SENTINEL
„Was ist?“, knurrte Chefredakteur Sullivan ungeduldig, als Selina nach der allmorgendlichen Besprechung vor seinem Schreibtisch stehenblieb, während alle anderen Mitarbeiter das Büro bereits verlassen hatten.
„Ich habe da etwas, worüber ich gerne berichten möchte.“
Sullivan unterbrach seine Tätigkeit am PC und musterte sie abwartend, sichtlich genervt über die Störung.
„Und das wäre?“
„Ich habe gestern die Armenküche von Destiny Beach besucht. Kennen Sie diese Institution? Sie nennt sich „Weißer Engel“ und wird von engagierten jungen Leuten geführt.“
Er nickte nur beifällig und fuhr damit fort, auf die Tastatur seines Computers einzuhacken.
„Habe davon gehört.“
„Es wundert mich, dass der SENTINEL dieses Thema bisher noch nicht aufgegriffen hat“, bemerkte Selina und forschte in seinem Gesicht, das bisher keinerlei Regung zeigte. „Es ist doch wirklich beispielhaft, wenn zwei Menschen all ihre Ersparnisse opfern und eine Einrichtung gründen, die denjenigen Leuten in der Umgebung hilft, die diese Hilfe am nötigsten brauchen, den Obdachlosen und den sozial Schwachen.“
Sullivan unterbrach abermals seine Arbeit, lehnte sich in seinem Sessel zurück und verschränkte mit einem unterdrückten Seufzer die Arme vor der Brust.
„Und darüber wollen Sie schreiben?“
„Ja.“ Etwas verunsichert über seine Reaktion zog Selina die Augenbrauen hoch. „Finden Sie das verkehrt?“
Der Chefredakteur atmete tief durch und betrachtete sein Gegenüber nachdenklich.
„Nun, im Grunde genommen ist das keine schlechte Idee. Allerdings bin ich nicht sicher, ob so etwas unsere Leser wirklich interessiert.“
Selina glaubte sich verhört zu haben.
„Wie meinen Sie das, Dave?“
Sullivan wuchtete sich aus seinem Sessel und trat ans Fenster, die Hände in den Taschen seiner Hose vergraben.
„Denken Sie mal nach, Selina. Jeder von uns kämpft darum, sein Leben so zu gestalten, dass er mit sich zufrieden ist. Nehmen Sie nur mal sich selbst. Warum wollten Sie unbedingt diesen Job? Selbstbestätigung? Finanzielle Unabhängigkeit?“
Selina schluckte, doch bevor sie antworten konnte, fuhr er bereits fort: „Und warum, meinen Sie, reiße ich mir hier den Hintern auf und riskiere jeden Tag aufs Neue einen Herzinfarkt, wenn etwas nicht so läuft wie es soll, während mir ständig die Zeit im Nacken sitzt? Damit ich nicht dort lande, wo Sie gestern recherchiert haben, in der Gosse unserer Stadt.“
„Dave, das ist nicht...“, warf sie empört ein, doch er hob die Hand und bedeutete ihr damit, dass er noch nicht fertig war.
„Unsere Leser wollen Fakten, Sensationen und Unterhaltung, aber sie wollen nicht daran erinnert werden, wie es ist, wenn man sich auf der sozialen Stufe ganz unten befindet.“
Selina spürte, wie sich die bisher so mühsam unterdrückte Wut in ihrem Bauch langsam aber sicher zusammenballte und ihren Blutdruck beträchtlich nach oben schnellen ließ.
„Vielleicht sollten Sie sich darüber im Klaren sein, dass man schneller auf dieser Stufe landen kann, als einem lieb ist“, erwiderte sie in eisigem Ton. „Und das oftmals ganz ohne eigenes Verschulden.“
„So ist das Leben, meine Liebe. Aber über diese Dinge braucht man wirklich nicht auch noch in der Zeitung zu schreiben.“
Selina holte tief Luft und versuchte, sich ihren Unmut nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Es hatte keinen Sinn, mit Dave Sullivan zu streiten. Sie wollte diesen Job behalten und war Profi genug, um die Sache anders anzufangen.
„Tut mir leid, dass ich Ihre wertvolle Zeit in Anspruch genommen habe, Dave. Vergessen Sie`s. Ich bin dann wieder unten, im Archiv.“ An der Tür drehte sie sich noch einmal um. „Ich möchte Mister Carrington sprechen. Bitte vereinbaren Sie einen Termin für mich. Heute noch!"
SUN CENTER
Alli erwachte und streckte sich genüsslich, als sie dabei plötzlich auf einen Widerstand stieß.
„Hey“, erklang eine knurrige Stimme, und Jacks verschlafenes Gesicht blinzelte zwischen den zerwühlten Kissen hervor. „Das war meine Nase, Lady!“
„Sorry!“ Sie musste lachen. Mit seinem struppigen Haar und den dunklen Augen, die sich erst langsam an das hereinbrechende Tageslicht gewöhnen mussten, sah er einfach unwiderstehlich aus. Sie kuschelte sich in seine Arme und genoss es, als seine Hände begannen, zärtlich über ihre Schultern zu streicheln.
„Hast du gut geschlafen?“
Als Antwort suchte er hungrig ihre Lippen.
„Mmh“, schnurrte sie.
„Möchtest du mehr?“
„Mmh mmhm… “
„Okay, das sollte kein Problem sein“, murmelte er zwischen seinen Küssen und warf das Laken über sie beide, bevor er sehr motiviert auf eine überaus erotische Entdeckungsreise ging.
Alli stöhnte wohlig, als sie Sekunden später seine Lippen auf ihren zarten Brüsten spürte, während seine Hände sie überall dort streichelten, wo es ihr gerade unwahrscheinlich guttat. Er begann genüsslich an ihren Nippeln zu saugen und brachte sie damit fast zum Wahnsinn, bevor seine Lippen quälend langsam weiter südlich wanderten, um schließlich sehr intensiv von ihrer inzwischen wild pulsierenden Mitte zu kosten. Aufstöhnend bog sie sich ihm entgegen und ließ keinen Zweifel daran, wie sehr sie ihn in diesem Augenblick begehrte. Er brachte ihren Körper in Rekordzeit zum Glühen und spürte voller Genugtuung, wie sie sich schließlich unter seinen leidenschaftlichen Zärtlichkeiten in einen gigantischen Orgasmus verlor.
Während die letzten Wellen ihres Höhenfluges verebbten, flüsterte sie seinen Namen, und es klang in seinen Ohren wie das zufriedene Schnurren einer Katze, die sich soeben an einem Schälchen voll köstlicher Sahne ergötzt hatte.
Er wühlte sich unter dem Laken hervor und kostete hungrig von ihren süßen Lippen, die sich ihm sogleich wieder bereitwillig öffneten, während sie ihre Hände in seinem dichten Haar vergrub, als wolle sie damit verhindern, dass er jemals aufhörte, sie so intensiv zu küssen und auf eine aufreizende Art mit seiner Zunge ihren Mund zu erforschen.
Sie spürte seine Erektion an ihrer empfindlichsten Stelle und schlang voller Verlangen die Beine um seine Hüften, um ihn in sich aufzunehmen. Langsam und genüsslich drang er in sie ein und begann sich in ihr zu bewegen. Leidenschaftlich bog sie sich ihm entgegen und passte sich seinem Rhythmus an. Sie fühlte sich erneut unglaublich erregt und ihr Verlangen steigerte sich mit jedem Stoß ins Unermessliche, während auch er spürte, wie die ersehnte Welle höchster Lust unaufhaltsam auf ihn zurollte.
In diesem Augenblick gab es nur sie und ihn, sie waren vollkommen eins, bevor sie sich beide in höchster Ektase in einen berauschenden Höhepunkt verloren...
Später lag Alli in seinen Armen, genoss die wohlige Wärme, die von seinem Körper ausging und wäre fast wieder eingeschlafen, hätte sich nicht der Wecker auf dem Nachttisch lautstark gemeldet.
Jack sorgte mit einem gezielten Schlag für Ruhe. „Ich werde David anrufen und dich für heute entschuldigen“, meinte er schläfrig.
„Und was willst du ihm als Begründung sagen?“, fragte Alli belustigt.
„Ich werde ihm sagen, dass ich dich heute ganz für mich allein haben will. Und das ist noch nicht einmal eine Ausrede, sondern die reine Wahrheit.“
„Wahrheit oder nicht, ich fürchte, daraus wird nichts. Ich muss aufstehen“, seufzte Alli, erhob sich und schlüpfte kurzentschlossen in sein Shirt, dass er am Abend zuvor achtlos hatte liegen lassen. Das Teil reichte ihr fast bis zu den Knien und Jack grinste. Während sie zielstrebig damit begann, ihre Sachen für den bevorstehenden Tag zusammenzusuchen, beobachtete er sie sichtlich amüsiert.
„Du siehst absolut sexy aus! Wenn du in diesem Look im Büro erscheinst, wird Brenda vor Staunen die Kinnlade herunterklappen.“
„Nicht nur Brenda“, murmelte Alli vor sich hin und betrachtete kritisch den fliederfarbenen Minirock, der perfekt zu ihrer neuen weißen Seidenbluse passen würde. Dabei dachte sie an all die offenkundigen Komplimente, die David ihr seit ein paar Tagen ständig machte und an die heißen Blicke, die er ihr dabei zuwarf. Sie legte den Rock zurück in den Schrank und entschied sich stattdessen für eine weniger auffällige dunkle Leinenhose.
„Sag mal, Jack“, meinte sie, sorgsam ihre Worte wählend, um ihn nicht unnötig auf falsche Gedanken zu bringen. „Wie ist das mit David und Kate? Ich meine, du scheinst ihn doch recht gut zu kennen. Liebt er sie wirklich, oder ist er einer von der Sorte, die nur ein Abenteuer suchen?“
„Wie kannst du das fragen?“, erwiderte Jack erstaunt. „Natürlich liebt er sie. Er betet sie geradezu an. So habe ich ihn seit Ewigkeiten nicht mehr erlebt. Ich glaube, David würde für diese Frau durchs Feuer gehen.“
Alli überlegte kurz und nickte schließlich.
„Dann ist es ja gut. Die beiden sind ein schönes Paar.“
Doch tief in ihrem Inneren nagten berechtigte Zweifel. Nein, sie hatte sich das mit David nicht eingebildet. Irgendwie benahm er sich neuerdings eigenartig. Zumindest ihr gegenüber, und das verunsicherte sie.
Sie hatte endlich alle Sachen zusammen und ging zur Tür.
„Ich werde schnell duschen. Bis später!“
Archiv des SENTINEL
Ohne nennenswerte Begeisterung stapelte Selina die dicken Ordner, deren Inhalt sie bisher sortiert hatte, in eines der zahlreich vorhandenen Regalfächer, die bis zur Decke des Raumes reichten, als sie auf einmal hörte, wie jemand die Tür zum Archiv öffnete.
„Hallo? Einen Moment bitte, bin gleich da!“ Schnell wischte sie ihre Hände , die sich hier unten ständig staubig anfühlten, am Hosenboden ihrer Jeans ab, ging zielstrebig um das Regal herum, um nachzusehen, wer sich wohl hierher verlaufen haben möge und stand mit einem Mal George Carrington gegenüber.
„Mister Carrington!“ Sie bemerkte sein Lächeln, das sie nicht zu deuten wusste, und ein ungutes Gefühl stieg in ihr auf. Instinktiv trat sie einen Schritt zurück. „W... was tun Sie hier?“
„Ich wollte mal sehen, wie Sie zurechtkommen, meine Liebe“, erwiderte er und sah sich interessiert um. „Ich war seit Ewigkeiten nicht mehr hier unten, aber ich hatte diesen Raum um einiges chaotischer in Erinnerung.“
„Als ich hier anfing aufzuräumen, war die Bezeichnung Chaos die Untertreibung des Jahres“, bestätigte Selina, innerlich erleichtert darüber, dass er anscheinend nicht hierhergekommen war, um sie wegen irgendetwas zu tadeln oder zurechtzuweisen. „Inzwischen habe ich mir ein wenig Übersicht verschafft.“
Man hatte sie vor George Carrington gewarnt, und sie selbst fand ihn irgendwie zwielichtig und undurchsichtig. Trotzdem er momentan freundlich lächelte, lag etwas Verschlagenes in seinem Blick. Sie nahm sich vor, auf jeden Fall auf der Hut zu sein.
„Ich vermute, diese Arbeit hier entspricht nicht ganz Ihren Vorstellungen.“ Georges Stimme klang forschend, jedoch nicht unfreundlich. „Weswegen sonst sollte Dave einen Termin mit mir vereinbaren?“
„Nun ja...“ Etwas verlegen nagte Selina an ihrer Unterlippe. „Sie hätten sich deshalb nicht extra hierher bemühen müssen.“
„Sie sind in jedem Fall die Mühe wert, meine Liebe“, erwiderte er charmant. „Also heraus mit der Sprache, um was geht es?“
Selina atmete tief durch. Sie war überzeugt, dass George ganz genau wusste, worum es ging. Dave Sullivan würde ihn mit Sicherheit bereits informiert haben.
„Ich habe um diesen Termin gebeten, weil ich über ein bestimmtes Thema schreiben möchte. Und zwar über die Armenküche von Destiny Beach“, sagte sie mit fester Stimme, aufmerksam sein Gesicht studierend.
Doch ganz gleich, was er in diesem Moment auch dachte, er verriet es mit keiner Regung. Sein Blick erinnerte sie an den einer Klappenschlange, geduldig die Beute fixierend, um im geeigneten Augenblick erbarmungslos zuzuschlagen.
„Ein äußerst nobles Vorhaben“, meinte er gedehnt. „Allerdings, ich muss gestehen, das Ganze ist im Augenblick etwas ungünstig.“
Selina war jedoch nicht gewillt, sich so einfach abspeisen zu lassen.
„Darf ich fragen, wieso?“
„Weil ich bereits an einen anderen Auftrag für Sie gedacht hatte, der ihre gesamte Zeit in Anspruch nehmen wird.“
„Hat der SENTINEL etwa noch ein Archiv?“, fragte sie in sarkastischem Unterton, doch George ignorierte die Bemerkung.
„Ihr Artikel über die Rettungsschwimmer hat mich sehr beeindruckt, und obwohl es Ihnen nicht gelungen war, den entsprechenden Lifeguard persönlich zu interviewen, scheinen Ihre Ausführungen großen Anklang unter den Lesern gefunden zu haben. Zumindest ist dies aus den zahlreichen Anrufen zu schließen, die Dave bekommen hat.“
„Er hat Anrufe bekommen? Auf meinen Artikel hin?“, staunte Selina. „Wieso hat er das heute Morgen nicht erwähnt?“
„Nun, er hatte es wohl vergessen. Auf jeden Fall möchte ich, dass Sie noch etwas mehr über die Lifeguards unserer Stadt recherchieren.“
„Noch einen Artikel?“
„Nein. Eine ganze Reihe.“
„Was?“ Ungläubig zog Selina die Augenbrauen zusammen. „Ist das Ihr Ernst?“
„Sie wollten doch schreiben. Nun haben Sie die Möglichkeit dazu. Ziehen Sie sich einen hübschen Bikini an und mischen Sie sich in den nächsten Tagen unter die Einsatzgruppe der Strandwacht. Folgen Sie den Leuten dort zu ihren Einsätzen und liefern Sie uns spannende Berichte. Ich lasse jeden Tag einen davon veröffentlichen.“ Er betrachtete sie schmunzelnd. „Außerdem würde Ihnen nach der vielen Arbeit im Archiv ein wenig Sonne sicherlich guttun, meine Liebe. Sie wirken etwas blass.“
CEC Corporation
Alli saß vor ihrem Computer und versuchte für David einen Bericht abzuschreiben, aber irgendwie kam sie heute nicht so recht voran. Seitdem ihr Boss im Büro aufgetaucht war, ließ er keine Gelegenheit aus, um ihre Nähe zu suchen und ihr ständig irgendwelche Komplimente zu machen. Sie konnte sich nach wie vor nicht erklären, warum er das tat, und diese Tatsache verunsicherte sie zutiefst. Er und Jack waren doch Freunde! Und außerdem war David Edwards ganz offensichtlich in die süße Kate aus Montana verliebt. Schwer verliebt! Man hatte neulich im DESTINY NIGHTS förmlich spüren können, wie es zwischen den beiden knisterte.
Oder vielleicht doch nicht?
Sogar der sonst so begriffsstutzigen Brenda schien Davids Verhalten aufgefallen zu sein, denn sie beobachtete jeden seiner Schritte mit offenkundigem Interesse.
Schließlich hatte Alli genug. Sie klappte den Ordner, mit dessen Inhalt sie beschäftigt war, geräuschvoll zu und drückte auf den Knopf der Wechselsprechanlage.
„David? Wenn Sie mich heute nicht mehr brauchen, würde ich gern Feierabend machen.“
Es war einen Augenblick lang still in der Leitung, dann erklang seine angenehme Stimme: „In Ordnung, Allison. Würden Sie bitte, bevor Sie gehen, noch einmal kurz zu mir hereinkommen?“
„Ja, sofort.“
Sie schaltete die Anlage wieder aus, fuhr ihren Computer herunter und ging vorbei an ihrer Kollegin, die jede ihrer Handlungen neugierig und argwöhnisch verfolgte, hinüber zu Davids Büro. Er saß an seinem Schreibtisch und telefonierte.
„Es bleibt dabei, wir treffen uns wie verabredet“, hörte sie ihn sagen und wollte sich sogleich diskret wieder zurückziehen, doch er bedeutete ihr mit einer raschen Handbewegung zu bleiben.
„Ja natürlich, nur keine Sorge, ich habe alles bestens im Griff. Bis später.“ Er legte auf und lächelte Alli freundlich an. „Bitte schließen Sie die Tür“, bat er. Während sie seiner Aufforderung nachkam, registrierte sie erstaunt, dass er aufstand und zielstrebig auf sie zukam. Dicht vor ihr blieb er stehen und sah sie an.
„Ich wollte mich bei Ihnen bedanken, mein Engel!“
„Wofür?“, fragte sie verunsichert.
„Für alles. Ihre hervorragende Arbeit, Ihre Loyalität mir gegenüber, das Passwort für Georges Computer...“ Er beugte sich blitzschnell vor und bevor sie wusste, wie ihr geschah, küsste er sie sanft auf die Wange. Instinktiv trat sie einen Schritt zurück.
„David, ich...“
„Verstehen Sie das bitte nicht falsch, das sollte nur ein kleines Zeichen meiner Dankbarkeit und meiner Wertschätzung sein.“
Alli starrte ihn nur ungläubig an. Was sollte das nun schon wieder? Sie hörte zwar seine Worte, aber sein hungriger Blick sagte etwas Anderes. Sekundenlang hielt sie diesen magischen blauen Augen stand, dann riss sie sich entschieden davon los.
„David, ich glaube, ich sollte da etwas klarstellen…“
In diesem Augenblick summte die Wechselsprechanlage, und Brendas aufgeregte Stimme erklang:
„Mister Edwards, da ist eine Miss Renee… Wie war doch gleich nochmal Ihr Name? Hey, Moment mal, Sie können da nicht einfach… Halt!!!“
Eine Sekunde später wurde die Bürotür schwungvoll geöffnet und eine schlanke, äußerst attraktive Blondine in modischen Designerjeans und sportlicher Lederjacke betrat eilig den Raum.
„Hör mal, Dylan“, begann sie, während sie die Tür hinter sich zuwarf, stutzte jedoch erschrocken, als sie sah, dass sich David nicht allein im Raum befand.
Fast im selben Moment riss Brenda empört die Tür wieder auf.
„Entschuldigung, Mister Edwards, aber diese unverschämte Person…“
David, der immer noch dicht vor Alli stand, trat hastig einen Schritt zurück und hob beschwichtigend beide Hände.
„Schon gut, Brenda, es ist alles in Ordnung. Renee ist eine alte Freundin von mir.“ Er räusperte sich und zwang sich zu einem verbindlichen Lächeln. „Danke, meine Liebe, Sie können jetzt gehen.“ Dann wandte er sich an Alli, die diese kurze Szene mit wachsendem Interesse beobachtet hatte.
„Alli, darf ich Ihnen Renee Parker vorstellen, eine gute Bekannte aus meiner Heimat. Renee, das ist meine persönliche Assistentin Allison Tyler. Sie arbeitet erst seit kurzem in der Firma, doch sie hat sich inzwischen unentbehrlich für mich gemacht.“
„Ja, den Eindruck hatte ich soeben auch“, murmelte Renee und setzte ein freundliches Lächeln auf, während sie Alli die Hand reichte. „Freut mich, Sie kennenzulernen, Miss Tyler. Ich hoffe, David macht Ihnen das Leben nicht allzu schwer?“
Alli lächelte so verbindlich wie möglich zurück.
„Nein, ich kann mich bisher nicht beklagen.“
„Nun, ich hoffe, das bleibt auch so“, meinte Renee mit einem Seitenblick auf David, und Alli konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Worte wie eine versteckte Drohung klangen.
War diese Frau vielleicht mehr als eine alte Freundin ihres Bosses?
David räusperte sich und lächelte gequält.
„Wir sehen uns morgen, Allison. Ich wünsche Ihnen einen schönen Nachmittag.“
„Danke, David“, nickte sie erleichtert und wandte sich noch einmal kurz an Renee: „Hat mich gefreut, sie kennenzulernen, Miss Parker.“
Bevor diese etwas erwidern konnte, verließ sie hastig den Raum.
Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, verschwand Davids Lächeln schlagartig.
„Was sollte das eben?“, herrschte er seine Besucherin ungehalten an. „Gerade du solltest doch wissen, dass man sich nicht derart leichtsinnig verhält.“
Die junge Frau ließ sich ungerührt in einen der Besuchersessel fallen.
„Das musst ausgerechnet du mir sagen, mein Lieber“, konterte sie. „Soll ich dich erst an einige unserer dienstlichen Grundsätze erinnern, oder willst du mir etwa weismachen, du und Little Beauty, Ihr beide hättet euch soeben über das Wetter unterhalten?“
„Mach dich nicht lächerlich“, knurrte er abweisend und strich sich nervös durchs Haar, während er in dem anderen Sessel Platz nahm. „Raus mit der Sprache, was zum Teufel ist derart wichtig, dass du unangemeldet hier hereinplatzt?“