Gerade als Chris und Elon sich zurück in die Klasse begeben wollten, erblickte der schwarzhaarige Mila, wie sie auf einer Bank im Sitzen schlief.
„Meinst du sie schläft wirklich?", fragte Chris und starrte Mila förmlich an. Elon folgte dem Blick seines Freundes und zuckte die Schultern.
„Anscheinend ist das Rotkäppchen im falschen Märchen gelandet", meinte dieser und musste schmunzeln bei dem Gedanken, dass die Musterschülerin schlecht hin auf einer Schulbank nächtigte.
Gleichzeitig war er aber auch neugierig, ob sie wirklich schlief, denn das passte nicht zu ihr. Es wirkte irgendwie falsch.
„Sollen wir sie einfach dort sitzen lassen?", fragte Chris unsicher.
„Ich bin mir sicher, dass sie nur so tut, damit du sie ansprichst. Ich hab sie erst letztens am See getroffen und sie hat total von dir geschwärmt", erklärte Elon und klang sogar tatsächlich aufrichtiger als beabsichtigt. Doch immerhin war sie ihm ohnehin noch etwas schuldig.
Chris blickte ihn mit großen Augen an. „Ernsthaft jetzt?", wollte er wissen, weil er das irgendwie nicht glauben wollte. Aber es kribbelte in seinen Fingern zu ihr zu gehen.
Elon hatte Mühe ein ernstes Gesicht beizubehalten. Angestrengt presste er die Lippen aufeinander und nickte lediglich, um nicht grinsen zu müssen. Chris machte es ihm jedes Mal aber auch zu einfach. Doch selbst im Umgang mit Elon, obwohl sie sich seit dem Sandkasten kannten, war er unheimlich naiv.
Chris blickte noch einmal zu Elon, ehe er auf die schlafende Rothaarige zu lief.
„Hey", machte er und berührte sie an der Schulter, doch sie reagierte nicht. Ein wenig verwirrt blickte er zu Elon.
Dieser stand einige Schritte hinter ihm, als würde er den Liebenden ein wenig Privatsphäre genehmigen wollen. Er machte eine drängende Deutung in Milas Richtung, als würde er Chris dazu bewegen wollen offensiver zu sein.
Chris rüttelte ein wenig mehr an ihrer Schulter und sprach sie noch einmal lauter an. Mit Erfolg. Mila hob den Kopf und eine Hand, um sich die Augen zu reiben. Dabei war unschwer zu erkennen, wie blass sie aussah und wie orientierungslos sie sich umblickte.
„Ist alles okay bei dir?", fragte er ein wenig besorgt und ging vor Mila in die Knie. Auch Elon wirkte verwundert über Milas Erscheinung und wandte sich zu den beiden um, blieb allerdings wo er war.
Mila hob den Blick und betrachtete Chris kurz, auch wenn dieser sich nicht sicher war, ob sie ihn überhaupt wahrnahm. „Ich weiß nicht", gab sie als Antwort von sich. Ihr Kopf fühlte sich an, als würde er gleich platzen.
„Du siehst schrecklich aus", stellte Elon mit verzogener Mimik fest.
„Wie fühlst du dich denn", fragte Chris besorgt und legte seinen Handrücken auf Milas Stirn um ihre Temperatur zu fühlen.
„Nicht gut", gab sie leise und mit rauer Stimme von sich.
„Ich glaube sie hat Fieber", bemerkte Chris leise. „Wir sollten sie zur Krankenschwester bringen."
Chris ließ wohl auch nicht mit sich verhandeln, denn ehe sich Elon versah, hatte er den Rotschopf auch schon auf die Beine gezogen und stütze sie so gut es ihm möglich war.
„Musst du immer so überaus hilfsbereit sein?", fragte Elon und nahm Milas Tasche, um den beiden ins Krankenzimmer zu folgen.
Mila gab sich Mühe richtig zu laufen, doch so wie sie sich an Chris festhielt war das kein gutes Zeichen.
Als die beiden Jungen sie schließlich ins Krankenzimmer brachten und auf eine Liege setzten, wirkte sie noch schlechter. Als würde sie jeden Moment zusammenbrechen.
Die junge Krankenschwester mit dem hellbraunen Teint, nahm sich auch sogleich der Schülerin an.
„Du bist neu in der Stadt oder? Vermutlich bist du das wechselnde Klima noch nicht gewöhnt, fragte die Frau, als sie Mila ein Thermometer reichte, damit sie es sich unter die Zunge legen konnte.
Mila nickte schwach und folgte den Anweisungen der Frau.
Während das Thermometer unter ihrer Zunge lag betrachtete diese Milas Augen und Ohren.
Schließlich holte sie das Thermometer hervor. „38.9 keine gute Temperatur", stellte sie fest. „Du gehörst ins Bett."
Sorgfältig packte sie das Thermometer in eine kleine Schale um diese in ein Waschbecken zu stellen, ehe sie Mila ein paar Taschentücher reichte, da diese wiederholt schniefte.
„Hast du jemanden, der dich abholen kann?", fragte die Krankenschwester.
„Elon wohnt neben ihr, er kann sie sicher fahren", meinte Chris und deutete auf den Blonden, der teilnahmslos im Türrahmen gewartet hatte und nun Chris irritiert anblickte.
„Würdest du das tun Elon?", fragte die Krankenschwester und begann damit das Thermometer zu desinfizieren und zu waschen. Dieser seufzte und kratzte sich den Hinterkopf.
„Ich denke ich kann es einrichten für eine Entschuldigung im Unterricht", murmelte dieser und blickte zu Mila.
Sie hatte die Lider ein wenig gesenkt und sah aus, als würde sie gleich wieder einschlafen.
Die Krankenschwester nickte zustimmend.
„Ich helfe dir sie zum Auto zu bringen", bot Chris an und trat auf Mila zu, um dieser dabei zu helfen aufzustehen.
Doch Elon wank Chris ab und stützte Mila selbst. „Nein schon okay. Geh du zurück in den Unterricht, ich schaff das schon", erklärte Elon und warf seinem Freund nochmal einen bösen Blick zu, dafür dass er das schlafende Rotkäppchen nach Hause fahren musste.
„Danke", murmelte Mila, die scheinbar doch nicht so weggetreten war, wie Elon angenommen hatte. Sie schien einfach nur schwach und sie war sehr warm.
Elon antwortete nicht, doch schien überrascht über die plötzliche Dankbarkeit der Rothaarigen. Langsam und mit Bedacht vorsichtigen Schritten, führte er die Kranke zu seinem Auto, um sie auf der Beifahrerseite einsteigen zu lassen.
Ihr war anzusehen, dass selbst diese einfache Aufgabe ihr Mühe machte und nicht nur einmal hustete sie rau. Doch schließlich saß sie und Elon konnte einsteigen, um sie nach Hause zu fahren.
„Wehe du steckst mich mit deinen Keimen an", warnte er, als er die Tür schloss und den Motor anließ. Mila hing dagegen schlaff auf ihrem Sitz, während ihr Kopf an der kühlen Fensterscheibe lehnte.
Sie öffnete den Mund, als würde sie etwas sagen wollen, doch es kam nur ein Husten hervor, das sie sofort mit ihrer Hand abfing.
Elon blickte Mila vielsagend an, bevor er seufzend das Gesicht verzog und vom Parkplatz fuhr. „Vergiss es, dafür ist es wahrscheinlich sowieso schon zu spät."
„Tut mir leid", murmelte sie und seufzte. Sie wollte einfach nur schlafen und ihr Kopf schien zu platzten. Es ging ihr so schlecht, dass sie nicht einmal bemerkte, wie schnell Elon bei ihr zuhause ankam und anhielt.
„Soll ich dich noch reinbringen?", fragte Elon nach einer Weile, als er merkte, dass Mila keine Anstalten machte auszusteigen und ihr Haus aufzusuchen. Was sollte das denn werden? Er wollte doch nur seinen wohlverdienten freien Tag genießen.
„Ja, bitte. Es ist niemand zuhause", erklärte sie leise.
Schmunzelnd hob Elon eine Braue und blickte zu dem weißen Haus, mit dem kunstvollem Vorgarten, was Mila ihr zu Hause nannte.
„Hast du Angst allein?", fragte er lachend und stieg aus, um Mila aus dem Auto zu helfen.
„Ich möchte nicht, wenn ich zusammenbreche, fünf Stunden auf Hilfe warten müssen. Das möchte ich nicht nochmal", erklärte sie leise und erinnerte sich daran zurück, dass sie schon einmal krank und allein gewesen war. Damals war sie auch mit Fiber zuhause gewesen und hatte sich lediglich ein Glas Wasser holen wollen. Sie war gestürzt und nicht wieder hochgekommen.
„Vielleicht sollten dich deine Eltern in ein Altersheim geben. Die haben da Knöpfe für sowas", erwiderte Elon und warf sich Milas Tasche über die Schulter, ehe er ihr aus dem Wagen half und zum Haus der Nadasdys hinüberging. Der Weg war bereits vom Schnee geräumt und die Sonne ließ die letzten Reste des gefrorenen Wassers dahinschmelzen.
Mila lachte leise. „Für ein Altersheim bin ich zu jung", erwiderte sie leise und lehnte sich etwas an Elon.
„Sag bloß", meinte Elon schmunzelnd und kam vor der Haustür zum Stehen. „Wo hast du deine Schlüssel?", fragte der Blonde und zog Milas Tasche hervor.
„Irgendwo da drin", murmelte sie, weil sie nicht genau wusste, wo er eigentlich war. Sie hatte ihn heute Morgen in ihre Tasche getan. Da war sie sich fast sicher.
Elon folgte ihrer Aussage und wühlte neugierig in Milas Tasche herum, ehe er einen Schlüsselbund fand, den er Mila vor die Nase hielt. Immerhin war es ihr Haus und er wollte nicht, dass Clarice ihm unterstellte, er wäre bei ihnen eingebrochen.
Mila griff ein wenig zittrig nach dem Schlüsselbund und wählte dann den richtigen aus, ehe sie versuchte diesen in das Schlüsselloch zu bekommen. Doch das war gar nicht so einfach, da sich vor ihren Augen noch immer alles drehte.
„Das ist ja traurig mit anzusehen", murmelte Elon und griff Milas Hand, um diese zu ihrem Ziel zu führen, als die Tür auch schon mit einem Klicken zur Seite schwang.
Elon betrat mit Mila das Haus und sein Blick fiel auf die Treppe. Er wusste, dass Milas Zimmer im ersten Stock lag und er war sich nicht sicher, ob es gut war, wenn sie allein die Treppe nach oben ging.
Also machte er sich auf den Weg, mit Mila im Schlepptau, die Treppe zu erklimmen und sie ins Bett zu bringen.
„Wann kommt denn deine Mutter nach Hause?", fragte er und stieß die Tür zu Milas Zimmer auf.
„Heute Abend gegen 18 Uhr", erklärte sie und hustete erneut. „Anna hat heute frei", fügte sie leise hinzu, denn die Haushälterin war ebenfalls nicht anwesend.
„Da hat sich Anna ja den besten Tag ausgesucht", erwiderte Elon angestrengt, als er Milas Beine ins Bett hievte. Fast so, als wüsste er, wer Anna überhaupt war. Doch im Augenblick war es wohl auch irrelevant. „Soll ich... irgendwas machen?", fragte er unsicher und setzte Milas Tasche neben ihrem Bett ab.
„Könntest du mir vielleicht einen Tee machen?", fragte Mila und blickte ihn mit großen, bittenden Augen an. Ihr Hals tat so weh und sie hatte Durst.