Ein Hieb folgte dem nächsten, ohne dass sie etwas dagegen hätte tun können. Am Anfang ihrer Ausbildung war sie gar nicht geschlagen worden. Mit der Zeit nur dann, wenn sie wieder sehr schlecht log und selbst da hatte Jaqen aufgehört, sobald sie geblutet hatte. Und damals waren die Schläge meistens gegen ihren Oberkörper gegangen. Das hier war nun aber schon der dritte Schlag gegen ihr Gesicht gewesen und niemand hatte zu ihr gesprochen.
„Was wollt ihr von mir?!“, rief sie irgendwann wutentbrannt. Als Antwort erhielt sie jedoch nur einen weiteren Schlag und biss sich dabei so heftig in die Zunge, dass sie Blut schmecken konnte.
Instinktiv machte sie einen schnellen Schritt zur Seite, doch das nützte ihr nicht viel; entweder sie war zu langsam ausgewichen oder ihr Angreifer hatte mit dieser Reaktion gerechnet. Sie war ja nicht einmal mehr sicher, wer genau dies tat. Ob es nun Jaqen oder die Heimatlose war, sie wusste ohnehin nicht, wer die beiden in Wirklichkeit waren. Doch weisst du, flüsterte eine kleine, gehässige Stimme in ihr. Niemand.
Eigentlich war es auch egal, sie fragte sich sowieso, warum man sie noch hier behielt. Hatte sie wirklich noch die Chance etwas zu lernen oder würde man sie nur so lange hier behalten und verprügeln, bis sie ihre Strafe "abgesessen" hatte? Obwohl sie sich eingestehen musste, dass es für sie weitaus schlimmer hätte ausgehen können.
Während all diese Gedanken in ihrem Kopf herumschwirrten, versuchte sie sich auf ihre anderen Sinne zu konzentrieren. Doch ihre Ohren waren nicht sonderlich hilfreich, denn auch wenn um sie herum eine schon fast unnatürliche Stille herrschte, konnte sie neben ihrem Herzschlag und Atem kein anderes Atemgeräusch ausmachen. Wo war nur die Katze, wenn man sie einmal brauchte?
Seit sie nichts mehr sehen konnte, träumte sie jede Nacht von einer Wölfin und obwohl sie während der Träume im Körper des Tieres zu stecken schien, war sie sich fast sicher, dass es sich dabei um Nymeria handelte. Wie das möglich sein sollte, konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen. Doch es war nicht nur die Wölfin. Als sie eines Tages eine Katze gestreichelt hatte, hatte sie sich auf das Fell und den warmen Körper neben sich konzentriert - bis sie sich plötzlich selbst in dem Tier befunden hatte. Sie hatte sich selbst durch die Augen des Tieres gesehen und festgestellt, dass sie sogar noch elender aussah, als sie es erwartet hätte.
Doch heute war kein Tier in der Nähe - und auch ihr Angreifer schien sich für diese Nacht zurückgezogen zu haben. Müde kehrte sie zu ihrer Pritsche zurück, die fast genauso hart war wie der Boden. Morgen würde wieder ein langer Tag werden.
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Es war seltsam, doch zumindest was ihren Orientierungssinn in Braavos betraf, stellte die Blindheit kein wirkliches Probleme dar. Sie musste sich zwar ständig an den Hauswänden entlang bewegen, doch wenn sie die Lücken zusammenzählte, die sich an den Hausmauern bildeten, wenn eine weitere Strasse abbog, konnte sie sich die Zahlen merken. Drei Gassen geradeaus, dann links abbiegen, zwei weiter, wieder links und dann drei weitere, bevor sie ein letztes Mal nach rechts abbog. Und schon hatte sie ihr Ziel für diesen Tag erreicht.
Sie liess sich auf der Treppe nieder, stellte eine leere Schüssel vor sich hin und wartete.
Dutzende Menschen gingen im Verlaufe des Tages an ihr vorüber und manche von ihnen warfen tatsächlich eine Münze in die Schüssel. Wahrscheinlich wäre die Ausbeute deutlich geringer ausgefallen, wäre ihr Gesicht nicht mit Blutergüssen und Schorf überzogen.
Sie versuchte sich selbst einzureden, dass dies der einzige Grund war, warum die Ausbildung in letzter Zeit so brutal geworden war. Doch in Wahrheit wusste sie es besser. Nicht einmal sich selbst konnte sie belügen.
Auch die Illusion beschäftigte sie noch immer, auch wenn sie in der Zwischenzeit wusste, dass Jaqen noch lebte. Die Verzweiflung, die sie in jenem Moment empfunden hatte, liess sie dennoch nicht los. Spätestens nach dem Tod ihres ältesten Bruders und ihrer Mutter hatte sie sich geschworen, nichts und niemanden mehr an sich heranzulassen. Wer niemanden hatte, konnte auch niemanden verlieren. Offensichtlich war sie in diesem Punkt kläglich gescheitert.
Ihr eigenes Gesicht zu sehen war hingegen keine Strafe, sondern eine Drohung gewesen und zwar die deutlichste von allen.
Harsch schüttelte sie alle Gedanken ab und konzentrierte sich wieder auf ihre Umgebung. Unter der Identität von Beth, einer blinden Bettlerin, sollte sie alles belauschen, was hier vor sich ging, egal wie unbedeutend es auf den ersten Blick auch scheinen mochte. Aber etwas Hilfe konnte ja nicht schaden, denn in der Zwischenzeit war die Katze wieder aufgetaucht und Arya beobachtete alle Menschen um sich herum durch deren Augen.
Da war ein Gemüsehändler, der mit einer Kundin feilschte, ein Fischer, der gerade mit einem Kessel voller Fischabfälle an ihr vorbeiging und ein paar Kinder, die auf sie deuteten und lachten. Sie wusste nicht warum, aber dieses Lachen versetzte sie augenblicklich mehrere Jahre in ihre Vergangenheit und sie sah Jeyne Pools und Sansas Gesicht so deutlich vor sich, dass es fast erschreckend war. Arya Pferdegesicht. Kein sonderlich freundlicher Spitzname, aber genau diesem nicht allzu hübschen Gesicht und ihrem nicht gerade weiblichen Körper hatte sie es wohl zu verdanken, dass sie in den letzten Jahren wirklich nur verprügelt worden war.
Das eine Mädchen flüsterte dem Jungen etwas ins Ohr und dieser hob grinsend einen kleinen Stein vom Boden auf. Er kam die Treppe herauf auf sie zu, warf die Kieselsteine mit der einen Hand auf die Münzen, damit es klang, als würde er selbst eine hinzufügen und schnappte sich mit der anderen ihre sämtliche Ausbeute von diesem Tag.
Es wäre eine Lüge, wenn sie behaupten würde, dass es sie nicht ärgerte, allerdings waren das hier Strassenkinder und sie war sich ziemlich sicher, hätte man sie damals im Haus von Schwarz und Weiss nicht aufgenommen, hätte sie wohl früher oder später dasselbe getan. Obwohl sie eher einen der Händler, als eine blinde Bettlerin beklaut hätte. Allerdings sah man sich auf den Strassen von Braavos immer zweimal und sie war sich ziemlich sicher, dass sie sich eines Tages dafür revanchieren würde...
Sie zog ihren Geist aus dem Tier zurück und belauschte weiter die Gespräche.
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Für den Rückweg am Abend wählte sie einen anderen Weg. Sie mochte nämlich das Geräusch von Wasser und streifte an den Kanälen entlang. Ob sie das durfte oder nicht wusste sie nicht, allerdings hatte es ihr niemand wirklich verboten, also ging sie davon aus, dass es egal war, so lange sie nur genug früh wieder zurück war. Und keinen weiteren Ärger verursachte.
Diesmal nur mit den Ohren als Orientierung ging sie an den Schiffen am Lumpensammlerhafen vorüber; viele davon erkannte sie bereits am Geruch oder den Geräuschen. Die Fischersboote roch man bereits aus weiter Entfernung und die Handelsschiffe mit den exotischen Waren erkannte man an den verschiedenen Sprachen, die darauf gesprochen wurde. Passagierschiffe mit reicher Kundschaft machten sich durch den penetranten Geruch nach Parfüm bemerkbar.
Alles in Allem war an diesem Tag nichts Besonderes – wäre da nicht dieses eine Gespräch in ihrer Muttersprache gewesen, welches sie nun aufschnappte. Oder besser gesagt ein einzelner Satz, der ihre Aufmerksamkeit erregte. „Und was will einer von der Nachtwache hier?“ Sie blieb sofort stehen. Für einen Augenblick, nur einen sinnlosen, wunderschönen Augenblick gab sie sich der Vorstellung hin, wie es wäre, wenn es sich bei diesem Mann von der Nachtwache um ihren Bruder Jon handeln würde. Wenn ihre Wege sich nun hier wieder träfen. Und was dann?, fragte sie sich. Selbst wenn Jon sie erkannte, wenn sie jetzt aus dem Haus von Schwarz und Weiss floh, würde sie ihre Sehkraft vielleicht nie wieder zurückerlangen. Und wer sagte, dass Jon sie überhaupt noch wollte? Er hatte bestimmt schon längst seinen Schwur abgelegt, auch er hatte Pflichten. Sie konnte es ertragen, diese Chance zu verpassen, was sie nicht ertragen könnte, wäre von ihm abgewiesen zu werden. Wenn sie ihrer Familie wirklich helfen wollte, musste sie ihre Liste vollenden und alle, die ihnen das angetan hatten auslöschen.
Also wartete sie die Antwort gar nicht mehr ab, sondern machte auf dem Absatz kehrt und ging so schnell zurück wie sie nur konnte, obwohl sie wusste, dass sie nicht viel mehr erwarten würde als eine weitere Nacht voller Schläge und seltsamer Träume.
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Zumindest in einem Punkt schien sie sich dann doch geirrt zu haben, denn als Arya am nächsten Morgen das Haus von Schwarz und Weiss verliess, hatte sie zum ersten Mal seit Monaten eine Nacht durchgeschlafen. Die Träume hatten sie dennoch heimgesucht, allerdings war es ja nicht unbedingt etwas Schlechtes, sie fühlte sich nämlich selten so frei wie im Körper der Nachtwölfin. Trotzdem hatte sie das Gefühl, dass auch dieser Tag etwas Besonderes werden würde, denn die Heimatlose hatte ihr mitgeteilt, dass sie heute an einem anderen Ort betteln sollte. Und wenn es etwas gab, das sie in den letzten Monaten gelernt hatte, dann war es, dass die Männer ohne Gesicht nichts ohne Grund taten.
Sie war selten in diesem Teil von Braavos gewesen, wusste aber aus Erzählungen, dass es nicht gerade einer der sichersten Orte war. Vielleicht war das auch einer der Gründe, warum sie zum ersten Mal seit der Sache mit Trant wieder ein Messer bei sich tragen durfte.
Sie liess sich also erneut auf einer Treppe nieder, diesmal jedoch am unteren Ende davon, und liess die Umgebung auf sich wirken. Hier waren die Rufe der Händler nicht ganz so laut und es gab auch nicht ganz so viele Leute. Das machte es einfacher, alles mit anzuhören.
Es waren viele alltägliche Gespräche dabei. Ein Schmuckhändler erzählte davon, wie er bald nach Pentos aufbrechen wolle und sie hörte, wie eine Hure versuchte neue Kunden zu gewinnen. Doch nur eines der Gespräche an diesem Tag erregte wirklich ihre Aufmerksamkeit.
Gegen Abend unterhielten sich zwei Männer unweit von ihr. Die Katze hatte sie heute nicht begleitet, weswegen sie versuchen musste, sich einzig und allein auf ihr Gehör zu verlassen.
„…nicht finden. Du weisst was sonst passiert.“ Die Stimme des ersten Mannes war tief und eindringlich, er schien wegen irgendetwas besorgt zu sein.
„Warum mussten wir überhaupt hierher kommen? Warum konnten wir nicht direkt nach Astapor segeln?“
„Du weist genau warum. Wenn wir die Löcher nicht reparieren lassen, kentern wir, bevor wir den Titan von Braavos hinter uns gelassen haben.“ Sie handelten bestimmt nicht mit Gewürzen, ansonsten würden sie sicherlich kein Geheimnis daraus machen. Es gab fast so viele Schiffsbauer wie Schiffe in Braavos, da wär es kein Problem, einen anzuheuern.
Arya konzentrierte sich weiter, aber die Männer schienen einige Schritte gegangen zu sein und sie wagte es nicht, ihnen zu folgen. Ohne Katze und ausserhalb ihres bekannten Gebietes war sie einfach zu orientierungslos und falls die beiden mitbekamen, dass sie belauscht wurden, hätte sie sicher schnell das Weite suchen müssen.
Da Geduld jedoch nie eine ihrer Stärken gewesen war und sie ohnehin bald zurück musste, erhob sie sich dennoch und steckte die wenigen Münzen ein, welche sie an diesem Tag ergattert hatte. Mit ihrem Stock ging sie dann langsam und wie sie hoffte möglichst teilnahmslos an den beiden Männern vorüber. „…noch heute Abend weg sein.“ Das war das Einzige, was sie von diesem Gespräch noch zu hören bekam.
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Im Tempel war es wie gewohnt ruhig, sie hörte nur zwei Stimmen. Die einer Frau und die eines Mannes, den sie nicht halb so gut einschätzen konnte, wie es ihr lieb gewesen wäre. Ausserdem hatte sie ihm das mit der Illusion immer noch nicht wirklich verziehen. Eigentlich hätte sie ihn hassen sollen, wie sie so viele andere hasste, aber wo wollte sie sonst hin?
Ob es ihr nun passte oder nicht, ihr war klar, dass das Gespräch von heute Nachmittag wichtig sein könnte. Also wartete sie ab, bis sich die Frau zu einer der zahlreichen Nischen zu entfernen schien, um dort in Ruhe zu sterben. Erst dann näherte sie sich ihm. „Ich habe heute ein Gespräch zwischen zwei Schmugglern mit angehört.“ Sie wusste nicht, wie sie das Gespräch sonst beginnen sollte.
„Und woher weiss ein Mädchen, dass es Schmuggler und nicht Händler sind?“
„Sie haben sehr leise gesprochen und wollten so schnell wie möglich ablegen. Nach Astapor.“ Jetzt wünschte sie sich ihre Sehkraft wieder zurück, denn da Jaqen nicht sprach, hatte sie nicht einmal einen Anhaltspunkt, um zu erraten, was er darüber dachte.
„Was hat ein Mädchen noch gehört?“ Wenn er das fragte, musste irgendetwas von dem was sie gesagt hatte, wohl doch seine Aufmerksamkeit erregt haben.
„Nicht viel“, gab sie kleinlaut zu. „Aber sie scheinen nicht von hier zu kommen, also werden sie wahrscheinlich am Lumpensammlerhafen ablegen.“
„Ein Mädchen wird überprüfen, ob das stimmt und die Namen aller Beteiligten herausfinden. Bevor sie ablegen.“ Arya schluckte. Wenn sie Pech hatte, hatte das Schiff bereits abgelegt oder würde es zumindest noch diese Nacht tun. Also wie sollte sie an die Namen kommen, ohne sich allzu auffällig zu verhalten? Aber das war dann wohl ihr Problem. Vielleicht war das eine Art Prüfung und sie war fest entschlossen, nicht wieder zu versagen.
Den Weg zum Lumpensammlerhafen hatte sie schnell zurückgelegt. Noch spürte sie die Sonnenstrahlen auf ihrer Haut, doch es wurde bereits etwas kühler, also war es sicher schon Abend.
Dieser Hafen war nicht nur schmutziger, als der violette Hafen im Norden, er war auch um einiges lauter, was ihre Orientierung nicht gerade vereinfachte. Allerdings dauerte es nicht lange, bis ihr etwas um die Beine herumstrich und sie hielt kurz inne, um die Katze am Hals zu kraulen. Sie würde alle Hilfe brauchen, die sie bekommen konnte.
Während sie also den Hafen durch die Katze hindurch beobachtete, stand sie an eine Kiste gelehnt da. Doch egal wie oft sie den Hafen hinunter und wieder hinauf ging, von den beiden Männern von heute Nachmittag war nichts zu sehen oder eher zu hören. Sie kannte ja ohnehin nur ihre Stimmen.
Je mehr ihre Chancen schwanden, desto grösser wurde ihre Verzweiflung; sie durfte einfach nicht versagt haben. Das Gespräch war noch keine zwei Stunden her, so schnell konnten sie doch nicht wieder weg sein. Und den violetten Hafen konnten sie nicht befahren haben, dort gab es nur Einheimische. Der Lumpensammlerhafen, der violette Hafen und… Chequy Port, schoss es ihr durch den Kopf. Natürlich, wie hatte sie den nur vergessen können? Jedes Schiff, welches irgendeine Fracht mit sich führte, wurde von den Zollbeamten des Seeherrn kontrolliert.
Sofort zog sie ihren Geist aus dem Körper der Katze zurück und ging weiter, hoffentlich hatte ihre Unachtsamkeit sie nicht allzu viel Zeit gekostet.
Im Gegensatz zu den beiden anderen Häfen, gab es am Chequy Port nur etwa ein Dutzend Schiffe, die aufs Mal kontrolliert wurden. Manchmal dauerten solche Kontrollen nur wenige Minuten, teilweise sogar Stunden. Hier erkannte sie auch gleich eine der beiden Stimmen von vorhin wieder und durch die Katze hatte sie nun auch ein Gesicht dazu. Dafür, dass die Stimme so tief war, war der Mann vergleichsweise klein. Seine Haut schien sonnengebräunt, sein Haar schwarz. Er stach nicht wirklich aus der Menge heraus, ebenso wenig wie sein Begleiter, der etwa einen Kopf grösser war und dunkelbraunes Haar hatte. Anscheinend waren sie gerade mit der Kontrolle an der Reihe und Arya liess sich neben einem nahegelegenen Steg nieder.
„Name?“, fragte der Zollbeamte und tunkte eine Feder in ein kleines Tintenfass. Er nutzte zwei aufeinandergestapelte Kisten als Schreibtisch.
„Farid Thira. Ich habe bereits mit einem Eurer Männer gesprochen, Enryn Attis, er sagte, er würde das Schiff kontrollieren.“ Allein, dass er jemand anderes verlangte war schon auffällig. Dies schien wohl auch der Beamte so zu sehen.
„Der ist gerade mit einem anderen Schiff beschäftigt. Jetzt müsst Ihr wohl mit mir vorlieb nehmen. Wie ich hörte, kamt Ihr von Sorothyos hierher. Was transportiert Ihr?“
„Exotische Tiere“, antwortete er, „deswegen müssen wir auch schnell weiter, wir können die Viecher nicht ewig unter Deck lassen.“
„Auf eine Stunde mehr oder weniger kommt es jetzt wohl auch nicht mehr an. Wir müssen erst sehen wie viele und von welcher Spezies, damit wir den Zoll festlegen können.“ Der Schmuggler sah zu seinem Begleiter hinüber, dessen Namen sie noch nicht kannte. „Zeig dem Herrn doch bitte mal kurz unsere Fracht.“ Sie hätte nicht gedacht, dass die beiden so schnell nachgeben würden und wenn es etwas gab was sie in den letzten Jahren zur Genüge gesehen hatte, waren es zwielichtige Gestalten. Nun stand sie unter Zugzwang. Ausgerechnet derjenige, dessen Namen sie noch nicht wusste, würde jeden Moment unter dem Deck verschwinden. Sie würden aber wohl oder übel nochmal an Land kommen müssen, um die Formalitäten zu regeln. Also blieb sie einfach sitzen und beobachtete durch die Katze weiter das Geschehen hier.
Während die beiden anderen unter Deck waren, blieb dieser Farid stehen und murmelte ein paar Worte in einer fremden Sprache vor sich hin. Arya verstand kein Wort, vermutete aber, dass es Flüche waren. Fluchen konnte sie in der Zwischenzeit in vier verschiedenen Sprachen, aber das hier schien keine davon zu sein.
Für längere Zeit geschah nichts auffälliges, doch dann kam ein weiterer Beamter hinzu und die beiden Männer entfernten sich etwas, die Katze folgte ihnen.
„Wo zum Teufel warst du?“
„Tut mir leid, ich habe ja gesagt, es kann länger dauern.
„Erwarte ja nicht, dass du für diese Schlamperei den vollen Betrag bekommst, Enryn. Wenn wir auffliegen, hängst du mit uns da drin.“
„Ich werde mich darum kümmern. Habt ihr die Sklaven wenigstens gut versteckt?“
„Ja, Iormo hatte ausnahmsweise mal eine gute Idee. Wir haben noch ein paar Tiere an Bord geholt und die Sklaven in Käfigen dahinter versteckt.“
Wieder zog Arya ihren Geist aus der Katze zurück, für heute hatte sie genug gehört. Sie wusste, wer die beiden Drahtzieher waren, was sie transportierten und wo es hin ging. Ihr war auch klar, dass ein Untergebener des Seelords bestochen worden war. Mehr musste sie nicht wissen. Ausserdem hatte dieser Farid vorhin zu ihr herübergesehen und sie war sich nicht sicher, ob er sie nicht erkannt hatte. Also erhob sie sich langsam und tat so, als müsse sie sich mit ihrem Stock erst neu orientieren, ehe sie den Rückweg antrat. Die Katze hatte, kaum dass sie ihren Geist zurückgezogen hatte, das Weite gesucht und so blieb Arya mit ihren Gedanken alleine. Auch wenn sie das Gefühl nicht loswurde, beobachtet zu werden.