Nach dem völlig verrückten Maskenball von gestern hatte ich überhaupt kein schlechtes Gewissen oder so was. Mein Jörg hat mich dann endgültig wieder auf die rechte Schiene gebracht. Ich hatte nun mit genug Männern das manchmal etwas zweifelhafte Vergnügen. Mit einigen, vor allem am gestrigen Abend, auch nur einen Anpassungstest. Ich denke, nun habe ich genug Wissen, um für Mikel das schreiben zu können, was er gerne für seine Leser hätte. Was für mich aber das Wichtigste ist, kam mir erst heute Morgen in den Sinn, während mein fauler Jörg, noch lautstark schnarchend neben mir schläft. Ich versuche ihn wach zu küssen. Er knurrt nur und dreht sich auf die andere Seite. Ich spreche ihn an. Er zieht sich nur die Decke über den Kopf. Was bleibt mir übrig: ich kitzle ihn wach.
„Verdammt noch mal, was willst du mitten in der Nacht …“, mit diesen Worten setzt er sich endlich im Bett auf. Seine Augen sind noch verschlafen trübe.
„Den Hochzeitstermin festlegen, damit ich mich seelisch aufs Kinderkriegen vorbereiten kann“, sage ich lautstark, damit er mich auch wirklich hört und endlich mal wach wird.
„Waaas?“, ruft er aus und richtet er sich noch steiler auf. Seine Augen sind mit einem Mal klar und er hellwach. „Soll das bedeuten, dass du endlich zu Vernunft kommst?“
„Endlich?“, frage ich fast beleidigt zurück. „Wir haben doch schon vor unserer Verlobung festgelegt, zu prüfen, bevor wir uns binden. Nun. Ich habe zu Ende geprüft. Und du? Du hast ja schon früher damit angefangen zu prüfen. Eigentlich müsstest also auch du endlich zu einem Ergebnis gekommen sein.“
„Mein Ergebnis heißt schon lange Pele“, kommt es zu meiner Überraschung zurück.
„Du meinst mich?“, versichere ich mich noch einmal. „Und warum machst du dann noch mit anderen Weiber rum?“
„Damit du endlich erkennst, dass du mir nicht ewig auf der Nase herumtanzen kannst!“, grinst dieser Arsch mich jetzt auch noch an.
So eine Art Zorn – nein Wut – oder war es sogar Eifersucht? - kommt in mir hoch. Die Gedanken, die mir heute Morgen jedoch schon durch den Kopf gingen, hielten mich zurück, lautstarke Bemerkungen ihm gegenüber zu machen. Er hatte ja Recht, ich bin – nein, ich war bisher ja wirklich eine unmögliche Frau. Ich schlief mit vielen – und war mir nicht einmal sicher warum, bis ich es heute Morgen, beim wach werden endlich begriff. Mohammed war meine erste wirkliche Liebe. Sie durfte nicht sein. In meiner damaligen verzweifelten Not, ließ ich Jörg an mich ran. Das Blöde, ich wehrte mich dagegen, ihm gegenüber Gefühle aufkommen zu lassen. Aus diesem Grunde, so erkannte ich erst jetzt, ließ ich mich mit anderen Männern ein, obwohl ich längst erkannt habe, Jörg passt zu mir und er ist der Mann, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen möchte. Ich mag ihn – nein falsch! Inzwischen liebe ich ihn. Deshalb stimmte ich auch der Verlobung zu. Mohammed ist nun für immer passé. Selbst wenn mir einer der anderen Männer auch halbwegs sympathisch war, länger zusammen sein würde ich mit keinem von ihnen wollen. Mir ist gerade heute absolut klar geworden, warum ich immer wieder sehr gerne zu Jörg zurück komme. Heute bin ich bereit, es ihm zu sagen:
„Ich liebe dich Jörg. Ich liebe dich mehr als ich es selbst wahrhaben wollte“, sage ich leise.
„Du meinst das wirklich so, wie du es sagst?“, zeigt sich mein Zukünftiger nun doch etwas überrascht.
Ich konnte gerade noch „Ja“ sagen, da wurde mein Mund für längere Zeit verschlossen. Danach begann der neue Tag mit weiteren Liebkosungen meiner absoluten Nummer eins an.
Als ich sehr glücklich gegen halb neun aufwache, ist mein Kopf klar, ich hatte meine Zukunft für mich beschlossen. Als Jörg dann auch aufwacht, bedeutete ich ihm, ich würde mit meinen Eltern reden, wie es mit einer Hochzeit zum Jahresende sei. Mein Bräutigam, ich fürchte heute nenne ich ihn in Gedanken erstmals so, ist einverstanden. Nur noch eines liegt mir auf der Seele – das mit unserer Zukunft aber so gut wie nichts zu tun hatte. Meine Gedanken waren, nun nachdem meine privaten Angelegenheiten geregelt sind, wohl bereits wieder bei der Arbeit.
„Warum nur, bist du gestern doch über die arme Johanna hergefallen, hast sie sogar bis zu einem Ergebnis genagelt?“, frage ich meinen Wüstling.
„Ha?“, kommt es fragend. Dann gesteht er. „Ich wollte ihr zeigen, was nicht ging. Sie kam schnell auf die Idee, dass ich so ein Fall war. Ich tat ihr weh. Sie maunzte. Natürlich ließ ich schnell von ihr ab, entschuldigte mich sogar. Aber nun weiß sie auf was sie auch zu achten hat.“
„Du Wildsau – du liebe“, ist alles was mir dazu einfällt.
Den Eltern kann ich beim Frühstück nichts mehr sagen, was Jörg und mich betrifft. Ma ist merkwürdiger Weise nicht beim Frühstück. Dabei ist sie sonst doch eher eine der ersten. Hatte sie womöglich gestern auch … Wenn Pa noch so agil ist, wie ich in Ratibor sehr wohl feststellen konnte, warum soll es Ma dann nicht auch noch sein. Tante Kim und Tante Gina machen ebenfalls einen leicht angeschlagenen Eindruck.
Der Abschluss der Konferenz? Ich hatte den Eindruck, es wäre besser gewesen, sie bereits gestern abzuschließen. So richtig munter ist heute keiner bei der Sache.
Meine Eltern sehe ich erst abends in der Lounge wieder. Die Gelegenheit über meine privaten Entschlüsse zu reden, ergibt sich aber nicht. Der Grund ist allerdings ein völlig anderer. Er heißt Blondi!
Wie eine Zornesfurie betritt sie die Lounge. Hinter ihr Willi, mit Johanna an der Hand. Blondi kommt direkt auf mich zu, erhebt gar die Hände. Johanna hat geschwätzt war alles, was mir einfiel. Ich kann gerade noch die Hände schützend zum Kopf nehmen, da ist Blondi auch schon bei mir. Ich erwarte eine Ohrfeige oder eine Kopfnuss und bin doch sehr erstaunt, dass sie mich stattdessen liebevoll in den Arm nimmt. Nur mit halbem Ohr bekomme ich mit, dass sie mich sogar lobt. Ich bin einfach zu verblüfft.
Als ich so halbwegs wieder zu mit komme, ist Blondi eben dabei, ihre Tochter zu zwingen, und das noch gegenüber meinen Eltern, zu gestehen, was sie sich gestern geleistet hatte. Nun ja, tüchtig, tüchtig, muss ich innerlich doch grinsen. Dann falle ich doch fast vom Hocker: war das der Grund, warum meine Schutzbefohlene gestern so früh ging? Ihr schien doch tatsächlich das geschehen zu sein, was sich jedes junge Mädchen wünscht: Sie hatte ihren Traummann gefunden, sich sogar in ihn verliebt. Und gelernt hatte sie wohl auch, sie hatte sich mit ihm verabredet. Sie wollte wohl erste aufkommende Hitze nicht Wegbereiter ihres aufkeimenden Glücks sein lassen.
Ich komme schnell wieder zu mir, als ich die vielen lächelnden Gesichter sehe. Johanna bekommt Ausgang:
„Und dass es keiner wagt, morgen, am Ort der Verabredung herum zu schnüffeln. Johanna hat das Recht, ihre erste Verabredung allein zu erleben. Ihr habt euch diese bestimmt auch genommen“, stelle ich mich schützend vor die junge Liebe.
Jörg und ich liegen wieder in unserem Bett. Eine erste Runde haben wir bereits hinter uns. Sie war einfach fällig, als ich an das Glück von Johanna dachte. Ich hoffe für sie, dass sie keine solche Überraschung erleben wird, wie ich einst. Aber nun hat, völlig unvermutet für mich, Jörg plötzlich einiges zu sagen.
„Hör‘ mal, meine Liebe, heiraten zum Jahresende ist gut“, beginnt er. „Bis dahin gelten noch unsere bisherigen Regeln: Nur wenn wir längere Zeit getrennt sind, darf Abhilfe durch andere vorkommen.“
„Vom Prinzip her ja“, antworte ich keck, „aber ab sofort gilt, bei erster Gelegenheit wird dem Partner ausführlich gestanden, was genau vorfiel.“
„Du meinst – dann wirst du ja bloß wieder scharf“, murrt er etwas.
„Das ist ja der Sinn der Übung“, bleibt mir nur noch übrig, zu grinsen.
„Und wie ist es mit dir?“, hakt er nach. „Wolltest du nach der Heirat nicht …“
„Ich liebe doch nur dich“, gebe ich zu. „Du wirst mir dann schnellstens ein Kind machen. Genau genommen will ich zwei. Wenn ich schwanger bin, läuft mit anderen Männern, was Beischlaf angeht, sowie so nichts. Danach, mein Schatz, reden wir. Im Übrigen gelten ab der Hochzeit die Oktober Hausregel: Alles ist möglich außer Beischlaf. Das gilt auch für deine Tätigkeit mit anderen. Du bekommst aber drei Freischüsse und ich verlange einen!“
Die Vereinbarung wird getroffen. Dann geht es zur nächsten Runde über …