26 – Anstehender Ausflug
Hastig lief Erik die Stufen hinauf und suchte sich einen Platz in der gleichen Ecke wie am Vortag. Berger hatte es genauso gehalten und war gerade dabei, sich einen Kaffee einzuschenken.
Da das nach einer verdammt guten Idee klang, griff Erik ebenfalls zur Kaffeekanne und schenkte sich ein. Immer mehr Leute trudelten ein und auch die beiden Lehrerinnen gesellten sich etwas verspätet zu ihnen. Obwohl er versuchte, sich unter Kontrolle zu halten, zuckte Eriks Blick immer wieder zu Berger.
Irritierenderweise wurde dieser fast jedes Mal amüsiert erwidert. Vermutlich machte Erik sich gerade selbst zum Affen. Und Berger fand das entsprechend lustig. Aber so sehr Erik versuchte, die Wut in sich herauf zu beschwören, sie kam gegen die zerplatzenden Seifenblasen nicht an. Denn so amüsiert dieser Blick zu sein schien, er wirkte nicht bösartig, gehässig oder gemein.
Nicht sicher, was er nach dem Gespräch, das er letzte Nacht zufällig belauscht hatte, davon halten sollte, versuchte Erik sich auf sein Frühstück zu konzentrieren. Als die ersten aus dem Kurs aufsprangen, um ihre Sachen für den Ausflug ins Bad zu packen, schlürfte Erik hastig den Rest des Kaffees herunter und verzog sich ebenfalls. Zumindest war er den anstehenden Putzdienstopfern gegenüber nett genug, um das eigene Geschirr vorher noch abzuräumen.
Weil Erik jedoch keine Ahnung hatte, wo er hingehen sollte, verschwand er in Richtung der Hütte, in der man ihn untergebracht hatte. Erst als er davor stand, wurde Erik klar, dass das eine dämliche Idee war. Denn Berger hatte schließlich den Schlüssel und war noch beim Frühstück.
Also stand Erik kurz daraufhin wie der letzte Vollidiot vor verschlossener Tür. Zumal es keinen vernünftigen Grund gab, hier zu sein. Abgesehen davon, dass ‚woanders‘ zu sein beinhalten könnte, schon wieder Putzdienst alleine zu verrichten oder genauso dämlich am Bus zu stehen und zu warten. Seufzend setzte Erik sich auf die Stufen und ließ den Kopf hängen.
„Haben Sie doch etwas vergessen?“
Ein kurzes Lächeln stahl sich auf Eriks Lippen, obwohl ihm nicht wirklich nach Lachen zumute war. Aber irgendwie war ja klar gewesen, dass der Kerl hier auftauchen würde. Um nicht wie der Trottel dazustehen, als der er sich fühlte, hob Erik den Kopf und versuchte möglichst überlegen zu wirken.
„Nö. Sie?“
Das Lächeln, das seinerseits an Bergers Lippen zog, ließ schon wieder einige Seifenblasen platzen. Warum musste der Blödmann von Lehrer auch ständig dermaßen gut aussehen? Bei dem Gedanken, dass sich irgendwo in dieser goldenen Rüstung ein Kratzer finden lassen musste, zog sich Eriks Magen jedoch ein weiteres Mal zusammen.
‚Deshalb die Hemden?‘
Eriks Atem stockte, als er Berger anstarrte. Der schien das aber nicht zu bemerken. Während er eine Packung Zigaretten aus dem Rucksack holte, hing Bergers Blick inzwischen an den Handwerkern, die eben aus der Hütte nebenan kamen und irgendetwas in ihre Richtung riefen. Einmal mehr bereute Erik, dass er dem Französischunterricht nie wirklich viel Beachtung geschenkt hatte. Den eigenen Blick zu Berger konnte er nicht unterdrücken. Der warf den Leuten lässig irgendeine Erwiderung an den Kopf, bei der diese prompt den Mund zuschnappten und sich wieder an die Arbeit verzogen.
‚Bei dem hättest du Französisch nicht abgewählt.‘
Schnell schloss Erik die Augen und senkte den Kopf. Das war kein Gedanke, den er ausgerechnet jetzt verfolgen sollte. Bis zur Abfahrt war nicht mehr viel Zeit. Ganz sicher wollte Erik nicht mit den just in diesem Moment in ihm aufsteigenden Bildern für vierzig Minuten neben Berger sitzen.
Wobei ja niemand sagte, dass er sich nicht einen anderen Platz suchen konnte. Verstohlen blickte Erik zu Berger, der sich inzwischen erwartungsgemäß die Zigarette angesteckt hatte und eifrig daran zog. Für eine Sekunde zuckte Erik durch den Kopf, dass er Sophie fragen müsste, ob er neben ihr sitzen könnte. Die Vorstellung gefiel ihm aber auch nicht wirklich.
‚Hanna nimmt sicherlich gern deinen Platz ein.‘
Das beschissene Gefühl in Eriks Bauch wurde stärker. Vor ein paar Tagen waren es die Fantasien über diesen Blödmann gewesen, die ihn gequält hatten, jetzt waren es dessen Worte. Da wünschte Erik sich prompt das Heimkino im Kopf zurück. Das war zwar mitunter lästig, allerdings nicht so nervig. Und wie man am gestrigen Morgen gesehen hatte, gab es immer noch neue Fortsetzungen, die er bisher nicht gekannt hatte.
„Es ist Zeit“, meinte Berger beiläufig. Überrascht sah Erik auf und stellte fest, dass sein Lehrer bereits mit den Händen in den Hosentaschen dastand und ihn erwartungsvoll anblickte. „Treffen ist in fünf Minuten am Bus.“
„Natürlich“, antwortete Erik nuschelnd. Bei der erfahrungsgemäß ungewöhnlich akkuraten inneren Uhr seines Lehrers konnte er sich den Blick aufs Handy sparen.
Wie schon am Morgen trottete Erik neben Berger her. Und genau wie auf dem Weg zum Frühstück, wuchs mit jedem Schritt ein ungutes Gefühl in seinem Inneren.
„Es wäre sicherlich gut, wenn Sie sich vom tiefen Wasser fernhalten würden“, meinte Berger beiläufig, kurz bevor sie die Hecke erreichten.
Erik stockte und biss die Zähne zusammen. Warum glaubte er eigentlich weiterhin, dass der Blödmann von Lehrer ihn nicht nur die ganze Zeit an der Nase herumführte und sich über ihn lustig machte? Wie bescheuert konnte dieser irre Teil in ihm eigentlich sein, der weiterhin darauf hoffte, dass da ...? Erik schnaubte über seine eigene Unfähigkeit, das überhaupt erst einmal in Worte zu fassen.
‚Und du hast überlegt, Journalismus zu studieren.‘ Noch etwas, das er ohne Berger nicht einmal in Betracht gezogen hätte.
„Erik?“
„Warum tun Sie das?“, presste er heraus.
Als Erik aufblickte, glaubte er Verwirrung in Bergers Blick zu sehen. „Ich nahm an, dass Sie nicht vor dem ganzen Kurs eine weitere Panikattacke riskieren wollen“, antwortete dieser emotionslos.
Erik fuhr zusammen. Hatte Berger das tatsächlich nicht schnippisch gemeint?
„Es sei denn, Sie wollen es unbedingt drauf anlegen, dass Sie ein netter Rettungsschwimmer aus dem Wasser zieht.“
‚Arschloch!‘
Nein, er hatte sich nicht geirrt. Bestimmt nicht. Das war garantiert ein beschissenes Grinsen, das schon wieder an Bergers Lippen zog. Bevor Erik auch nur über eine Erwiderung nachdenken konnte, hatte sich der blöde Lehrer jedoch bereits umgedreht und war hinter der Hecke verschwunden.
‚Er provoziert schon wieder!‘, dachte Erik bei sich, hatte aber keine Ahnung, wie er damit umgehen sollte.
Nur zu gern wollte er Berger zeigen, was diese beschissenen Sprüche in ihm auslösten. Aber das wäre falsch und egal, wie sehr der Blödmann ihn reizte. Die Wut, die Erik am Anfang des Schuljahres verspürt hatte, wollte ohnehin nicht zurückkommen. Zudem er diesen ganzen Mist, der in ihm tobte, allmählich nicht mehr einordnen konnte.
In der einen Sekunde wollte Erik dem Blödmann eine reinhauen für diese verdammten Sprüche. Gleichzeitig drängte es ihn danach, Berger gegen die Wand zu pressen und sich endlich wenigstens den beschissenen Kuss zu holen.
Wie würden sich die Lippen wirklich anfühlen? Was würde Berger sagen, wenn Erik sich endlich holte, was er wollte? Würde er einfach dastehen und es geschehen lassen? Ihn wegstoßen?
Erik starrte auf die Hecke, hinter der Berger verschwunden war. Er brauchte eine Antwort. Wenigstens diese eine.
‚Und dann?‘
„Scheiße ...“
✑
Natürlich saß Erik im Bus nicht neben Sophie, sondern auf dem gleichen Platz wie bei der Anreise. Wohlgemerkt nicht, weil ihn irgendjemand dazu gezwungen hätte. Nein, der Grund war deutlich simpler. Erik war schlicht zu feige gewesen, Sophie deshalb anzusprechen.
Die stand nämlich inmitten ihrer Freundinnen und Sandro nur zwei Meter daneben. Sicher wollte Erik unter diesen Umständen nicht dorthin gehen und möglichst nett fragen: „Hey, könnte ich bitte bei dir sitzen, damit ich nicht neben dem Blödmann festhänge, der mich seit Monaten in die sexuelle Frustration treibt?“
Okay, vermutlich wäre es eine verflucht miese Idee gewesen, genau diese Worte zu wählen – egal ob Sandro und die Weibertruppe daneben standen oder nicht. Um exakt zu sein, wäre es definitiv eine reichlich blöde Idee. Letztendlich war der Mangel an Alternativen also der Grund, warum Erik schon wieder am Fenster neben Berger saß und hinaus starrte. Das und natürlich die Tatsache, dass ein winzig kleiner Teil von Erik die Nähe von dem Kerl weiterhin gar nicht so mies fand. Jedenfalls so lange der die Klappe hielt.
‚Und keinen Trockensex mit irgendwelchen Franzosen auf der Promenade betreibt.‘
Erik schloss die Augen und versuchte, nicht automatisch bei der Erinnerung an diesen Anblick zusammenzuzucken. Seine Lippen waren nur mehr schmale Striche, während er darum kämpfte, dass die Wut sich nicht im Bauch ausbreitete.
Dass sie da war, ließ sich aber nicht verhindern. Es fühlte sich schlicht beschissen an, dass so ein verfluchtes Arschloch da an Berger gepresst stehen und dem irgendwelchen Mist ins Ohr flüstern konnte.
Und Erik selbst? Er hatte doch fast genauso dort gestanden. Auch wenn der Körperkontakt dabei quasi null gewesen war – bis zu dem Zeitpunkt, als Berger ihn von sich weggedrückt hatte. Trotzdem hätte er sich nur vorbeugen müssen. Oder die Hand ausstrecken.
‚Berger hat völlig recht. Es ist nur Neugier.‘ Aber auch dieser Gedanke versetzte ihm einen weiteren Stich.
„Bis zum Ende der Woche wird sich die Sache von selbst erledigt haben.“
Erneut musste Erik darum kämpfen, um sich nichts anmerken zu lassen.
‚Vielleicht hast du bis zum Ende der Woche tatsächlich deine Antworten und diese Quälerei ist vorbei‘, versuchte Erik sich einzureden.
Wenn er Berger nicht mehr sah, würde es vielleicht sogar schaffen, sich den Blödmann aus dem Kopf schlagen. Denn letztendlich war der nun einmal Eriks verdammter Lehrer. Denen machte man wenn überhaupt nur zum Spaß schöne Augen. Weil alle Beteiligten ohnehin genau wussten, dass da nie irgendwas passieren würde. Durfte.
Einem Lehrer konnte Erik aus zwei Metern Abstand von seinem Platz in der ersten Reihe aus auf den Hintern starren und sich vorstellen, wie seine eigenen Hände darüber glitten. Da war es vielleicht nicht ganz angemessen, aber vermutlich auch nicht völlig unnatürlich, wenn Erik sich über das Bild von dem Kerl unter der Dusche einen runterholte.
Womöglich war es sogar noch tragbar, dass Erik ihm verdammte Aufsätze schrieb – wie er Berger auf dem Küchentisch rammelte. Oder auf dem Lehrertisch im Klassenzimmer. War schließlich nur ein dämliches Hirngespinst.
Aus dem Augenwinkel sah er zu seinem Sitznachbarn, der zusammengesunken und mit geschlossenen Augen neben ihm saß. Erik biss die Zähne zusammen und versuchte, das verdammte Rumoren in seinem Bauch im Zaum zu halten.
Das Gefühl, dass dieses französische Arschloch gestern Abend seine Wichsgriffel an dem gehabt hatte, was Erik gehören sollte, war vermutlich nicht mehr okay. Genauso wenig wie das beschissene Brennen, wenn er daran dachte, dass ihm hier rein gar nichts gehörte. Und nie gehören würde. Oder Erik zumindest niemals herausfinden würde, ob es jemals eine Chance gegeben hätte, dass ...
‚Hör auf!‘, zischte der Quälgeist berechtigterweise. ‚Du kennst ihn nicht einmal.‘
Ja, und Erik würde ihn auch nicht kennenlernen. Denn Berger hielt ihn für ein unreifes Kind. Niemanden, mit dem der Mann eine Beziehung auf Augenhöhe führen könnte.
Schnell drehte Erik den Kopf weg und sah erneut aus dem Fenster. Er musste aufhören, so über einen Lehrer zu denken. Berger hatte recht – wie so oft. Es war nur eine Illusion. Eine verdammte Sexfantasie. Die hatte Erik früher doch auch schon gehabt. Zugegeben nicht in der Häufigkeit und mit deutlich weniger persönlich bekannten Gesichtern. Um genau zu sein, waren die meistens der früheren Protagonisten eher recht gesichtslos gewesen. Vorwiegend, weil der Fokus von Eriks Fantasien weniger auf den Gesichtern der Beteiligten gelegen hatten.
„Nur noch fünf weitere Tage“, murmelte Erik kaum hörbar. Nach dem Abiball würde er Berger nicht mehr wiedersehen.
Bevor seine Gedanken sich weiter verknoten oder die Eingeweide von imaginären Messern vollkommen zerfetzt werden konnten, erreichten sie glücklicherweise endlich den Badepark. Erik seufzte leise und schnappte sich, nachdem der Bus gehalten hatte, seinen Rucksack, um Berger und den anderen hinaus zu folgen. Zwar hatte er nicht wirklich Interesse daran, hier zu sein, trotzdem blickte Erik sich neugierig um.
Im Grunde war ihnen der Park als Spaßbad verkauft worden. Allerdings war es nicht nur ein Hallenbad mit Rutschenlandschaft, wie Erik es aus früheren Ausflügen kannte. Der größte Teil des Bades war offenbar ein riesiges Freibadareal. In Anbetracht der gigantisch erscheinenden Rutschentürme, die man über die Mauer hinweg sehen konnte, erschien Bergers Rat, sich vom tiefen Wasser fernzuhalten, schlagartig verdammt vernünftig.
‚Wenn Sandro und die Affen herausfinden, dass du ein Problem mit tiefem Wasser hast ...‘
Hastig drängte Erik den Gedanken zurück. Immerhin hatte der Blödmann von Lehrer genau das vor ihrer Abfahrt angesprochen gehabt. Insofern Berger es den Idioten nicht auf die Nase band, bestand in der Hinsicht jedoch keine wirkliche Sorge. Verstohlen sah Erik einmal mehr zu ebendem hinüber.
Der war wie so oft damit beschäftigt, die Schüler zu zählen und einigermaßen beieinander zu halten. Frau Hirvi schien ihn dabei mehr schlecht als recht zu unterstützen, während Frau Farin bereits zur Kasse unterwegs war, um die Eintrittskarten zu kaufen. Das Geld dafür war in der Summe eingerechnet, die sie im Voraus bezahlt hatten. Deshalb war dieser Teil deutlich schneller erledigt, als es Erik recht war.
Zumindest bestand der sich schon wieder in seinem Magen bildende Felsbrocken darauf, dass Erik lieber woanders sein sollte. Wo genau war dabei reichlich nebensächlich. So lange es nicht in der Nähe eines Gewässers war. Ganz offensichtlich bestand diese Möglichkeit jedoch nicht, denn der Rest des Kurses schien hellauf begeistert zu sein von der Aussicht, sich die Rutschenlandschaft hinabzustürzen. Dabei hatte Erik Rutschen früher geliebt. Je höher und schneller, desto besser.
‚Als Kind hast du auch noch Mickey Maus gelesen und fandest das toll.‘
Erik atmete tief durch und betrat als einer der Letzten unter den wachsamen Augen seines persönlichen Blödmannes den Badepark. Die Masse der Schüler begann bereits, sich begeistert über das Areal auszubreiten, während die beiden Lehrerinnen ihnen hinterherriefen, dass sie möglichst in Gruppen zusammenbleiben sollten.
Bei der verwendeten Wortwahl betrachtete es Erik hingegen als durchaus im Rahmen, wenn er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machte. Letztendlich konnte er hier drinnen ja wohl kaum verloren gehen. Und vor dem Bad selbst gab es augenscheinlich auch nicht wirklich etwas, wohin Erik sich verkrümeln konnte. Dann lieber drinnen ein ruhiges Plätzchen suchen und die Zeit absitzen.
‚Im Grunde wie in der Schule‘, sagte Erik sich selbst und versuchte weiterhin, irgendetwas Positives an diesem Ausflug zu finden. Womöglich würde er endlich seine mitgebrachte Leselektüre beenden. Das klang zumindest nicht sehr negativ.
Linkerhand war ein größeres Gebäude zu sehen, in dem sich vermutlich der Innenbereich befand. Da der Rest des Kurses nicht dorthin unterwegs war, überlegte Erik kurz, ob er sich dort verkriechen sollte. Letztendlich wäre es aber genau das – ein Verkriechen. Und bei dem anhaltend guten Wetter hatte Erik da so gar keine Lust drauf. Also folgte er dem Rest des Kurses den schmalen, ausgetretenen Weg entlang in Richtung Strand.
Je näher Erik diesem kam, desto deutlicher wurde, warum das hier als ‚Badepark‘ bezeichnet worden war. Mit der Vielzahl an verschiedenen Rutschen, Sprungtürmen und Becken, wirkte es in Teilen eher wie ein Vergnügungspark, als wie ein Freibad. Obwohl das Areal direkt neben dem ansonsten ja kostenlosen Strand lag, hatten sich bereits etliche zahlende Besucher hier drinnen eingefunden.
Der Großteil von Eriks Mitschüler sowie die beiden Lehrerinnen waren vorausgegangen. Ein paar Meter vor ihm lief Berger, umschwärmt von Hanna und ihren Freundinnen. Vermutlich hofften die, dass sie heute endlich einmal einen Blick unter die wie üblich langärmligen Klamotten werfen konnten.
‚Die werden garantiert enttäuscht‘, dachte Erik bei sich und konnte das Schmunzeln nicht verstecken.
Dass ihr Deutschlehrer heute nicht blankziehen würde, war geradezu unausweichlich. Immerhin hatte der schon früh am Morgen die Badeklamotten getragen. Die ließen zwar der Fantasie nicht mehr viel Spielraum, verhüllten aber dennoch weiterhin eindeutig zu gut.
„Uhm, Erik?“, fragte mit einem Mal eine leicht piepsige Stimme neben ihm. Überrascht sah er zur Seite, nur um dort einmal mehr Sophie vorzufinden. Kapierte die Frau es eigentlich nicht oder was war ihr Problem? „Weißt du schon ... wo du ... hin willst?“
‚Ja. Raus hier‘, seufzte prompt der mentale Quälgeist. Erik konnte sich allerdings gerade noch beherrschen, das nicht laut zu sagen.
Stattdessen quälte er sich ein Lächeln ab und schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich. Ich glaube, ich such mir ein nettes Plätzchen im Schatten und sehe anschließend weiter“, antwortete Erik, um Freundlichkeit bemüht. Die Frau musste ja schließlich langsam kapiert haben, dass er kein Interesse hatte.
„Oh, Schatten klingt gut“, beeilte sich Sophie allerdings mit einem Lachen zu versichern.
Von irgendwoher konnte Erik ein genervtes Stöhnen hören. Da er sich ziemlich sicher war, dass es nicht von ihm gekommen war, sah er sich verwundert um. Abgesehen von den beiden Mädchen, die Sophie bereits am Vorabend mit zur Party begleitet hatten, war aber niemand zu sehen.
„Na dann los!“, forderte Sophie derweil Erik mit einem breiten Lächeln auf.
Ruckartig zog sie ihn kurz darauf am Arm mit sich nach vorn. Erik versuchte, sich einzureden, dass er nur zu überrascht gewesen war. Und dass das der einzige Grund war, warum er sich nicht wehrte, als sie ihn mit sich und der Weiberrunde rund um Berger herum mitschleifte. Denn ganz sicher wollte Erik nicht in der Nähe von dem blöden Lehrer bleiben.
Deshalb hatte er auch keine Ahnung, wie es passieren konnte, dass er fünfzehn Minuten später unter einem Sonnensegel auf einer verfluchten Strandliege lag. Rechts neben Erik lag Sophie, die irgendwelches Zeug vor sich hin laberte und irgendwo hinter ihm Berger. Den konnte er nicht einmal sehen. Dafür der Blödmann Erik umso besser.
‚Scheiße, das war irgendwie anders geplant.‘