idioten auf den Bus zu warten war das eine. Mit denen dann auch noch einzusteigen, etwas ganz anderes. In Eriks Bauch begann es zu rumoren. Alle Übrigen würden schon im Bus sitzen. Die Plätze waren somit vergeben. Verteilt, ohne dass er eine Chance gehabt hatte. Er würde nehmen müssen, was übrig blieb. Besser gesagt, was man ihm übrig gelassen hatte.
Aufgrund der Verschiebung hatten zwei Schüler ihres Kurses letztendlich doch die Fahrt absagen müssen. Das hieß, es gab ebenso zwei freie Plätze mehr im Bus. Vielleicht würde das ja reichen, um einen Sitznachbarn zu finden, mit dem Erik die Fahrt über auskommen konnte.
Durch die Absagen waren abgesehen von Erik selbst neunundzwanzig Noch-Schüler sowie drei ‚Aufpasser‘ aus der Lehrerschaft dabei. Machte bei einem Bus mit sechsunddreißig Sitzplätzen also ganze vier Plätze, die für Erik zur Auswahl frei bleiben würden.
‚Die Hoffnung stirbt zuletzt.‘
„Hey, da kommt der Bus!“, rief in diesem Augenblick einer der Jungen an der Haltestelle.
Hastig setzte Erik sich in Bewegung. Immer wieder sagte er sich, dass Alex und seine Mutter vollkommen recht hatten. Es war seine Abschlussfahrt und die sollte er genießen. Nein, die würde Erik genießen. Komme, was wollte.
In diesem Fall war es in der Tat ihr Bus, der zunächst ankam.
Einer der Fahrer stieg aus und öffnete die Gepäckklappe. Sie gaben dem Mann einer nach dem anderen ihre Taschen und der verstaute sie vernünftig im Laderaum. Erik war der letzte Schüler, der danach den Bus betrat.
Schon als er die Stufen nach oben stieg, breitete sich das flaue Gefühl in Eriks Magen aus. In der zweiten Reihe links, stand Herr Berger, ein Knie auf dem Sitz, eine Liste in der Hand. Schnell wandte Erik den Blick ab, denn von genau dem Mann sollte er sich schließlich besser möglichst weit entfernt halten in den nächsten sieben Tagen.
Also trat Erik vor, den Gang entlang und ließ die Augen über die Sitzplätze wandern. Wie vermutet waren inzwischen alle, bis auf die vier bereits von ihm errechneten Plätze belegt. Einer davon befand sich unmittelbar vor Sandro und Ines, die es offenbar geschafft hatten, über die Prüfungen hinweg ein Paar zu bleiben. Zumindest saßen sie zusammen. Selbst wenn Sandro nicht so ein Arschloch wäre, wollte Erik ganz sicher nicht vor den beiden sitzen, während die in den nächsten Stunden auf Tuchfühlung gingen. Außerdem wäre das der Platz direkt neben Luca – einem von Sandros Handlangern.
Der nächste freie Sitz war ausgerechnet auf der anderen Seite des Ganges neben Jenny, der besten Freundin von Ines. Auch das somit keine Option. Zumal die genau in diesem Moment demonstrativ ihren Rucksack auf den Sitz stellte und Erik böse anfunkelte.
Damit blieb noch ein Versuch, denn auf den vierten freien Platz wollte Erik definitiv nicht. Auch dieser dritte Sitz wurde in ebenjenem Moment von Olivers Rucksack in Beschlag genommen – dem zweiten von Sandros Handlangeraffen, der clever genug gewesen war, vor Erik in den Bus einzusteigen.
‚Kann der Arsch sich nicht zu Luca und Sandro verkrümeln?‘, zuckte es Erik sofort durch den Kopf. Schließlich wäre damit allen geholfen gewesen. In erster Linie natürlich Erik selbst.
„Setz dich endlich hin, Junge. Wir wollen los!“, rief der Busfahrer.
Dessen reichlich genervte Ton zeigte deutlich, dass der Kerl schon jetzt – bevor sie die Stadt verlassen hatten – keine Lust darauf hatte, mit ihnen auf Abschlussfahrt zu fahren.
Wirklich verübeln konnte Erik ihm das nicht. Auch wenn man von Abiturienten wahrscheinlich etwas anderes erwarten durfte, war wenigstens in diesem Kurs damit zu rechnen, dass es laut werden konnte, dreckig – und benehmen würden sich vermutlich die wenigsten. Zumindest wenn sie endlich in Frankreich waren und die ersten Weinflaschen ihren Weg in die Hände der Reisenden gefunden hatten.
Um der Anweisung Folge leisten zu können, sah Erik sich erneut um. An den Tatsachen änderte sich jedoch nicht. Es blieb ihm nur die Wahl zwischen Luca, Jenny und Oliver. Pest und Cholera erschienen mit einem Mal sehr erstrebenswerte Todesarten zu sein.
Aussteigen wäre ebenso eine Option. Sich eine Woche in er Stadt hier herumtreiben und anschließend nach Hause gehen. Seine Mutter würde nie erfahren, dass er nicht in Frankreich war.
Ehe Erik sich zu irgendetwas entscheiden konnte, legte sich jedoch bereits eine Hand auf seine Schulter. Er zuckte zusammen, wehrte sich allerdings nicht, als die gleiche Hand ihn zur zweiten Sitzreihe zurück zerrte und ihn dort auf den vierten, noch freien Platz drückte.
„Sie können los“, rief Herr Berger und ließ sich auf seinen eigenen Sitz fallen. Direkt neben Erik. So viel dazu, dass er sich von diesem Kerl möglichst weit fernhalten sollte.
‚Scheiße!‘