83 – Quälende Feier
Für jeden Kurs waren drei Stuhlreihen serviert. Durch die Schilder am Mittelgang hatte Erik seinen Kurs schnell gefunden. Da dieser in voller Stärke einunddreißig Schüler zählte, erwartete Erik beinahe, dass für ihn kein Platz mehr frei sein würde. Tatsächlich war aber nur eine der drei Reihen bisher voll besetzt. In den anderen beiden waren jeweils die zwei Stühle zum Gang hin frei.
Unsicher, wo er sich hinsetzen sollte, hielt Erik inne. Wenn er den Platz am Mittelgang nahm, sah das ziemlich bescheuert aus. Andernfalls hatte er aber somit im Augenblick, ob er sich neben Ines, die Freundin vom Affenkönig, oder Luca, dessen Handlanger, setzen wollte.
„Hallo Erik“, begrüßte ihn letzter mit einem Mal.
Kein Lächeln und nur ein kurzes Nicken, aber irgendwie zerplatzte da dennoch eine Blase in Eriks Brust, die er nicht einordnen konnte. Er rang sich also ebenfalls ein Lächeln ab und setzte sich schließlich neben Luca.
Es kostete Erik einiges an Überwindung, um nicht unruhig hin und her zu zappeln. Dabei war es zur Abwechslung nicht die Gesellschaft, in der er sich befand, die ihn nervös machte – sondern vielmehr deren Abwesenheit. Genau genommen kostete es Erik einiges an Beherrschung, damit er nicht ständig zu Berger hinübersah.
Ein kurzes Grinsen huschte dennoch über Eriks Lippen, nachdem ihm bewusst wurde, dass er vermutlich das halbe Schuljahr damit verbracht hatte, diesen Mann anzustarren. Und die meiste Zeit davon hatte Erik sich deshalb von seinem eigenen Körper betrogen gefühlt. Unsicher legte er die Hände in den Schoß. Da rührte sich glücklicherweise im Augenblick gar nichts – und das würde hoffentlich auch so bleiben. Trotzdem war es merkwürdig, daran zu denken, dass Erik eine Zeit lang Berger förmlich dafür gehasst hatte, was der in ihm auslöste – während er das Kribbeln heute eher vermisste.
Vorsichtig schielte Erik erneut zu Berger. Der hatte sich inzwischen einen Platz in der ersten Reihe gesucht. Mit leichtem Bauchgrummeln stellte Erik fest, dass Frau Fink direkt neben Berger saß. Zumindest hatten sie offenbar ihr Gespräch beendet. Dennoch war der Gedanke, dass allein diese paar Worte, die sie gewechselt hatten, für Berger bereits Ärger bedeuteten, ausgesprochen beunruhigend.
Die Musik wurde lauter und lenkte Erik für einen Augenblick von seinen Beobachtungen ab. Stattdessen wanderte sein Blick zu einem älteren Herrn, der die Stufen zur Bühne hinauf und zum Rednerpult hinüber ging.
„Na endlich“, hörte Erik Luca neben sich flüstern.
Da der Kerl sicherlich nicht mit ihm gesprochen hatte, antwortete Erik nicht, sah stattdessen zu dem Mann auf der Bühne – der Schuldirektor. Der begann zu sprechen. So sehr er sich auch bemühte, der Rede zu folgen, die Worte erreichten Erik zunächst nicht. Wie schon zuvor ließ er seine Augen über die erste Reihe wandern. Neben Berger waren lediglich die Kursleiter und Frau Fink da. Das hieß, die Farin würde Erik heute nicht treffen. Und sie konnte somit auch keine Probleme machen.
Ein unangenehm spitzer Stich fuhr Erik durch den Magen, nachdem er sich erneut fragte, ob er Berger schon damit in Schwierigkeiten bringen würde, wenn er ihn ansprach. Hastig schloss Erik die Augen und atmete tief durch. In ein paar Minuten würde er sein Abizeugnis in den Händen halten. Dann war die Schule vorbei und Berger nicht mehr sein Lehrer. Diese Gewissheit war beruhigend und beängstigend zugleich.
Jetzt rutschte Erik doch nervös auf seinem Stuhl hin und her. Um sich abzulenken, senkte er den Kopf, starrte auf seine Hände. Während der vergangenen Woche hatte Erik angenommen, dass Berger lediglich stur war. Dass es kein Problem geben würde, wenn sie erst einmal nicht mehr Lehrer und Schüler waren. Schließlich hatte Berger Erik im Unterricht ganz sicher nicht bevorzugt.
‚Sieht man davon ab, dass Hanna zum Elternabend im kleinen Kreis antreten durfte, während dir das erspart blieb.‘
In dem Punkt war Erik wohl tatsächlich bevorzugt worden. Aus dem Augenwinkel blickte er erneut zu Bergers Hinterkopf, während auf der Bühne ihr Direktor seine Rede herunterspulte. Was der ältere Herr am Rednerpult genau von sich gab, hätte Erik nicht sagen können. Er hörte die Worte, aber fast keines davon konnte sich in seinem Hirn festsetzen.
Nachdem der Direktor endlich mit seiner Rede fertig war, kam der nächste Typ auf die Bühne. Den hatte Erik noch nie gesehen. Es stellte sich kurz darauf heraus, dass der von der Stadt war. Der Mann hatte natürlich ebenfalls einiges zu sagen. Irgendwelchen Sermon darüber, dass sie einen wichtigen Abschnitt ihres Lebens nun beenden und in den nächsten übergehen würden. Blablabla von einer Zukunft, die auf ihn warten würde.
Wieder sah Erik zu Berger.
Er hatte gedacht, dass er seine Version dieser Zukunft bereits zu Papier gebracht hatte. Aber das war nur Sex gewesen. Irgendwie passte das in den letzten Tagen stetig weniger zu dem, wonach das ungewohnte Gefühl in Eriks Brust verlangte. Was ihm bei dem Gedanken an die Zukunft in den Sinn kam, war weder reines Verlangen noch Begehren, jedenfalls nicht einfach nur nach einem Körper. Erik wollte den ganzen verdammten Menschen. Nicht irgendeinen, sondern genau den, der da vorn neben Frau Fink saß und vermutlich mehr von der blöden Rede mitbekam als Erik selbst.
‚Vertrauen und Sicherheit‘, schoss es ihm von irgendwoher durch den Kopf.
Nicht die hämische, hinterhältige Stimme von Eriks ganz persönlichen Arschlochs. Vielleicht aber doch. Irgendwie. Das Flüstern fühlte sich nicht gemein oder boshaft an, nicht sarkastisch oder arrogant. Eine leise Hoffnung, die davon sprach, dass es möglich war. Dass Erik nur die richtigen Worte finden musste, um Berger weiter kennenlernen zu können.
Dann würde in fünf Jahren das alles da sein. Dieses Kribbeln im Bauch und der Brust, nicht nur im Schritt. Trotzdem wäre da ebenso der jeden Tag stärker werdende Drang, dort vorzustürmen, Berger vom Stuhl zu zerren und sich endlich zu holen, wonach es ihn förmlich verzehrte. Nicht diesen Kuss, sondern die Zusage, dass Erik das Risiko wert war. Dass Berger aller Vernunft zum Trotz bereit war, sich auf ihn einzulassen.
„Es ist nicht falsch“, flüsterte er leise.
Kaum wurde ihm klar, dass die Worte tatsächlich aus seinem und entkommen waren, zuckte Erik zusammen. Unsicher lugte er nach rechts und links, aber offenbar hatte es niemand bemerkt oder überhaupt auf ihn geachtet.
Wieder wanderte Eriks Blick zu dem allmählich schmerzhaft vertraut wirkenden Nacken. Im Augenblick schien der weiter entfernt als je zuvor. Im Klassenzimmer war da immer eine unsichtbare Mauer gewesen, bei der Erik nie ernsthaft darüber nachgedacht hatte, dass das, was er in seinen Fantasien gesehen hatte, jemals wahr werden könnte. Diese Klassenfahrt hatte alles geändert.
Berger war nicht mehr Eriks Lehrer, nicht wirklich. Jetzt wo die Chance in greifbarer Nähe zu sein schien, war er nicht bereit, sie aufzugeben. Erik war sicherer denn je, dass Berger das ebenso wenig wollte. Im Grunde ging es doch um genau das, wovon der komische Typ da vorn auf der Bühne faselte:
Eine Zukunft.
Erik biss die Zähne zusammen und versuchte, sich auf die Rede zu konzentrieren. Der Mann auf der Bühne war aber offensichtlich endlich fertig und verließ diese gerade. Leider kamen sie damit trotzdem nicht zum eigentlichen Höhepunkt dieser Veranstaltung.
Zumindest lenkte das folgende Rumgeträller des Schulchores Erik sehr erfolgreich von seinen Gedanken ab. Wenigstens war er nicht der Einzige, der genervt stöhnte, nachdem die Gruppe gleich ein zweites Lied anstimmte.
Anschließend musste die Schülersprecherin ihren Senf zu der ganzen Sache abgeben. Erneut der Schülerchor. Und als wären sie nach gut einer Dreiviertelstunde, ohne dass irgendjemand sein Zeugnis bekommen hatte, nicht alle gelangweilt genug, kam noch das Schulorchester an die Reihe.
„Wie lange dauert das denn?“, flüsterte es in der Nähe. Wer auch immer es war. Er oder sie sprach damit aus, was Erik gedacht hatte.
Nach dem Schulorchester ging es allerdings endlich vorwärts. Der erste Kurs wurde aufgerufen. Diesmal stand Frau Fink auf der Bühne und begann die Namen jedes Schülers vorzulesen. Erik verdrehte die Augen und sank auf dem Stuhl weiter in sich zusammen. Wenn die jetzt wirklich jeden einzeln auf die Bühne rufen würden, dauerte der Mist ja noch länger.
Natürlich hatten sich die Kurse nicht in alphabetischer Reihenfolge auf ihren Stühlen einsortiert. So kam es, dass sich die ersten Schüler zunächst aus der Mitte der Reihen herauszwängen mussten. Gleichzeitig las Frau Fink unbeirrt weiter die Namen der übrigen Schüler vor. Am Ende gab es schon beim ersten Kurs ein heilloses Durcheinander, weil sie auf der Bühne in der falschen Reihenfolge standen und sich noch einmal neu sortieren mussten.
Wenigstens das klappte beim zweiten Kurs bereits besser. Und als Eriks Stammkurs anschließend dran war, schafften sie es einigermaßen geordnet – und in richtiger Reihenfolge – auf der Bühne zu stehen. Da war es Erik am Ende sogar egal, dass er ausgerechnet zwischen Mirek und Ines landete. Seine Konzentration lag ohnehin viel mehr darauf, sein heftig schlagendes Herz irgendwie unter Kontrolle zu halten, damit es ihm nicht jeden Moment aus dem Hals sprang.
Suchend sah Erik über die Masse der Leute unten hinweg. Es dauerte einen Augenblick, bis er seine Mutter gefunden hatte. Die strahlte förmlich, während sie mit dem Handy einige Fotos machte. Nach Eriks Meinung brauchte es die zwar nicht, aber das breite und stolze Lächeln zog auch seine Mundwinkel hoch. Allein dafür lohnte es sich, hier zu sein.
Mit einem Mal stand da jedoch der Schuldirektor in Eriks Sichtlinie und hielt ihm die Hand entgegen. Etwas irritiert griff er zu und schüttelte sie, während der ältere Mann ihm freundlich sagte:
„Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Abschluss, Herr Hoffmann.“
„Dan...ke“, murmelte Erik, aber da war der Mann bereits weitergegangen. Unsicher sah er dem Direktor nach, der Ines nun mit fast den gleichen Worten die Hand reichte.
„Gratuliere, Erik.“
Hastig drehte er den Kopf wieder herum. Nachdem er den Ablauf bei den anderen beiden Kursen gesehen hatte, sollte es Erik eigentlich nicht überraschen, wer da vor ihm stand. Trotzdem hämmerte ihm das Herz prompt ein paar Takte schneller gegen die Rippen, während Erik das Gefühl hatte, von viel zu vertraut gewordenen Augen durchbohrt zu werden.
„Ihr Zeugnis“, meinte Berger mit einem zaghaften Lächeln und hielt ihm eine Mappe entgegen. „Glückwunsch zu Ihrem Abschluss. Herr Hoffmann.“
„Richtig. Danke“, brachte Erik schließlich heraus.
Mehr als das bekam sein Hirn allerdings im Augenblick nicht zustande. Zumindest keine klaren Gedanken. Alles, was sich da tummelte, waren verflucht grüne Augen, die ihn anstarrten. Allerdings nicht hier und jetzt. In Eriks Hirn war es Nacht, Sterne leuchteten. Irgendwo im Hintergrund rauschte ein Meer – womöglich war es aber auch nichts weiter als das Blut in seinen Ohren. So verdammt kitschig und verklärt, dass Erik sich nicht sicher war, ob es ihm als Mann peinlich sein müsste, dass er den Mist gut fand.
„Sie sollten sich wenigstens heute konzentrieren, Erik“, raunte Berger ihm zu.
Tatsächlich dauerte es einige Sekunden, bis Eriks Hirn von der Fantasie zurück zur Realität schalten konnte. Erst danach wurde ihm bewusst, dass Bergers Grinsen vor ihm kein Trugbild war. Und der Mann ihm weiterhin die Mappe mit dem Abiturzeugnis vor die Nase hielt.
Hastig nickte Erik, nahm endlich das Zeugnis und lächelte zurück. Berger lief weiter, gratulierte Ines und nach ihr den übrigen Schülern links von Erik. Wie gebannt hing sein Blick an dem sich entfernendem Rücken.
„Na los“, meinte Ines irgendwann flüsternd neben ihm, nachdem jeder aus dem Kurs das Zeugnis in der Hand hielt. „Runter von der Bühne.“
Erik nickte. Es kostete ihn zwar einiges an Überwindung, sich wieder ganz auf die Gegenwart zu konzentrieren. Immerhin war er nicht wegen Berger hier. Sofort suche Erik in der Masse der Eltern seine Mutter – fand sie schließlich etwas abseits. Scheinbar war sie mit ihren Fotos vorerst fertig. Sie lächelte glücklich, was auch in Erik ein Stück Zufriedenheit hervorbrachte. Also lief er zusammen mit den anderen zurück zu den Stühlen, die seinem Kurs zugewiesen waren. Währenddessen las Frau Fink bereits die Namen aus dem nächsten Kurs vor.
Es dauerte sicherlich noch eine gute halbe Stunde, bis jeder sein Zeugnis hatte. Nachdem auch der letzte Kurs endlich von der Bühne gekommen war, atmete Erik erleichtert auf. Wenigstens hatte das Schauspiel damit ein Ende.
Die Annahme stellte sich jedoch kurz darauf als falsch heraus, nachdem die Schülersprecherin erneut auf die Bühne trat und zu einer weiteren Rede ansetzte.
„Hat das denn nie ein Ende?“, jammerte jemand hinter Erik – sprach ihm damit aus der Seele.
Die Schülersprecherin hatte zwar scheinbar nicht vor, noch einmal eine Rede zu halten, ob das wirklich so viel besser war, wusste Erik aber nicht zu sagen. Mit einem breiten Grinsen rief sie noch einmal alle Absolventen gemeinsam auf die Bühne für ein Gruppenfoto. Erik unterdrückte ein Stöhnen, quälte sich aber erneut vom Stuhl nach oben und lief zusammen mit dem Rest seines Kurses zur Bühne hinauf.
Dort wurden sie von mehreren reichlich übermotiviert erscheinenden Damen ihres Jahrganges aufgestellt. Was die sich dabei dachten, wollte Erik gar nicht wissen. Und wozu das Foto gut sein sollte auch nicht. Wer hing sich so etwas denn an die Wand? In zehn Jahren wüssten die meisten vermutlich nicht einmal mehr die Namen derer, mit denen sie im Stammkurs gewesen waren – von allen anderen ganz zu schweigen.
Vorsichtig lugte Erik nach links. Drei Plätze weiter stand Sandro und sah recht missmutig aus der Wäsche. Vermutlich weil irgendjemand von den verantwortlichen Damen entschieden hatte, dass Ines woanders zu stehen hatte.
Erik musste grinsen. An die Namen von denen würde er sich wahrscheinlich in zwanzig Jahren noch erinnern. Genauso wie an Mirek und ein paar seiner ehemaligen Kumpel, die in anderen Kursen gelandet waren. Aber damit dürfte es aufhören.
‚Egal‘, sagte Erik sich und sah nach vorn.
Wie von allein suchte sein Blick über die unterhalb der Bühne stehenden Leute. Eltern, Onkel, Tanten, Großeltern. Irgendwo darunter war auch seine Mutter. Es dauerte jedoch einen Moment, bis Erik sie gefunden hatte. Nachdem sie seinen Blick bemerkte, winkte sie ihm breit lächelnd zu. Für seine Mutter rang Erik sich ebenfalls ein Lächeln ab. Das ihm beinahe verging, nachdem seine Augen ein Stück weiter nach hinten wanderten.
Dort stand Berger, die Hände in den Hosentaschen, allerdings kein Lächeln auf den Lippen. Stattdessen war da ein leerer Blick, der zwar in Richtung der Bühne gerichtet war, dort aber kein wirkliches Ziel zu finden schien.
Schon wieder hämmerte es in Eriks Brust. Diesmal kein heftiger, schneller Rhythmus, eher ein einzelnes ‚bumm‘, welches durch seinen ganzen Körper vibrierte.
‚Hierher.‘
Bergers Blick wirkte glasig, trotzdem bewegte sich sein Kopf. In der nächsten Sekunde hätte Erik schwören können, dass Berger genau zu ihm sah. Ein weiterer Faustschlag gegen das Innere von Eriks Rippen. Schmerzhaft zuckte von der Einschlagstelle aus ein Blitz nach unten durch seinen Bauch. Wenn er versucht hätte, es in Worte zu fassen, wäre ihm keine schöne Beschreibung dafür eingefallen. Es war qualvoll, falsch und trotzdem fühlte Erik, wie sich seine Mundwinkel nach oben bewegten.
Lächerlich. Albern. Das sollten die Worte sein, die ihm dazu einfielen, wie er sich fühlte, nachdem sich ein winziges Lächeln auch auf Bergers Lippen stahl. Etwas in Erik wehrte sich weiterhin, diesem romantisch verklärten Unsinn nachzugeben. Aber für eine Sekunde war da trotzdem die Vorstellung, dass er einfach nur dort hinuntergehen und Berger von hier fortbringen musste.
„Es ist vorbei“, hörte Erik jemanden sagen.
Sein Lächeln wurde breiter. Ja, das war es. Erik verstärkte den Griff um die Mappe in seinen Händen. Das hier war sein Abschlusszeugnis. Die Schule war beendet. Das hieß doch auch, dass Berger nicht mehr sein Lehrer war.
Erneut zuckte Eriks Kopf nach oben und er sah zu Berger. Da war noch immer ein verhaltenes Lächeln, das ihm entgegenschlug. Nicht so offen und ehrlich, wie Erik es sich gewünscht hätte. Er runzelte die Stirn. Irgendetwas fehlte. Aber es dauerte einen weiteren Sekundenbruchteil, bis ihm klar wurde, was es war.
Das schelmische, hinterhältige Grinsen des sexy Badboy, der in den letzten Tagen ständig zwischen dem schüchternen Jungen und dem selbstsicheren Lehrer hervorgeblitzt war, fehlte. Genau der Kerl, der Erik allein bei der Vorstellung von herausfordernd funkelnden grünen Augen ein Kribbeln über den Rücken gen Schritt jagte. Eines, das erneut nach der Erlösung verlangte, die Erik sich mit einem Schuljahr voller Pornopoesie, Werther und der Hölle von Klassenfahrt hoffentlich verdient hatte.
Der Direktor, der Typ von der Stadt und die Schülersprecherin, sie hatten alle von der Zukunft gesprochen. Selbst wenn es für andere albern klingen sollte, für Erik stand in diesem Augenblick mehr denn je fest, dass seine Chance auf diese Zukunft dort unten wartete. Er musste es nur verdammt noch einmal endlich schaffen, sie zu ergreifen.