Südkalifornische Küste
Wie eine endlose Schlange wand sich der California Highway One oberhalb der Steilküsten durch die Landschaft. Seinen Erbauern schien es wichtig gewesen zu sein, dass sich die berühmteste Küstenstraße des Westens nie zu weit von den malerischen Stränden des Pazifiks entfernte, damit sich denjenigen, die sie befuhren, ein unvergleichlicher Panoramablick auf den meist von goldenen Sonnenstrahlen durchwirkten, schimmernden Ozean bot, und sich jeder Einzelne auch garantiert der Tatsache bewusst war, sich hier an einem der schönsten Orte der Welt zu befinden.
Die Sonne hatte bereits seit ein paar Stunden den Zenit überschritten und wanderte zielstrebig gen Westen, wo sie in den nahen Abendstunden einem glühenden Feuerball gleich am endlos scheinenden Horizont inmitten einer spektakulären Farbenpracht im Meer versinken würde.
Es war heiß, wie an den meisten Tagen hier in Südkalifornien, und wie fast immer wehte ein lebhafter Wind vom Ozean herüber und ließ die flirrende Hitze über dem heißen Asphalt der Straße tanzen, während er den Menschen zumindest scheinbar etwas Abkühlung bescherte, ohne jedoch auch nur im entferntesten gegen die gnadenlose Kraft der Sonnenstrahlen anzukommen.
Jack Bennet spürte nichts von der Hitze.
Er flog auf seiner Kawasaki über den Highway, ließ den Motor singen und schien eins mit der schweren Maschine zu sein. Mit geübter Sicherheit lotete er die unbändige Kraft seines Bikes aus und genoss den Fahrtwind ebenso wie das herrliche Gefühl der Schwerelosigkeit, das ihm für kurze Zeit ein Stück der berühmten großen Freiheit schenkte.
Er war auf dem Heimweg von der Blackmore University in Los Angeles, wo er sich bei seinem Mentor neue Themen für sein Jura - Fernstudium abgeholt hatte.
Jacks Hochgefühl währte nicht lange, denn wie an jedem Tag um diese Zeit schleppte sich eine zähe Blechlawine aus Richtung der Millionen-Metropole gen Süden.
Rushhour.
Jeder wollte schnell nach Hause.
Der übliche Feierabendverkehr zwang Jack seine Geschwindigkeit erheblich zu drosseln. Irgendwann hatte er die Ausweichmanöver und die ständigen Bremsleuchten vor sich satt. Kurzentschlossen nahm er die nächste Ausfahrt und setzte seine Fahrt auf dem wesentlich ruhigeren Freeway fort.
Die breite Straße verführte dazu, erneut schneller als erlaubt zu fahren, aber Jack kannte die Strecke und die bevorzugten Radarfallen der Polizei genau und versuchte sich zumindest in diesen riskanten Regionen an das vorgeschriebene Limit von 65 mph zu halten. Zwischendurch jedoch erlag er immer wieder der Versuchung, drehte auf und genoss erneut das Gefühl, fast schwerelos über den hitzeflimmernden Asphalt dahinzugleiten, bis der nächste Kontrollpunkt nahte.
Noch zwei Semester, dachte er zufrieden, dann war es geschafft und sein Jurastudium gehörte der Vergangenheit an. Über das, was danach kam, hatte er sich noch keine ernsthaften Gedanken gemacht. Vielleicht würde er zunächst versuchen, in einer gemeinschaftlichen Anwaltskanzlei sein erworbenes Wissen umzusetzen und praktische Erfahrungen zu sammeln, vielleicht würde er damit aber auch noch warten, denn sein derzeitiger Job als Sicherheitschef der CEC - CORPORATION, einer der größten Immobilienfirmen im Umkreis, machte ihm Spaß, und er verdiente gutes Geld, mit dem er nicht nur seine Auslagen am Campus bestritt.
Während Jack das Tempo etwas zurücknahm, weil wieder ein Kontrollpunkt nahte, schoss plötzlich wie aus dem Nichts ein weiteres schweres Motorrad mit aufheulendem Motor kurz vor der nächsten Kurve derart knapp an ihm vorbei, dass er dessen Luftzug zu spüren vermeinte und fast ins Schleudern gekommen wäre. Zu allem Überfluss schnitt ihn der Unbekannte noch, indem er unmittelbar vor ihm rasant in die andere Fahrspur überwechselte.
Jack musste stark abbremsen und versuchte fluchend, das Gleichgewicht zu halten, bevor er mehrmals warnend hupte.
Der unbekannte Motorradfahrer drosselte ebenfalls kurz die Geschwindigkeit, hob die Hand und machte eine obszöne Geste, während er gleich darauf unbeirrt mit Vollgas weiterraste.
„Mistkerl!“, fluchte Jack wütend und wünschte sich sehnlichst, dass die Freeway-Polizei zur Stelle sein möge, um sich an die Fersen dieses Verkehrsrowdys zu heften. Aber wie so oft in derartigen Situationen war in diesem Moment kein Police-Officer in Sicht, und der dreiste Motorradfahrer in seinem schwarzroten Lederanzug und dem in der Sonne glänzenden gleichfarbigen Helm entschwand in kamikazeartiger Geschwindigkeit hinter der nächsten Biegung.
Zuerst wollte Jack verbissen die Verfolgung aufnehmen, dann jedoch siegte die Vernunft. Sollte dieser Verrückte sich den Hals brechen, was ging es ihn an!
„Hol dich der Teufel“, knurrte er und nahm die nächste Abfahrt in Richtung seines Zielortes Destiny Beach.
Auf dem Freeway südlich von Los Angeles
„Idiot!“, rief Allison Tyler, als sie das wütende Hupkonzert hinter sich vernahm, hob mit geringschätzigem Grinsen kurz die Hand und streckte den Mittelfinger aus. Dann gab sie Vollgas und ließ den Kerl hinter sich in einer Wolke ungesunder Abgase zurück.
Die große Freiheit... Alli jagte ihr hinterher, ohne eigentlich zu wissen, was genau sie mit diesem Begriff verband, und ob es so etwas wie Freiheit jemals für sie geben würde. Sie wusste nur, dass irgendetwas sie unaufhörlich weitertrieb, ruhelos, ohne Ziel.
Drei Monate hatte sie am letzten Ort ausgehalten, eine Zeit, die ihr selbst endlos vorgekommen war.
Nun war sie wieder unterwegs, auf der Suche nach einem neuen Zuhause auf Zeit.
DESTINY BEACH stand auf dem Schild, das die nächste Abfahrt ankündigte.
„Schicksalsstrand...“, sinnierte Alli und lächelte unter dem Visier ihres Helmes.
Spontan einem inneren Gefühl folgend und ohne weiter zu überlegen, setzte sie den Blinker und fuhr vom Freeway ab, mitten hinein in die Stadt mit dem verheißungsvollen Namen.
Im Yachthafen von Destiny Beach
Jack befuhr die Mainstreet in Richtung Strand und wollte bereits in die Ocean Avenue abbiegen. Wie zufällig streifte sein Blick das bunte Treiben im Yachthafen, als er plötzlich jenen Motorradfahrer dort unten sah, über dessen riskantes Überholmanöver er sich vor ein paar Minuten auf dem Freeway maßlos geärgert hatte. Er stoppte seine Maschine, wendete kurzentschlossen und fuhr den Weg hinunter zur Kaimauer.
Den Kerl würde er sich kaufen...
Der fremde Motorradfahrer lehnte an seiner Honda und betrachtete interessiert die Umgebung, während er langsam den Verschluss seines Helms öffnete. Er schien Jack erst zu bemerken, als dieser kurz neben ihm stoppte und seine Maschine abstellte.
„Na Kumpel, nach deiner Fahrweise zu urteilen scheinst du wohl zu den potenziellen Organspendern zu gehören“, knurrte der junge Student angriffslustig und musterte den eher schmächtigen Burschen in seiner schwarzroten Lederkluft herausfordernd, während er seinen Helm abnahm und mit der Hand durch sein widerspenstiges dunkles Haar fuhr.
Der Unbekannte hielt kurz inne, klappte dann äußerst lässig sein Visier nach oben, und zwei braune Augen blitzten belustigt daraus hervor.
„Redest du mit mir?“
Jack schnaubte verächtlich.
„Mit wem denn sonst! Ich sehe hier nur einen Idioten, der sich nicht an die Regeln gehalten hat!“
Der Unbekannte ignorierte die Bemerkung und wies mit einer Kopfbewegung auf Jacks Kawasaki.
„Eine tolle Maschine, aber ein lausiger Fahrer. Das Bike ist zu schade für die Liga der Pensionäre!“
Jack holte tief Luft, um diesem unverschämten Kerl eine passende Antwort zu geben, als dieser sich mit einem energischen Griff seines Helms entledigte. Zum Vorschein kamen schulterlange, mit goldblond getönten Strähnchen durchwirkte braune Haare, die ein bemerkenswert hübsches Gesicht einrahmten.
Jack klappte buchstäblich der Unterkiefer herunter.
Ein Mädchen! Oder besser gesagt, eine junge Frau!
Und was für eine...
Die Bikerin schien seine Gedanken zu erraten, denn sie schüttelte ihre glänzende Haarpracht auf und maß ihn dabei mit einem herausfordernden Blick aus ihren beeindruckenden braunen Samtaugen.
„Hey... Was wolltest du eben sagen?“
Jack war gewiss nicht der Typ, der sich allzu schnell aus der Fassung bringen ließ, und deshalb hatte er sich auch sofort wieder unter Kontrolle. Zumindest äußerlich.
„Nichts. Warum auch, wenn du dich durch deine Fahrweise umbringen willst, nur zu.“
Er bemerkte, wie sich ihre Miene verdüsterte und fügte lächelnd hinzu:
„Allerdings wäre das verdammt schade.“
Sie ignorierte die Bemerkung und wandte stattdessen den Kopf in Richtung der Ortschaft.
„Destiny Beach... Ein eigenartiger Name für eine Stadt. Ist denn so schicksalhaft an ihr?“
Er grinste.
„Das musst du schon selbst herausfinden.“
Erstaunt hob sie die fein geschwungenen Augenbrauen.
„Ach ja?“
„Bleib eine Weile und dann wirst du sehen. Die Legende besagt...“
„Lass es“, unterbrach sie ihn ungeduldig. „Legenden sind etwas für Träumer. Ich glaube nicht an solchen Unsinn.“
„Und woran glaubst du, wenn ich fragen darf?“
„Um dir das zu erzählen, kennen wir uns nicht gut genug.“
Jack lächelte herausfordernd.
„Das können wir ändern. Die Stadt ist einmalig, und wenn du möchtest, zeige ich sie dir. Du kannst außerdem jeden Abend einen unvergleichlichen Sonnenuntergang am Strand erleben. Allein oder zu zweit, das liegt ganz bei dir.“
Sie erwiderte sein Lächeln nicht. Stattdessen legte sie ihren Helm auf der Sitzbank ihrer Honda ab und ließ ihren Blick erneut über den Strand wandern.
Jack nutzte den Augenblick und musterte sie heimlich von der Seite.
Sie hatte zarte, anmutige Gesichtszüge, die jedoch irgendwie angespannt wirkten, während sie aufmerksam ihre Umgebung betrachtete, als würde sie nach etwas suchen. Ihre ausdrucksvollen Augen, die ihm vorhin bereits aufgefallen waren, wurden von langen seidigen Wimpern umrahmt. Wenn sie die fein geschwungenen Lippen zu einem Lächeln verzog, bildeten sich zwei winzige Grübchen auf ihren Wangen. Er schätzte sie auf ungefähr Mitte Zwanzig.
„Also, was ist?", griff er sein Angebot noch einmal auf, als sie sich ihm Sekunden später wieder zuwandte. „Wie wäre es mit einer Stadtrundfahrt?“
„Nein danke, du fährst mir zu langsam“, erwiderte sie prompt.
Ihre coole Art faszinierte ihn irgendwie.
„Bist du zum ersten Mal hier in der Gegend?“, fragte er.
Sie nickte.
„Und hast du vor, länger zu bleiben?“, bohrte er beharrlich weiter.
Sie sah ihn mit einem Blick an, den er nicht so recht zu deuten wusste.
„Du stellst zu viele Fragen!“
Er lachte und streckte ihr die Hand entgegen.
„Ich bin Jack. Jack Christopher...“
„Allison“, antwortete sie knapp und erwiderte zögernd seinen Händedruck.
„Allison? Mehr nicht?“, fragte er sichtlich enttäuscht.
„Nein.“ Eilig entzog sie ihm ihre Hand, wandte sich um und griff nach ihrem Helm. „Ich muss weiter.“
Jack registrierte fast erschrocken, dass sie sich bereits auf ihr Motorrad schwang.
„Hey, wieso hast du es so eilig?“
Diesmal ignorierte sie seine Frage, also fügte er schnell hinzu: „Na ja, vielleicht könnten wir einen Kaffee zusammen trinken gehen oder so!“
„Vielleicht ein andermal“, erwiderte sie und startete den Motor.
„Heißt das, du bleibst länger in der Stadt?“
„Keine Ahnung."
"Okay, wie auch immer", lächelte Jack. "Wir werden uns sicher wiedersehen."
"Wie kommst du darauf, dass wir uns wiedersehen?", fragte sie etwas irritiert.
Jack hob bedeutungsvoll die Schultern.
"Du weißt doch, man begegnet man sich bekanntlich mehr als einmal im Leben.“
Sie sah ihn einen Moment lang nachdenklich an, dann klappte sie wortlos ihr Visier herunter, wendete und fuhr in einer rasanten Kurve davon, den feinen Sand, der auf dem Weg lag, in einer Staubwolke hinter sich aufwirbelnd.
Jack blickte ihr fasziniert nach, bis sie hinter der nächsten Biegung verschwunden war.
Am Strand
Als Nicklas Stevenson nach seinem ersten ausgiebigen Bad in den erfrischenden Wellen des Pazifischen Ozeans an den Strand zurück watete, hatte seine Verlobte es sich bereits auf dem breiten Strandlaken bequem gemacht und war eingeschlafen. Nicklas blieb einen Moment lang stehen und betrachtete Selina mit stolzem Blick. Sie sah gut aus mit ihrer für eine Afroamerikanerin typischen bronzefarbenen Haut und den dunklen Locken, die ihr fast bis zur Taille reichten. Ihr neuer olivgrüner Bikini, den sie sich kurz vor der Reise noch gekauft hatte, brachte ihre schlanke Figur äußerst vorteilhaft zur Geltung.
Die dunkle Sonnenbrille verdeckte ihre rehbraunen Augen, von denen er wusste, dass sie sehr eindrucksvoll und mitunter unergründlich wie tiefe Seen waren.
Nick neigte sich vorsichtig hinunter und schüttelte sich, so dass die Wassertropfen, die von seiner kaffeebraunen Haut und seinem kurzen schwarzen Haar abperlten, sie trafen.
„Iiih!“, rief Selina und richtete sich erschrocken auf. „Hey, das ist gemein!“
Lachend zog sie ihn zu sich herunter und gab ihm einen Kuss, den er nur zu gern erwiderte.
„Na, wie fühlst du dich?“, fragte er schließlich etwas atemlos und ließ sich neben ihr auf dem Laken nieder. „Das hier ist doch etwas ganz Anderes als unser ewig nasskaltes, trübes Wetter in Chicago, findest du nicht auch?“
Selina nahm die Sonnenbrille ab und warf ihm einen skeptischen Blick zu.
„Übertreib nicht, Chicago hat auch seine schönen Seiten“, meinte sie beschwichtigend.
Nick grinste.
Er wusste nur zu gut, wie schwer es ihr gefallen war, ihre Heimatstadt zu verlassen und ihm hierher zu folgen. Genau genommen hatte sie es nur für ihn getan, und das rechnete er ihr wirklich hoch an.
Letzte Nacht waren sie mit der ersten Maschine von Chicago nach L.A. geflogen, und von dort aus gleich weiter nach Destiny Beach gefahren, wo er in zwei Tagen seinen Dienst als neuer Chefarzt im Medical Center antreten sollte. Das war eine berufliche Chance, wie es keine zweite in seinem Leben geben würde, und er hatte sie ergriffen, ohne lange zu zögern. Von all dem, was er in Chicago zurückgelassen hatte, würde ihm nichts fehlen, dessen war er sich sicher.
Bei Selina war das anders.
Sie hatte alles für ihn aufgegeben, ihr gemütliches Zuhause, ihre Eltern und ihren gesamten Freundeskreis, vor allem aber ihren geliebten Job beim Chicago DAILY MIRROW. Sie galt in ihrem Team als eine sehr gute und überaus talentierte Reporterin, die es bestimmt weit gebracht hätte. Der Abschied war ihr schwergefallen.
Manchmal fragte sich Nick, ob er im umgekehrten Falle diese Opfer auch gebracht hätte, aber er schob die Antwort darauf jedes Mal weit von sich. Wozu nachgrübeln? Die Entscheidung war gefallen, schließlich liebten sie einander und waren zusammen, nur das zählte.
„Was suchst du?“, fragte er, als er merkte, dass Selina unaufhörlich in der bunten Badetasche kramte.
„Das hier!“ Triumphierend hielt sie die Tube mit der Sonnencreme hoch. „Reibst du mir den Rücken ein?“
Nick verzog das Gesicht.
„Jetzt? Ich hatte eigentlich gedacht, wir packen allmählich zusammen und gehen zurück.“
Erstaunt sah Selina ihn an.
„Du willst schon wieder gehen? Aber wir sind noch nicht einmal eine Stunde hier! Es ist so schön am Strand, bitte lass uns noch etwas bleiben!“
Nick überlegte.
„Ich will mir heute unbedingt noch die Klinik ansehen. Es ist wichtig, dass ich mir rechtzeitig vor Dienstbeginn einen ersten Eindruck verschaffe. Außerdem bin ich wahnsinnig neugierig auf meinen neuen Arbeitsplatz.“
Selina nickte, doch er sah die Enttäuschung auf ihrem Gesicht.
„Weißt du was?“, meinte er diplomatisch, während er aufstand und nach seinen Sachen griff. „Bleib einfach noch hier und genieße die Sonne. Wir treffen uns nachher im Hotel, und dann essen wir gemütlich zu Abend. Einverstanden?“
Sie strahlte.
„Oh ja, gerne. Und morgen gehen wir auf Wohnungssuche.“
„Du kannst es gar nicht erwarten, dich hier einzurichten, was?“, zog er sie lachend auf.
„Was bleibt mir übrig, Schatz? Nun sind wir einmal hier und müssen das Beste daraus machen.“
Nick knöpfte sein Hemd zu und nahm seine Tasche.
„Hol dir keinen Sonnenbrand“, meinte er und zwinkerte ihr liebevoll zu, bevor er schnellen Schrittes davonging.
Selina blickte ihm nach, bis sich seine schlanke Gestalt irgendwann zwischen den zahlreichen Touristen und Strandbesuchern verlor.
Seufzend drehte sie sich um und starrte gedankenverloren aufs Meer.
Ja, nun waren sie also hier, und Nick würde ab morgen eine Aufgabe haben, die ihn ausfüllte.
Und was war mit ihr? Würde sie sich hier wohlfühlen? Momentan war es noch wie ein Urlaub, hier am Strand zu sitzen und nichts zu tun. Aber sie wusste, dafür war sie auf Dauer nicht geschaffen. Sie brauchte genauso wie Nick die Herausforderung, einen Job, der sie forderte und ihr Spaß machte. Aber Destiny Beach war eine Kleinstadt, kein Vergleich zu dem riesigen hektischen Chicago, wo sie aufgewachsen war. Gab es hier überhaupt eine Zeitungsredaktion? Sie hatte keine Zeit gefunden, eher nachzuforschen, viel zu schnell hatte Nick in seinem überschwänglichen Enthusiasmus über den neuen Job reagiert und sie um eine sofortige Entscheidung gebeten. War es Abenteuerlust oder die Liebe zu ihm gewesen, die sie veranlasst hatte, alle vertrauten Brücken abzubrechen und ihm zu folgen?
Nachdenklich geworden zog sie ihr Handy aus der Strandtasche, um über eine Suchmaschine die Möglichkeiten dieser Stadt abzuchecken, als nicht weit entfernt von ihr plötzlich ein aufgeregtes Geschrei begann.
Erstaunt reckte sie den Hals.
Da musste wohl jemanden etwas passiert sein!
Sie stand auf und ging neugierig hinüber zu der sich binnen kürzester Zeit ansammelnden Menschenmenge.
„Was ist denn los?“, fragte sie eine ältere Dame.
Diese hob ratlos die Schultern.
„Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber die Rettungsschwimmer wurden alarmiert und sind eben raus!“