LeAnn`s Coffeeshop
Selina betrat LeAnn` s Coffeeshop und ließ sich an dem rustikalen Holztresen nieder. Sie winkte der Wirtin, die gerade Kaffee an einem der Tische servierte, freundlich zu.
Es dauerte nicht lange, da fand LeAnn etwas Zeit und gesellte sich zu ihr.
„Hallo Selina, schön Sie zu sehen! Was darf es sein?“
„Einen Kaffee bitte, und vielleicht ein wenig von Ihrer kostbaren Zeit, falls es sich einrichten lässt.“
Die Wirtin lächelte. Sie mochte die junge Frau sehr gerne. Seitdem Allison Tyler mit ihr vor einiger Zeit zum ersten Mal hier gewesen war, schaute Selina öfter kurz bei ihr vorbei.
„Aber natürlich. Im Moment ist sowieso nicht viel los.“
Während LeAnn den Kaffee holte, kramte Selina ihre Unterlagen heraus. Sie war, bevor sie herkam, im Internetcafé INSIDE WEB gewesen und hatte ihren frisch verfassten Artikel ausgedruckt. Eigentlich war sie mit dem Ergebnis recht zufrieden, aber sie wollte gern Gewissheit.
„Also, was kann ich für Sie tun?“ LeAnn hatte die Tasse mit dem aromatisch duftenden Kaffee auf dem Tresen abgestellt und blickte die junge Frau erwartungsvoll an.
„Ich habe mich um einen Job als Reporterin beim SENTINEL beworben, und das hier...“ Selina reichte LeAnn die ausgedruckten Seiten, „Das ist mein erster Beitrag. Ich wollte gerne Ihre Meinung dazu.“
Die Wirtin warf ihr einen prüfenden Blick zu.
„Gut. Aber was ist, wenn mir der Artikel nicht gefällt? Ich bin nämlich gern ehrlich.“
Selina lächelte.
„Genau deshalb komme ich damit zu Ihnen, LeAnn. Ich brauche eine ehrliche Meinung.“
LeAnn nahm sich das Manuskript, langte nach ihrer Lesebrille und begann konzentriert zu lesen. Selina beobachtete sie gespannt, während sie ihren Kaffee trank. Nach einer Weile legte die Wirtin ihre Lektüre zurück auf den Tresen und blickte Selina offen an.
„Und wie finden Sie es?“, fragte die junge Reporterin gespannt.
„Nun, ich würde sagen, George Carrington kann sich glücklich schätzen, Sie in seinem Team zu haben, Selina“, meinte LeAnn und unterstrich ihre Worte mit einem anerkennenden Lächeln. „Hoffentlich weiß er zu würdigen, wieviel Talent in Ihnen steckt. Der Beitrag ist fantastisch. Er ist professionell, lebensnah und trotzdem voller ehrlicher Empathie.“
„Danke LeAnn“, strahlte Selina.
„Wofür? Ich sage nur die Wahrheit. Sie werden die Leser mit Ihrer Art zu schreiben ganz sicher begeistern.“ Sie nahm die Brille ab und tippte mit dem Finger auf die ausgedruckten Seiten. „Hat Jason das schon gelesen?“
„Nein. Ich glaube nicht, dass es ihn interessiert, was ich schreibe.“
LeAnn schmunzelte.
„Wenn Sie sich da mal nicht irren.“
Selina sah sie verwundert an.
„Wie meinen Sie das?“
„Ach wissen Sie, meine Liebe, ich kenne Jason schon so lange, und es würde mich sehr wundern, wenn ihn dieser Artikel hier nicht interessieren würde. Wenn er nämlich, so wie ich, ein ganz klein wenig zwischen den Zeilen liest, dann wird er merken, wie sehr Sie ihn mögen.“
SUN CENTER
Jack hatte seinen ersten Schrecken überwunden und maß seine Ex-Freundin mit einem eisigen Blick. War es wirklich erst ein paar Wochen her, seitdem sie aus Destiny Beach weggegangen war, nachdem sie ihre gemeinsame Zukunft mit ihm und ihre Liebe zueinander eiskalt ihren ehrgeizigen beruflichen Plänen geopfert hatte? Er konnte es kaum glauben.
Damals hatte er das Gefühl gehabt, die Welt würde sich ohne sie nicht weiterdrehen. Er war, nachdem sie fort war, stundenlang den Strand entlanggelaufen und hatte sich wohl tausendmal gefragt, warum ihr ein verdammter Job wichtiger war als die Liebe zu ihm.
Seine Freunde hatten versucht, ihn zu trösten. `Die Zeit heilt alle Wunden.`
Nun, die Zeit hatte sie nicht geheilt, aber Alli.
Seitdem sie da war, hatte er keine Sekunde mehr an Aileen gedacht. Seine geliebte Doktor Ling, sie war nicht mehr länger Teil seines Lebens, sie war einfach nur Vergangenheit.
Und nun stand diese Vergangenheit hier vor ihm mitten im SUN CENTER, selbstbewusst und schön wie eh und je.
Aber der tiefe Blick aus ihren exotischen Augen erreichte ihn nicht mehr.
„Aileen“, begrüßte er sie kühl. „Was führt dich her?“
„Wie ich bereits sagte, ich habe dich vermisst“, erwiderte sie mit ihrer samtweichen Stimme, in der dieser leichte asiatische Akzent mitschwang, der ihm immer so gefallen hatte. Jetzt schien er ihn gar nicht zu bemerken.
„Es ist schon eigenartig, denn ich habe dich überhaupt nicht vermisst“, entgegnete er und in diesem Moment wurde ihm bewusst, dass er noch immer Allis Hand hielt. Instinktiv zog er sie näher zu sich heran. „Aber da du nun einmal hier bist, wünsche ich dir einen schönen Aufenthalt in Destiny Beach. Bei uns kannst du allerdings nicht wohnen, denn alle Zimmer sind belegt.“
Mit Genugtuung bemerkte er, dass seine betont teilnahmslosen Worte ihre Wirkung nicht verfehlten. Aileen starrte ihn mit einer Mischung aus Erstaunen und Entsetzen an, während das aufgesetzt wirkende Lächeln auf ihren Lippen augenblicklich zu gefrieren schien.
Jack schien das nicht zu stören.
„Also dann, wir sehen uns.“
Damit drehte er sich um und ließ seine Ex-Verlobte einfach in der Küche stehen. Erleichtert registrierte er, dass Alli keinen Versuch unternahm, ihre Hand aus seiner zu lösen, sondern ihm wortlos die Treppe hinauffolgte. Anscheinend war sie genauso überrascht von Aileens Anwesenheit wie er selbst.
Oben angekommen blieb er stehen und sah sie an.
„Es tut mir Leid, Alli. Ich sollte dir vielleicht erklären...“
Sie berührte leicht mit den Fingerspitzen seine Lippen.
„Du brauchst mir nichts zu erklären, Jack. Es ist schon okay. Jeder von uns hat seine Vergangenheit, und anscheinend bin ich deiner soeben begegnet.“ Sie lächelte. „Entspann dich.“ Damit schlang sie ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn, zuerst vorsichtig und dann voller Leidenschaft.
Jack war einen Augenblick lang überrascht, doch dann erwiderte er ihren Kuss nur zu gern und zog sie dicht zu sich heran.
Die Stimmen ihrer Mitbewohner, die gedämpft von unten zu ihnen heraufdrangen, beendeten ihren romantischen Ausflug ins Land der Zärtlichkeiten und erinnerten sie beide daran, dass sie nicht allein im Haus waren.
Atemlos sahen sie einander an.
„Ich habe eine Idee“, meinte Jack und strich Alli liebevoll eine Haarsträhne aus der Stirn. „Wir sollten unseren freien Tag genießen, so gut es geht. Lass uns rausfahren, irgendwohin wo wir allein sind. Nur Sonne, Wind, das Meer und wir beide. Was meinst du?“
Ihre dunklen Augen strahlten ihn an.
„Gerne. Wir treffen uns in einer Stunde unten in der Garage.“
„Fährst du mit mir?“
„Nein.“
„Ich mit dir?“
„Nein. Jeder fährt allein. Ich will erleben, wie du auf dem Highway wieder hinter mir zurückbleibst!“
Venice Beach
Jack war mit Alli bis kurz vor Venice Beach gefahren, und dieses Mal fuhr er voraus und gab seiner Begleiterin keine Chance, ihn zu überholen.
In einem kleinen Vorort von Venice Beach hatten sie ihre Bikes abgestellt und zunächst in einem gemütlichen Lokal zu Mittag gegessen.
Anschließend führte Jack Alli zu einem etwas versteckt liegenden Platz am Strand, der nicht von unzähligen Touristen und Urlaubern bevölkert war. Sie streckten sich faul in der Sonne aus und genossen den ruhigen Samstagnachmittag. Zwischendurch schwammen sie beide im Meer, tauchten gemeinsam um die Wette und neckten sich lachend.
Alli fühlte sich entspannt wie schon lange nicht mehr. Sie mochte Jacks offene Art. Seine Komplimente schmeichelten ihr, auch wenn sie so tat, als bemerke sie nicht, wie bewundernd er sie des Öfteren ansah. Immer wieder musste sie an die vergangene Nacht denken, ihre erste gemeinsame Nacht. Und mit jedem Gedanken daran hatte sie sofort ein Gefühl, als flatterten unzählige Schmetterlinge in ihrem Bauch.
„Möchtest du ein Eis?“, fragte Jack irgendwann.
Sie nickte.
„Oh ja, gern. Falls es hier so etwas gibt.“
„Nur ein paar Meter strandaufwärts. Ich hole uns welches“, erwiderte er und sprang auf. „Bin gleich zurück.“
`Er scheint sich hier bestens auszukennen. Ob er wohl mit Aileen hier gewesen ist?`, kam es Alli in den Sinn, während sie ihm nachsah. Sie kämpfte den leichten Anflug von Eifersucht energisch nieder. Nein, da waren noch immer genug eigene Probleme, die sie zu bewältigen hatte, als dass sie es sich leisten konnte, auch noch eifersüchtig auf Jacks Verflossene zu sein.
Außerdem war da noch ein anderes, ziemlich ungutes Gefühl, dass sie plötzlich unmissverständlich heimsuchte. Eine Art innerer Instinkt, geboren aus Vorsicht und Misstrauen.
Sie fühlte, dass sie beobachtet wurde...
Langsam drehte sie den Kopf und sah sich um. Tatsächlich, ihr Gefühl hatte sie nicht betrogen.
Da saßen zwei Männer ein Stück von ihr entfernt vor den Dünen. Trotz der Hitze trugen sie keine Badebekleidung, sondern Jeans und Shirts und starrten beide mit unverhohlener Neugier in ihre Richtung.
Alli schielte sofort fluchtbereit nach ihren Sachen.
Allerdings konnte sie ja nicht einfach weggehen, solange Jack nicht zurück war. Also blieb sie widerwillig sitzen und tat so, als genieße sie die Sonne, während ihre Nerven zum Zerreißen gespannt waren und sie aus den Augenwinkeln heraus jede Bewegung in ihrer Umgebung registrierte.
Oh Gott, wie sie solche Situationen hasste! Zu oft hatte sie das in den letzten Monaten erlebt.
Es war zum Verzweifeln!
Eine Weile geschah nichts, und sie hoffte bereits, dass sie sich geirrt hatte, doch plötzlich bemerkte sie zu ihrem Entsetzen, wie einer der Männer aufstand und langsam auf sie zu geschlendert kam.
Direkt vor ihr blieb er stehen.
„Hi“, sprach er sie an. „Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wieso eine so süße Maus ihren Nachmittag allein am Strand verbringt. Hättest du etwas dagegen, wenn ich mich zu dir setze?“
Das war nun eine absolut anmaßende, ja fast schon dumme Anmache. Aber Alli ahnte, dass mehr dahintersteckte. Sie vermeinte die Gefahr förmlich zu spüren, die von diesem Kerl ausging. Langsam hob sie den Kopf und sah den Mann vor sich scheinbar ruhig und abschätzend an.
Er war um die Vierzig und wirkte drahtig und ziemlich gut durchtrainiert. Seine schulterlangen dunklen Haare hatte er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden `Gangstertyp`, schoss es ihr durch den Kopf. Nicht einmal die Sonnenbrille hatte der Kerl abgenommen, als er sie ansprach.
„Allerdings“, erwiderte sie kühl und bedachte ihn mit einem abweisenden Blick. „Ich bin nicht allein. Mein Mann wird jeden Moment zurück sein.“
Er grinste unbeirrt, als würde er ihr kein Wort glauben.
„Das ist wirklich schade. Ich hätte dir wirklich gern Gesellschaft geleistet. Vielleicht so lange, bis dein Mann wieder zurück ist?“
„Wie ich schon sagte, nein danke.“
Trotz ihrer Ablehnung blieb er stehen und betrachtete sie durch die dunklen Brillengläser, die seine Augen verbargen.
Obwohl ihr nicht das Geringste von ihrer inneren Unruhe anzumerken war, klopfte Allis Herz zum Zerspringen. Unwillkürlich dachte sie an Johns Worte.
`Er ist hier...`
Wer waren diese beiden Männer?
Hatte er sie geschickt?
Ließ er sie bereits beschatten?
„Du könntest es dir natürlich auch bei mir und meinem Freund gemütlich machen“, meinte der Kerl in bedrohlich wirkendem, schleppendem Tonfall und wies auf seinen Kumpel, der mit unverhohlenem Interesse zu ihnen herüberstarrte. „Ich bin sicher, wir drei würden uns glänzend unterhalten.“
„Verschwinden Sie, ich bin nicht interessiert“, wiederholte Alli noch einmal mit Nachdruck, was den Typen jedoch überhaupt nicht zu stören schien. Mit den Worten „Ich schon“ trat er noch einen Schritt näher, als ein Schatten auf seine hagere Gestalt fiel.
„Gibt es ein Problem?“
Jacks Stimme war wie eine Erlösung.
„Hallo Liebling, da bist du ja endlich!“ Alli strahlte ihn an. „Alles in Ordnung. Dieser Gentleman sah mich hier allein sitzen und wollte mir unbedingt Gesellschaft leisten.“
„Interessant“, erwiderte Jack und reichte ihr eine Eistüte, während er den Fremden mit einem eisigen Blick taxierte.
„Die Dame ist nicht an deiner Gesellschaft interessiert.“ stellte er mit deutlich drohendem Unterton in der Stimme klar, als er merkte, dass der Unbekannte sich nicht von der Stelle rührte. „Na los, verzieh dich!“
Einen Augenblick lang starrten sich beide feindselig an. Dann hob der Mann mit einem Grinsen scheinbar verlegen die Hände, murmelte etwas von „Versehen“ und „Nichts für ungut“ und trat den Rückzug an.
Jack blickte ihm misstrauisch hinterher.
„Alles okay?“, wandte er sich schließlich besorgt an Alli und nahm neben ihr auf dem Badelaken Platz.
„Das war nur ein plumper Annäherungsversuch, nichts von Bedeutung.“ Sie lächelte scheinbar leichthin, doch ihr unruhiger Blick strafte sie Lügen. „Allerdings befürchte ich, dass ich mir einen Sonnenbrand hole, wenn wir noch länger bleiben. Lass uns zurückfahren, sobald wir das Eis gegessen haben.“
Jack verharrte noch einen Augenblick und schaute nachdenklich von ihr zu dem eigenartigen Typen, der sich wieder in sicherer Entfernung neben seinem Begleiter niedergelassen hatte. Dann jedoch nickte er.
„Gerne, wie du möchtest.“
Auf dem Freeway
Auf dem Heimweg blickte Alli des Öfteren misstrauisch in den Rückspiegel. Doch kaum war sie sicher, dass ihr niemand folgte, begann sich ihre innere Unruhe allmählich zu legen, und als sie den Freeway erreicht hatten, drehte sie ihre schwere Maschine auf und ließ Jack zunächst etwas hinter sich. Doch dieses Mal gab er nicht klein bei, sondern bewies ihr, dass er ein brillanter Fahrer war. Bald lieferten sich die beiden leichtsinnigerweise ein kleines privates Rennen, das jedoch nach ein paar Kilometern kurz vor Destiny Beach von der aufheulenden Sirene eines Streifenwagens abrupt beendet wurde.
Schuldbewusst stoppten sie nebeneinander auf dem Seitenstreifen, während das Polizeifahrzeug hinter ihnen anhielt. Einer der Polizisten stieg aus, sein Kollege blieb vorerst im Wagen sitzen.
„Ist das die Highway-Polizei?“ fragte Alli kleinlaut durch das geöffnete Visier ihres Helmes.
Jack beobachtete das Geschehen hinter sich im Rückspiegel.
„Nein, die sind hier nicht zuständig. Ich glaube, das ist einer aus dem Destiny Beach Police Departement.“
„Kennst du ihn?“
Nach einem weiteren blick in den Rückspiegel schüttelte er Kopf.
„Nicht, dass ich wüsste.“
„Nun ja.“ Sie hob ergeben die Schultern. „Ich vermute, wir werden ihn gleich kennenlernen.“
Sie drehte sich um und blickte dem herannahenden Ordnungshüter in banger Erwartung entgegen.
„Officer?“
Der junge Polizist musterte hinter der verspiegelten Sonnenbrille die beiden vermeintlichen Verkehrssünder mit einem Gesichtsausdruck, der nicht auf Anhieb zu deuten war.
„Officer Coleman.“ stellte er sich pflichtgemäß vor. „Na, Herrschaften, wohl ein kleines Wettrennen veranstaltet, was? Die Fahrzeugpapiere bitte!“
Während beide die geforderten Papiere aus den Innentaschen ihrer Lederjacken zogen, ließ der Officer keinen Blick von ihnen. Dann begann er zunächst Jacks Führerschein genau zu betrachten.
„Und was haben Sie beide zu Ihrer Verteidigung zu sagen?“, fragte er schließlich, als er sich Allis Papieren widmen wollte.
„Sorry, wir waren wohl etwas zu schnell für Sie“, entfuhr es ihr.
Sofort richtete er seine Aufmerksamkeit auf sie.
„Ah, auch noch frech werden, was?“ Er machte eine auffordernde Bewegung. „Absteigen und den Helm runter, wenn du mit mir redest, Bürschchen!“
Jack beobachtete mit einem verhaltenen Grinsen, wie Alli der Aufforderung nachkam.
Der Officer stutzte einen Moment, und es war ihm anzusehen, dass er, wäre er nicht im Dienst gewesen, sicherlich zumindest eine überraschte Bemerkung gemacht hätte. Doch er räusperte sich lediglich und verzog das Gesicht zu einem Grinsen.
„Na, Lady, ich nehme an, jetzt kommt die Ausrede, dass dieses Maschinchen einfach eine Nummer zu groß für Sie ist, und Sie es deswegen absolut nicht zügeln konnten.“
Alli bereute ihre vorschnelle Bemerkung bereits, denn sie wusste genau, dass eine Auseinandersetzung mit der Polizei das Letzte war, was sie herausfordern sollte. Aber diese Anspielung ärgerte sie dann doch. Betont lässig erwiderte sein Grinsen.
„In Wahrheit wollte ich nur testen, ob die Polizei an den Wochenenden genauso ausgeschlafen ist wie an anderen Tagen.“
Officer Coleman nahm seine Sonnenbrille ab und musterte sie zunächst wortlos mit einem undefinierbaren Blick aus seinen dunklen Augen. Dann wandte er sich an Jack.
„Hat sie Scherzkekse gefrühstückt?“
Der verkniff sich ein Lachen und räusperte sich stattdessen.
„Tut mir leid, Officer, sie wollte Sie bestimmt nicht beleidigen.“
„Das würde ich ihr auch nicht raten. Es sei denn, die junge Dame möchte unbedingt im Streifenwagen mit mir zurückfahren.“
„Sind Sie neu in Destiny Beach?“, versuchte Jack eilig abzulenken, damit die Situation sich nicht unnötig weiter verschärfte.
Der Officer verzog missbilligend das Gesicht..
„Guter Versuch, Mister…“ Er warf erneut einen Blick auf Jacks Führerschein „…Bennett. Tastsache ist, Sie sind zu schnell gefahren, und das wird Sie eine Kleinigkeit kosten, egal, ob ich nun neu in der Stadt bin oder nicht.“ Er zog einen Block aus der Seitentasche seiner schwarzen Dienstuniform und begann die Quittungen auszustellen. „Macht zwanzig Dollar, für jeden!“
„Boah“, entfuhr es Alli. „Für zwanzig Dollar fahre ich bis LA und zurück!“
„Heute nicht.“ Ungerührt trennte Officer Coleman die Quittungen von seinem Block ab und reichte sie ihnen. „Heute haben Sie sich einen polizeilichen Wochenendzuschlag redlich verdient.“
Ein Telefongespräch
„Hi Boss, ich bin` s... wie verabredet. Ich glaube, wir haben sie gefunden. Sie wissen schon, die Sie suchen, Samantha...“
„Keine Namen am Telefon, Idiot! Wo ist sie?“
„Na ja, gesehen haben wir sie in Venice Beach... Wissen Sie, sie sieht ein wenig anders aus, als auf dem Foto, dass Sie uns gegeben haben.“
„Anders? Wie anders? Drück dich gefälligst genauer aus!“
„Na ja, die Größe könnte stimmen, aber sie ist schlanker und sie sieht wirklich klasse aus.“
Ein ungeduldiges Räuspern am anderen Ende der Leitung.
„Komm zur Sache, verdammt!“
„Nun, auf dem Bild hat sie blonde Locken bis zum Ar…“ Ein verhaltenes Räuspern, „aber diese hier, die hat dunkles, schulterlanges Haar…“
„Genug! Bin ich denn im Irrenhaus? Haare kann man abschneiden und färben, du dämlicher Trottel! Wie nennt sie sich?“
„Keine Ahnung.“
„Mir scheint, ich bezahle lauter Vollidioten!“ Ein verhaltenes Schnaufen. „Also gut, wo habt ihr sie hingebracht?“
„Hingebracht? Aber Boss, wir wissen doch nicht mal genau, ob sie es wirklich ist... Und dann war da so ein Typ bei ihr, der hat sie nicht einen Moment aus den Augen gelassen.“
„Okay“ Man hörte deutlich am Tonfall des unbekannten Teilnehmers, dass er mit seiner Geduld am Ende angelangt war. „Wo sind die beiden hin?“
„Sie sind mit ihren Motorrädern auf den Freeway Richtung Süden abgebogen.“
„Wohin genau?“
„Die sind gerast wie die Teufel, und wir hatten sie schon aus den Augen verloren...“
„Verdammt noch mal!“
„Na ja, sie wurden von einer Polizeistreife angehalten, und da mussten wir vorbeifahren, um nicht aufzufallen. Wir haben dann kurz vor Huntington angehalten und gewartet. Aber da sind sie nicht aufgetaucht.“
„Waaas?“
„Tut mir leid, Boss...“
Ein Schnaufen, das nichts Gutes verhieß.
„Was für eine Abfahrt kommt vor Huntington?“
„Ich glaube, Destiny Beach.“
Plötzlich ein leises hämisches Lachen.
„Dann weiß ich ja, wo ich suchen muss...“
„Und was sollen wir jetzt unternehmen, Boss?“
Als Antwort kam ein langanhaltender Piepton. Die Leitung war tot...