Mit offenstehendem Mund blickte Chris seiner rothaarigen Angebeteten hinterher, wie sie mit Mario und seinem Anhängsel wieder in der Schule verschwand.
Ohne den Blick von der Gruppe abzuwenden tastete er blind neben sich nach Elon, der irritiert Chris Hand aus seinem Gesicht schlug.
„Hast du das gehört? Mila geht morgen zu einer von Marios Partys!", rief er begeistert aus, doch Elon schien lediglich genervt und versuchte ihn zu ignorieren, indem er die Nase in seinem Buch hielt.
„Ja, na und?", fragte er murmelnd und kaute auf einem Stück Trockenfleisch herum, was Chris mitgebracht hatte.
„Ich habe noch nie gesehen, dass sie zu einer Party geht! Da habe ich endlich die Gelegenheit mich mit ihr zu unterhalten, ohne dass es seltsam wirkt", erklärte Chris, der scheinbar seine eigenen Pläne hatte, um an seine Angebetete zu kommen. Auch wenn er nicht wusste, ob er sich trauen würde sie anzusprechen. Aber zumindest konnte er sie beobachten. Sie war sicherlich super im Tanzen.
Elon schielte unauffällig von seinem Buch zu Chris, um zu sehen, ob er das wirklich ernst meinte. „Du kannst sie doch auch in der Schule ansprechen. Und du hast wohl vergessen, dass die Party bei Mario ist. Hältst du das wirklich für eine gute Idee?", fragte Elon mit besorgtem Unterton und wandte den Blick wieder auf die Seiten.
„Ach", machte Chris beschwichtigend und schien Elons Bedenken zerstreuen zu wollen. „Zwei mehr, werden Mario nicht auffallen. Der läd doch sowieso fast die ganze Schule ein. Als würde er sich dran erinnern, wen er nicht eingeladen hat", meinte Elons Freund aufgeregt und schien schon zu planen, wie er die Party sprengen konnte.
Elon seufzte. Er kannte seinen Freund bereits seit Jahren und wusste wie er war, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Der Blonde packte sein Buch in die Schultasche, um sich diese auf die Schulter zu schwingen.
„Ich denke so einige Dinge vergisst er nie, wie du weißt", meinte er und erhob sich, um in das Schulgebäude zu laufen.
„Ach komm schon, das wird bestimmt lustig", versuchte es Chris noch einmal und hoffte seinen Freund so zu überzeugen. Es war lange her, dass sie eine Party von Mario gesprengt hatten.
Wegen eines Problems zwischen Mario und Elon waren sie nämlich nie eingeladen.
Vielsagend hob Elon eine Augenbraue und blickte seinen Freund anklagend an. „Eine Bedingung", meinte er und hob demonstrativ den Zeigefinger in die Luft. „Du trinkst nichts. Du wirst immer schnell... peinlich, wenn du trinkst", meinte Elon und verzog unwillig den Mund.
Chris blickte ihn überrascht an und verzog dann ein wenig den Mund. „Na gut", gab er sich geschlagen, da er wusste, dass Elon nicht mit sich verhandeln lassen würde. Leider. Dabei hatte er doch gehofft, dass er es vielleicht sogar schaffte Mila abzufüllen.
„Und lass mich bloß nicht allein stehen. Immer wenn jemand irgendwo allein rumsteht, sehen sich Leute dazu gezwungen, diese anzusprechen", meinte er und erinnerte sich noch sehr gut daran zurück, wie Chris nach kaum zwei Minuten immer in der Menge verschwunden war.
„Ich gebe mir Mühe", versicherte er und würde ihm wohl fast alles versprechen. „Aber dann darfst du mich nicht stören, wenn ich versuche an sie ranzukommen", meinte nun Chris, weil er sich nicht von Elon stören lassen wollte.
Elon unterdrückte ein Auflachen und presste die Lippen zusammen. „Keine Sorge, ich werde sicher nicht der Grund für dein Scheitern sein", versprach er und schien gespielt ehrfürchtig. Auch wenn Chris von sich selbst ein Bild hatte, als wäre er die Dominanz in Person, so war er doch in solchen Situationen ein reines Nervenbündel.
Außerdem würde Elon ihn ein wenig schubsen müssen, damit dieser sich endlich traute. Aber vielleicht war das auch gar nicht nötig, immerhin hatte er noch einen Gefallen bei Mila, die diesen nur noch umsetzen musste. Dann würde schon alles seinen geregelten Gang gehen.
„Das will ich auch hoffen. Es reicht schon, dass Mario mir Steine in den Weg legt", erklärte Chris grummelnd.
„Ich glaube nicht, dass Mila Mario dir vorziehen würde, wenn sie die Wahl hat. Als ich sie nach Hause gefahren hab, hat sie nur von dir gesprochen", erklärte Elon, wobei es ihm leichter fiel, eine neutrale Miene zu behalten, als gedacht. Immerhin stimmte es auch ein wenig. Worüber genau das Gespräch über Chris ging war ohnehin unwichtig.
„Ach, du nimmst mich auf den Arm. Sie hat mich seitdem keines Blickes mehr gewürdigt. Ich glaube sie war nicht erfreut, dass ich sie nicht heimgefahren habe", erklärte er und ärgerte sich, dass er Elon hatte den Vortritt lassen müssen. Immerhin hatte er kein Auto zur Verfügung.
„Ja, ich glaube auch, dass sie traurig war. Aber...", setzte Elon bedacht langsam an und dachte eine Weile nach. „... ich hab ein gutes Wort für dich eingelegt", beließ Elon es dann doch dabei. Er wollte es wohl nicht übertreiben. Auch wenn es sicher lustig wäre.
Chris wollte noch etwas sagen, doch Elon schob ihn in den Unterrichtsraum. Weil ihn jetzt jeder hören konnte, hielt er den Mund und machte stattdessen gedanklich seine Pläne für den Abend. Gut, dass er das Motto gehört hatte, dann konnte er sich vielleicht so verkleiden, dass er nicht sofort erkannt wurde.
Nur würde es wohl schwieriger werden, Elon dazu zu bringen nicht aufzufallen. Auch wenn Chris es ihm oft genug gesagt hatte, war er gesellschaftlich gesehen doch recht unflexibel. Er verstellte sich nicht gerne, auch was seine Kleidung anging.
Ihn also dazu zu bringen, ein Kostüm zu tragen, würde nicht einfach werden. Jedoch würde Chris schon irgendwas einfallen. Aber ob das bis Samstag noch zu schaffen war, war fraglich. Er selbst hatte schon ungefähr eine Idee. In Venedig trug man zum Karneval eine Maske. Diese würde er nutzen. Irgendwo hatte er noch eine rumliegen, da war er sich sicher. Er musste nur die Kisten auf dem Dachboden plündern.
Und wenn er es richtig anstellte, könnte er ihn durchaus dazu bringen seinem Willen zu folgen. Immerhin war Elon nicht der einzige, der über die Jahre den anderen studiert hatte. Auch Chris hatte sich so einiges gemerkt.
Die Stunde schleppte sich nur so und als es endlich klingelte, konnte Chris gar nicht erwarten, den Raum mit Elon zu verlassen, um einen Plan für die Party zu schmieden.
Kostüme waren dabei das wichtigste Thema.
Als Elon in Chris Auffahrt parkte, sprang der Schwarzhaarige überschwänglich aus dem Wagen und begab sich gemeinsam mit Elon in das Haus seiner Familie. Bereits jetzt waren, wegen der kommenden Hochzeit, so viele Verwandte zu Besuch, dass Chris es eigentlich mied zu Hause zu bleiben und lieber zu Elon ging, doch morgen war ein wichtiger Tag!
„Ich werde mir sicher nichts mit Paletten anziehen", erklärte Elon endgültig und ließ sich auf Chris Bett fallen.
„Das musst du doch auch nicht", meinte Chris und wank ab. „Es muss nur bunt sein und glitzern. Da findet sich sicher auch etwas anderes, was dir steht", meinte er und öffnete seinen Kleiderschrank, ehe er darin herumwühlte.
Dort fanden sich alle möglichen seltsamen Kleidungsstückte und sogar ein Hexenhut wurde auf den Boden geworfen. Halloween war eben Chris liebstes Fest.
„Sieh mich an Chris. Seh ich aus wie jemand, der bunte, glitzernde Sachen mag?", fragte er unverständlich und zog demonstrativ an seiner Jeansjacke.
„Niemand sagt, dass du es mögen musst", erklärte Chris abwinkend, als würde Elons Meinung ihn nur wenig interessieren. „Hier, das könnte was für dich sein", meinte er schließlich leicht triumphierend und reichte Elon eine rote Weste, die am Rand mit einigen Perlen bestickt war.
Elons Gesichtsausdruck blieb nüchtern und regte sich kein bisschen.
„Wieso muss ich mich denn verkleiden? Du bist doch der, der Milas Aufmerksamkeit auf sich ziehen soll."
Chris verdrehte die Augen. „Wir sind nicht eingeladen, also sollten wir nicht auffallen. Wenn du dort in deinen normalen Klamotten hingehst, wirst du wohl nicht mal reingelassen", erklärte Chris und wirkte schon ein wenig genervt. Wie konnte man es nicht großartig finden, sich zu verkleiden? Das war ihm unbegreiflich.
„Die lassen die Türen doch sowieso immer offen sobald zu viele Leute ein und ausgehen", wank Elon ab, doch Chris ließ sich nicht beirren und warf dem Blonden die Weste einfach auf die Brust.
„Mach nicht so ein Theater und zieh sie morgen einfach an", meinte er unnachgiebig und fand auch etwas, das zu ihm passen würde. Eine ähnliche Weste wie die von Elon, nur länger und mit mehr Perlen und einige großen, goldenen Münzen verziert.
„Das Ding sieht aus, als würde ich zum Casting am Broadway gehen", demonstrierte Elon und hielt wenig begeistert die Weste hoch.
Chris ignorierte Elon einfach und zog sich seine Weste über. Sie passte perfekt. Damit konnte der Samstag kommen.