Ratibor, Polen
Danuta saß an dem kleinen Schreibtisch, den sie in einer Ecke ihres Wohnzimmers aufgestellt hatte. Vor ihr lag ein leeres Blatt Papier. Gedankenversunken kaute sie an ihrem Kugelschreiber und überlegte, wie sie ihren Brief an Pele am besten beginnen sollte. Nachdenklich schaute sie aus dem Fenster hinunter in den kleinen Park vor dem Haus. Kinderlachen klang leise durch das geschlossene Fenster. Danuta erinnerte sich an die Zeit, als Pele mit ihrem Vater Paul und dessen Team im Hotel von Bogdans Mutter waren. Wenn Pele nicht gewesen wäre, würde sie selbst heute noch wie kopflos und blind durch Ratibor irren und einen Mann fürs Leben suchen. Dabei war der bereits so nah bei ihr.
Inzwischen war Danuta mit Bogdan zusammengekommen. Sie war dann aber doch sehr erstaunt, als Bogdan es endlich wagte, ihr einen Antrag zu machen. Pele hätte ihn darauf gebracht, gestand er ihr wenig später, als sie nach dem Grund seines Antrages fragte. Seitdem waren er und Danuta ein Herz und eine Seele. Auch mit Bogdans Mutter kam sie gut zurecht. Später, wenn sie verheiratet waren, sollte Danuta ganz ins Hotelgeschäft einsteigen und ihren Job als Model an den Nagel hängen.
Ein wenig traurig war sie schon, nicht mehr als Model zu arbeiten, aber ihr war eine Zukunft mit Bogdan wichtiger als ihr Modeljob. Sie liebte Bogdan sehr und freute sich schon auf eine gemeinsame Zukunft mit ihm. Ab und an würde sie trotzdem, wenn es die Zeit zuließ, kleine Jobs annehmen und sich damit ein kleines Zubrot verdienen, auch wenn sie das dann nicht mehr nötig haben würde.
Doch vorerst stand die Verlobung mit ihm vor der Tür. Das wollte sie ihrer Freundin mitteilen und sie mit ihrem Verlobten einladen.
Sie schrieb:
Liebste Pele
Du wirst dich bestimmt noch daran erinnern, wer ich bin. Danuta, das Model aus Ratibor, mit dem Du im Badezimmer so schöne Spielchen getrieben hast. Eigentlich sollte ich Dir danken, dass ich Dich kennenlernen durfte. Du erinnerst Dich bestimmt auch noch an Bogdan, den Sohn der Hotelbesitzerin. Bogdan hat mir einen Antrag gemacht. Ich habe ihn angenommen. Aber erst, nachdem ich genügend Bedenkzeit hatte und Bogdan auf Herz und Nieren geprüft habe. Er gestand mir, Du hättest ihm geraten, um mich zu werben. Auch Eure nächtlichen Eskapaden und das Zwischenspiel in der Sauna gestand er mir. Doch das nehme ich ihm nicht übel, er war ja frei, als Ihr es getan habt. Du wirst Dich bestimmt ein wenig wundern, dass wir, trotz dass wir katholisch sind und Sex vor der Ehe nicht erlaubt ist, es doch schon gewagt haben, miteinander zu schlafen. Bogdan ist ein sehr begabter Liebhaber. Wir kommen sehr gut miteinander zurecht. Ich freue mich schon sehr, endlich seine Frau zu werden und mit ihm eine Familie zu gründen. Ja, Du liest richtig, wir beide wollen auch Kinder haben. Aber damit lassen wir uns noch Zeit bis nach der Hochzeit.
Dies ist auch der Grund meines Schreibens an Dich. Bogdan und ich wünschen uns sehr, Dich und deinen Jörg, von dem du so lieb erzählt hast, zu unserer Verlobung zu sehen. Sie soll schon im nächsten Monat stattfinden. Ihr beide seid herzlichst eingeladen.
Um die Unterkunft musst Du Dir keine Gedanken machen, die wird selbstverständlich Bogdans Mutter in ihrem Hotel zur Verfügung stellen. Dort wird auch die Verlobungsfeier stattfinden, Platz genug ist dort.
So, liebe Pele, jetzt habe ich Dir die wichtigsten Punkte mitgeteilt und hoffe, Ihr könnt es einrichten und zu uns nach Polen reisen. Bogdan und ich erwarten Euch frohen Mutes und voller Hoffnung.
Liebe Grüße Danuta
Danuta beendete ihren Brief. Das Blatt Papier war nun gefüllt von vielen Buchstaben, die sich zu Wörtern zusammensetzten und diese zu Sätzen. Noch mehrmals las sie den Brief aufmerksam durch. Kein Fehler sollte sich eingeschlichen haben. Sie war stolz darauf, in der deutschen Sprache so gut wie fehlerfrei zu sein.
Nun überlegte Danuta, an welche Adresse sie den Brief an Pele schicken sollte. Doch dann erinnerte sie sich, dass der Oktoberklan den Sommer über in Italien ist und die Wintermonate in Stuttgart verbringt. Jetzt war es Anfang November, die Zeit in Stuttgart hatte also begonnen. Schnell war Peles Adresse dort herausgesucht und auf den Umschlag geschrieben. Das Blatt Papier wurde zusammengefaltet und in den Umschlag gesteckt.
Kaum hatte Danuta dies getan, klingelte es an ihrer Wohnungstür. Sie sah auf die Uhr und erinnerte sich, dass Bogdan sie heute besuchen wollte und sie über die Verlobungsfeier sprechen wollten. Die Gästeliste musste noch aufgearbeitet werden.
Sie ging zur Tür und öffnete diese. Wie erwartet, stand Bogdan davor.
„Hallo meine Süße“, begrüßte er Danuta, als sie ihn in die Wohnung ließ.
„Entschuldige bitte das etwas längere Warten“, versuchte sich Danuta zu entschuldigen. „Ich war eben dabei, einen Brief zu schreiben.“
„Du musstest wohl einen Brief an einen Liebhaber schreiben, dass es so lange dauerte, bis du die Tür geöffnet hast“, stichelte Bogdan.
„Ach, du“, rief Danuta und boxte ihren Schatz in die Seite. „Pele ist die Empfängerin, kein Liebhaber.“
„Pele? Oh, was gibt es denn Wichtiges mitzuteilen?“, fragte Bogdan.
„Ich habe sie und ihren Jörg zu unserer Verlobung eingeladen. Immerhin hat sie auch einen Anteil daran, dass wir zusammengekommen sind“, sagte Danuta.
„Du hast recht. Du bist eine sehr schlaue Frau“, freute sich Bogdan und küsste sie zärtlich auf den Mund.
„Nimmst du nachher den Brief bitte mit und steckst ihn in den Postkasten. So ist er diese Woche noch bei Pele“, bat Danuta. „Hoffentlich bekommen wir bald Antwort von ihr“, setzte sie noch hinten dran.
Vier Tage später in Stuttgart
„Pele, du hast Post“, ruft Jörg von unten aus der Halle nach oben, wo ich in meinem Zimmer sitze und am PC einen Artikel für Mikel schreibe.
„Wer will denn was von mir?“, rufe ich zurück.
„Jemand aus Polen, eine gewisse Danuta. Kennst du da jemanden mit diesem Namen?“
„Oh, Danuta. Wie schön“, freue ich mich und hüpfe aufgeregt die Stufen nach unten. Ich reiße Jörg den Brief aus der Hand und öffne ihn.
Aufmerksam lese ich die wenigen Zeilen, die Danuta geschrieben hatte.
„Wie geil ist das denn?“, jauchze ich, als ich den Brief zu Ende gelesen habe.
„Was ist los?“, fragt Jörg erstaunt über meinen emotionalen Ausbruch.
„Was Schönes ist los. Danuta und Bogdan haben uns zu ihrer Verlobung im nächsten Monat eingeladen. Sie möchten gerne wissen, ob wir hinkommen. Wollen wir? Bitte. Ich möchte gerne hin“, bequatsche ich Jörg, der Null Ahnung hat. Ich reiche ihm den Brief, damit er ihn auch lesen kann.
„Denk dran, du könntest schwanger sein. Wäre das nicht etwas anstrengend, dahin zu fliegen?“, versucht dieser meine Aufregung zu bremsen.
„Ach, schwanger sein ist doch keine Krankheit“, gebe ich zum Besten.
„Gut, dann fliegen wir aber, das ist bequemer als die weite Reise von Stuttgart aus bis nach Ratibor mit dem Auto zu machen“, meint Jörg, was mich dazu bringt, ihn zu überfallen und abzuschmatzen.
„Ich rufe gleich bei Danuta an“, rufe ich aufgeregt und stürme zurück nach oben in mein Zimmer, um dort sogleich den angekündigten Anruf zu tätigen.
Ratibor, Polen
In Danutas Wohnung klingelt das Telefon Sturm. Eigentlich wollte sie das Gespräch nicht annehmen, doch der Anrufer lässt nicht locker, das Telefon klingelte weiter ununterbrochen.
Ein wenig genervt nahm Danuta den Hörer ab. „Matuszcyk“, meldet sie sich mit ihrem Familiennamen.
„Danuta, bist du das?“, hört diese meine Stimme aus dem Hörer.
„Ja, hier ist Danuta. Aber wer sind sie?“, wird die Anruferin gefragt.
„Ich bin es, Pele“, wird nun das Rätsel gelöst.
„Pele“, ruft Danuta erfreut aus. „Was gibt mir die Ehre deines Anrufs?“
„Na, deine Verlobung natürlich. Du hattest mir doch geschrieben und uns eingeladen“, antworte ich. „Auf Jörg und mich kannst du zählen. Wir kommen gerne zur Feier. Wir freuen uns sehr, dass Bogdan und du zusammen gefunden habt.“
„Ja, Bogdan ist wirklich ein ganz Lieber“, beginnt Danuta sofort zu schwärmen.
Wir Zwei plaudern einige Zeit am Telefon, bis es für mich wieder Zeit wird, mich meiner Arbeit zuzuwenden. Wir verabschieden uns sehr herzlich, nicht ohne nochmals zu beteuern, wie sehr wir uns auf unser nächstes Zusammentreffen freuen.