Um es ganz einfach zu machen, ich bin ein Zwilling und auch noch die älteste Tochter von Elisabeth und Paul Oktober. Mein Rufname ist Pele, ich wurde nach der Feuergöttin von Hawaii benannt. Ma sagte mir mal, als ich alt genug war das zu verstehen, mein zehn Minuten älterer Bruder und ich, seien in Anwesenheit dieser Göttin, auf einem Berg gezeugt worden. Einesteils verweise ich das schon etwas ins Land der Fantasie – aber wenn meine geliebten Eltern dran glauben … Dann könnte ja irgendetwas Göttliches an PH (meinem Bruder) und mir haften.
Wir wuchsen, wie man so schön sagt, gut behütet auf. Für uns bedeutete das, wir hatten ein persisches Kindermädchen, die Saya, die uns umsorgte wie ihre eigenen Kinder. Und um es gleich zu sagen, die liebe ich heiß und innig, heute noch ist sie meine beste Freundin. Kein Wunder wohl, sie war ja, solange ich zurückdenken kann, immer um uns. Wir waren schon vier Jahre alt, als Ma uns mit einem neuen Zwillingspaar überraschte, Maiki und Kimba.
Aber davon wollte ich gar nicht so viel erzählen. Vielleicht noch, dass wir zweimal im Jahr umzogen. Einmal im Frühjahr von Stuttgart nach Italien. Meine Eltern haben dort ein großes Haus mit einem großen Park und im Herbst wieder zurück nach Stuttgart, in die Kälte. Ich war schon zehn Jahre alt, bis ich diese Umzieherei erst begriff: Pa ist Fotograf und muss das wegen der Arbeit.
Natürlich brachte das auch einige Problemchen mit der Schule. In Italien hatten wir Privatlehrer; in Stuttgart mussten wir in die normale Schule. Fast wie Zirkuskinder, sagte eine Lehrerin mal. Meinen Bruder PH ärgerte das so, dass er es Pa petzte. Danach war die Lehrerin besonders freundlich zu uns.
Aber ich will mich keineswegs beschweren. Wenn ich heute so nachdenke, wir Kinder hatten ein prima Leben, vor allem in Italien. Bald bekamen wir mit, waren wir in Stuttgart sehr fleißig, hatten wir es im Sommer sehr gut. Das hielt an, bis die mittlere Reife auf uns zukam. Als auch Saya uns noch dazu riet, entschlossen wir uns, dem Rat von Ma und Pa zu folgen. Wir wählten ein Internat in der Schweiz, wo wir bis zum Abitur bleiben sollen. Sicher Saya fehlte mir dort schon etwas, vor allem wenn ich Frauenfragen hatte. Aber mit den langen Sommerferien in Italien kamen wir dann doch gut zurecht.
Ich müsste es vielleicht gestehen, in der Schweiz, im Internat, hatten wir natürlich schon Freunde und Freundinnen, aber irgendwie hielten wir sie damals für verklemmt. Zum Baden konnten wir nie mit ihnen – vielleicht deshalb, weil wir es aus Italien gewohnt waren, zum Schwimmen nicht extra so komische Badekleidung anzuziehen. Heute, wo ich das schreibe, ist mir das Warum natürlich längst klar – das waren die zusätzlichen Freuden im Fotopark in Italien. Anderswo gab es das kaum. Ich machte es mir einfach – ich scherte mich damals nicht um andere.
Wir waren im letzten Jahr vor dem Abi. Ein langer Sommer in Italien. Da schleppte Pa plötzlich zwei persische Jungs an. Ebenfalls Zwillinge, Mohammed und Ismael Radama. Kinder der Prinzessin, die noch im Iran war, der jüngeren Schwester von Tante Rama. Dass Pa und Ma Graf und Gräfin waren, wussten wir inzwischen längst. Dass ich den Titel Prinzessin hatte, verschwieg ich lieber, nachdem ich im Internat in der Schweiz deshalb einmal ausgelacht wurde.
Mein Problem wurde jetzt aber ein ganz anderes, es kam wohl vor allem daher, dass ich in jenes seltsame Alter kam, wo aus Kindern Erwachsene werden. Irgendwie bekam ich immer ganz sonderbare Gefühle im Bauch, wenn immer ich Mohammed nahe kam – ich hatte mich verliebt. Natürlich hielt ich es erst geheim. Ich fürchtete allerdings, Mohammed merke etwas. Immer öfters betrachtete er mich, wenn wir nackt am großen Pool badeten. Ich muss gestehen, ich ihn auch. Beim Einschlafen kam mir sein Bild nur zu oft in den Sinn, und ich tat da Dinge mit ihm, von denen ich natürlich längst wusste, aber an denen ich bisher wenig Interesse hatte.
Ein Jahr später, PH und ich hatten das Abitur bestanden. Wir zogen um, zurück nach Italien. Mohammed und Ismael kamen ebenfalls. Auch sie hatten das Abitur bestanden, erst jetzt, da sie nach ihrer Flucht aus dem Iran, in dem Internat wo sie waren, am Bodensee, zurückgestuft wurden, weil ihr Wissen nicht ausreichte. Echt blöd so etwas. Jetzt allerdings hatten sie so gute Noten wie wir.
Pa, Ma, alle Tanten und auch Saya, hatten mit uns Studenten gleich zu Anfang der Ferien ein langes Gespräch. Es ging um unser Studium. Mohammed und sein Bruder waren für Jura. PH fand es ebenfalls sinnvoll. Und ich? Eigentlich wollte ich auch Schriftstellerin werden, wie Omama, schloss mich einfach an. Heute weiß ich es natürlich, es war nur wegen Mohammed. Ich konnte damals nicht mehr klar denken -- er war für mich einfach der Mann. Ich wollte ihn zu meinem Mann. Vor allem, weil es in diesen Ferien zum ersten Mal geschah, heimlich natürlich, wir küssten uns. Ich gestehe es, wir schmusten auch, wenn er dabei auch wesentlich mehr Erfahrung zeigte als ich. Zu dem, was ich mit ihm tun wollte, kam es aber nicht. Als wir darüber sprachen, erklärte er mir, er wurde mich gerne heiraten. Aber in Persien sei es üblich, nur eine Jungfrau zu heiraten. Und ich dumme Kuh verzichtete darauf, meinem innigsten Wunsch nachzukommen. Besonders dumm, ich sprach nicht mit meinen Eltern. Das hätte mir viel Kummer erspart.
Bei diesem Gespräch wurde aber auch noch besprochen, dass wir alle in Stuttgart studieren und in unserem Haus dort wohnen sollten. In mir keimte wieder eine kleine Hoffnung auf. Vielleicht konnte ich meinen Liebsten ja doch noch überreden, denn eines war klar, ein Studentenehepaar wollten wir nicht werden. Und das bedeutete warten.
Dann geschahen gleich zwei Dinge, die mein Leben verändern sollten: Ein fanatischer Mullahanhänger, der rausbekommen hatte, dass Mohammed in Persien echter Prinz war, und was sogar ich nicht einmal wusste, ein Anrecht auf den Pfauenthron hatte, griff ihn mit dem Messer an. Mein Zwillingsbruder PH, zudem ich natürlich ein ganz besonders Verhältnis hatte, schritt auf den Kerl zu. Mit einem Schlag auf den Kopf war die Angelegenheit fast erledigt. Bereits blutüberströmt in den Armen meines Geliebten, sah ich noch, mein Bruder PH, kann eine verdammte Bestie sein. Er trat mit dem Fuß zu, traf die Hand mit dem blutigen Messer. Es schnellte hoch und der Attentäter fiel in sein eigenes Messer, wobei er tödlich verletzt wurde. Ich selber kam ins Krankenhaus. Zum Glück wurde ich wieder, auch wenn ich seither auch etwas Silikon in einer Brust habe, um die große Narbe zu verdecken, welche die Operation hinterließ. Einiges an meiner Brust musste halt weg, durch die böse Schnittverletzung, die mir zugefügt wurde.
Das wesentlich Schlimmere aber war, ich erfuhr es später von Ma und Pa, Mohammed ist mein Halbbruder. Ich hasste Pa erst dafür, nahm er mir doch alles, was ich mir ersehnt hatte. Zu seinem Glück verstand ich allerdings, was da los war. Prinzessin Marni war in Not, ihr Mann konnte keine Kinder zeugen. Das hieß für Marni, ihn zu verstoßen oder anderweitig Hilfe zu erlangen. Ma, damals noch nicht mit Pa verheiratet, stimmte zu und Pa half Marni und ihrem Mann aus der Misere. Wie konnte ich ihm da ernsthaft böse sein.
Mohammed wusste jedoch Bescheid, ihr Ziehvater, immer noch der Mann von Prinzessin Marni gestand es ihm. Da es in Persien nicht verboten war, die Halbschwester zu heiraten, ging er als junger Mann die Ehe mit Marni ein. Völlig unerwünscht wurde aus unserem Schmusen immer weniger, wenn auch Mohammed, so wie auch ich, von anderen Partnern nichts wissen wollte. Das tat allerdings nur unserem Studium gut, das Mohammed vorzeitig beenden konnte.
Mir machte allerdings Jura bald keinen Spaß mehr. Anstelle Fantasie waren nur Paragrafen gefragt. Ich konnte Pa überzeugen, abzubrechen und zu Literatur zu wechseln. Dort machte mich aber bald ein gewisser Jörg an. Er muss warten, bis ich zu mehr bereit bin. Noch war die Liebe zu Mohammed nicht erloschen – ich wollte, dass ich mit ihm, und nur mit ihm, meinen sehnlichsten Wunsch erfüllen konnte. Nur von ihm wollte ich zur Frau gemacht werden.
Und dann kamen Pa und Ma zu einem Kurzbesuch nach Stuttgart. Sie sprachen noch einmal sehr eindringlich mit mir. Ich wusste ja, dass sie Recht haben. Dann kam aber ein Vorschlag, dass ich fast im Himmel schwebte. Ich bekam einen herrlichen Urlaub für zwei Personen geschenkt. Es würde nicht nachgefragt werden, wenn ich zusage, danach sei Mohammed nur noch mein Bruder. Ich sagte zu – so oder so.
Kaum waren meine Eltern weg, sprach ich mit meiner alten Liebe, konnte sie überzeugen. Er flog mit mir nach Malé und machte mich dort zur Frau.