Meist verbringe ich die Faschingszeit in Stuttgart, ging auch zu Bällen und hatte da mächtigen Spaß. Doch dieses Jahr sollte es einmal etwas Besonderes werden. Ich beschließe also, Rosenmontag in Köln zu verbringen. Mein Jörg wollte nicht mit, meinte aber, ich solle doch auch ohne ihn Spaß haben.
Immerhin konnte ich drei Freundinnen begeistern, mitzukommen. Wir wollten dort so richtig die Sau rauslassen. „Ein richtiger wilder Weibertrupp“, meinte Pa schmunzelnd, als er uns zum Bahnhof brachte.
In Köln ist ganz schön was los. Ganz anders als in Stuttgart, wo Fasching ja nicht so gefeiert wird. Und wir mitten drin im Kölner Trubel, meine Freundinnen und ich. Natürlich haben wir uns auch standesgemäß verkleidet. Ich trage ein sehr aufreizendes Kostüm, knall eng, Ausschnitt bis zum Bauchnabel, kurzes Röckchen. Halt ganz auf Susi Lovejoy getrimmt – In der Hoffnung, auch für Mikels Magazin was Passendes zum Fasching schreiben zu können.
Staunend stehen wir am Straßenrand und beobachten den enormen Umzug. Der Trubel reißt uns einfach mit. Binnen Kurzem sind wir mittendrin und lassen uns treiben. Um uns herum nur maskierte Menschen, wo ich manchmal an mir selbst zweifele, ob das denn normal sei, was hier veranstaltet wird. Aber gut, es war ja Rosenmontag und es herrscht Narrenfreiheit.
Um uns herum wird gebützt, wie die Kölner zum Küssen sagen. Vollkommen fremde Menschen knutschen einander was das Zeug hielt.
Ich hatte mir vorgenommen, heute einen geilen Typen aufzureißen. Es war ja erlaubt, gebeichtet wird später. Meine Freundinnen nannten mich ein verrücktes Huhn. Wenn sie sich auch noch verrückter zu sein gaben als ich. Die drei hingen nur zu bald in den Armen von Typen, die zwar schräg aussahen, ihnen aber zu gefallen schienen.
„Wir treffen uns im Hotel!“, höre ich sie mir zurufen und schon sind sie in der tobenden Menge verschwunden. Ich bleibe etwas geschockt zurück. Mein Selbstbewusstsein war schon etwas gesunken, wenn nicht sogar schon fast unten. Ich war es gar nicht gewohnt, dass meine Freundinnen zuerst einen Typen abschleppten und ich ohne Begleitung zurückbleiben musste.
Etwas verlassen werde ich in der tanzenden Menge hin und hergeschoben und wusste nicht so richtig, was ich jetzt tun soll. Alles um mich herum war fröhlich, lachte, trank, knutschte. Was bleibt mir übrig, als mich einfach treiben und von der fröhlichen Menge mitreißen zu lassen.
Plötzlich werde ich von hinten geschubst. Der Stoß kommt unverhofft und reißt mich um. Ich stürze auf die Knie und schlage sie mir auf. Die schmerzende Stelle reibend sitze ich am Boden und versuche, den Schmerz zu ignorieren. Etwas Blut rinnt über die zerrissene Strumpfhose an meinem Schienbein nach unten.
„Entschuldige, das wollte ich nicht“, höre ich eine männliche Stimme sagen.
Ich schaue nach oben. Als erstes sehe ich in Clownhosen gekleidete Beine und riesige Schuhe in knallrot. Dann folgt ein langes, zerknittertes T-Shirt, das auch schon bessere Zeiten gesehen haben musste. Als ich weiter schaue, erkenne ich nur ein verlegen lächelndes Gesicht mit einer Clownsnase und wirr vom Kopf abstehenden roten Haaren. Der Mund ist grell geschminkt, aber er lächelt.
„Komm, ich helfe dir“, sagt der komische Typ wieder und hilft mir wirklich auf. Er greift nach meinem Arm und führt mich durch die Menge an den Straßenrand.
Dort stehen wir nun. Ich sehe ihn mir genauer an. Irgendwie kommt mir das Lächeln bekannt vor, aber die Clownsmaske und die Schminke lassen es nicht zu, ihn zu erkennen.
Wieder grinst der Clown. Er zieht mich einfach an sich und bützt mich. Dabei verrutscht seine Perücke.
Als ich die Augen wieder öffne und ihn genauer ansehen kann, geht mir ein Licht auf, nein, sogar ein ganzer Kronleuchter stahlt plötzlich hell: „Jörg, duuuu auch hier!“, kann ich nur erstaunt, aber überglücklich, sagen. Dann versinke ich in einem tiefen Kuss.