Deseis hatte diesem Moment herbeigesehnt, Church hatte endlich aufgehört ihm Fragen zu stellen. Er rannte durch Gaaps alten Palast, Anny hatte sich zu Churchs Unmut in dessen alten Gemächern ausgebreitet.
Als er vor der Tür stand hielt er einen Moment inne, alles was er gedacht hatte zu wissen war aus der Bahn geworfen worden.
Nun war sie hier und Deseis wollte nichts mehr als sie in die Arme zu schließen, aber sie war so kalt und abweisend gewesen.
"Willst du an der Türe lauschen oder kommst du auch mal rein?", ertönte Annys kühle Stimme von innen.
Deseis drehte den Türknauf und musste sich erst fassen bei dem, was er sah.
Anny, bekleidet mit einem tief ausgeschnittenen blutroten Kleid, lag mit einem Glas Wein auf einem der Sofas, ihren Kopf auf den Schoß einer jungen Vampirin die wohl mit Vlad gekommen war gebetet.
"Danke, meine Kopfschmerzen sind schon viel besser!", Anny erhob sich langsam und küsste die Vampirin auf den Mund, "Sei so gut und lass mir ein Bad ein, Church hat sicher einige wunderbare Düfte auf Lager!"
Die Vampirin, ihre Augen blutrot, wahrscheinlich eigentlich eine der Mätressen von Vlad, lächelte, wirkte beinahe benommen: "Alles was ihr wollt, Herrin!"
Anny strich ihr eine Strähne ihres braunen Haars aus dem Gesicht: "Du bist so gut zu mir, kleine Lima! Jetzt geh schon!"
Die Vampirin verneigte sich kurz vor Church und verließ den Raum.
Anny seufzte und ließ sich wieder auf das Sofa fallen: "Was willst du?"
Deseis musterte sie weiterhin kritisch, sie war so ein süßes Mädchen gewesen und nun erinnerte nichts mehr daran.
"Die Frage ist eher!", er verschränkte die Arme und sah sie ernst an, "Was willst du hier, Anny? Jahre warst du verschollen und nun tauchst du hier auf und benimmst dich so..."
Anny grinste ihn verschlagen an: "Der größte Mörder in unserer Geschichte hält mir eine Moralpredigt! Das ist geschmacklos, das weißt du hoffentlich!"
Deseis wurde wütend, sie provozierte ihn mit ihrem Verhalten maßlos: "Aber sich die Mätressen eines Vampirlords ins Bett zu holen ist weniger geschmacklos?"
Anny gähnte: "Du langweilst mich Deseis. Ich will mit dem Kopf dieser Operation sprechen! Und zwar nach meinem Bad ansonsten werde ich mir jede Mätresse, die dieser widerliche Vampirlord bei sich hat vornehmen, während ich in seinem Blut bade!"
Deseis riss die Augen auf, solche Worte die über solch unschuldige Lippen kamen: "Komm doch zu dir! Was ist mit dir los? Früher hättest du niemanden getötet und schon gar nicht mit..."
Anny verzog angewidert das Gesicht: "Wäre es dir lieber ich würde es mit Männern tun? Heuchler! Du hast mich eines gelehrt, Onkel! Der Tod ist gegenwärtig und kommt über uns alle, früher oder später!"
Deseis konnte nicht fassen, wie sehr sich seine früher so süße Nichte verändert hatte. Sie wirkte eiskalt, berechnend und bereit ihre Drohung umzusetzen.
"Du kannst jetzt gehen!", Anny deutete auf die Türe, "Und denk daran, ich meine es ernst, im Gegensatz zu dir und Church spiele ich keine Spielchen. Den Anführer der alles hier plant und organisiert! Da er seine Chance auf einen Titan nun verloren hat da ihr unfähig wart dessen Gefäß hier zu behalten will er sicher auch mit mir sprechen!"
Deseis kratzte sich am Kinn, er hatte befürchtet, dass sie diese Karte ausspielen würde.
"Was wenn es kein Mann ist?", fragte er noch und kniff die Augen zusammen.
"Noch besser!", Anny erhob sich nun und ließ ihn einfach stehen, um ihr Bad zu nehmen.
Deseis stürmte aus dem Raum und schlug die Türe hinter sich zu.
Das hatte er nie gewollt, das war nie der Plan gewesen.
Den Nachtschatten zu bekommen, nachdem die ersten Pläne dafür gescheitert waren, hatte Opfer verlangt, über die er gar nicht nachdenken wollte.
Anny hatte recht, er war ein Monster den er hatte den Punkt einfach übersehen, an welchem er aussteigen hätte müssen.
An welchem er Elensar noch warnen hatte können.
Aber er hatte Shanoras und Finns Schicksal damit nichts zu unternehmen besiegelt, er hatte sie zum Tod verurteilt.
"Arya...", flüsterte er leise und spürte ein stechen im Herzen, "Ob du mich verstanden hättest?"
Was wäre gewesen, wenn er sich ihr anvertraut hätte?
Es blieb Deseis aber keine Zeit weiter darüber nachzudenken, seine mordlüsterne Nichte würde ihren Verbündeten wahrscheinlich wirklich töten, wenn er nicht dafür sorgen würde das sie bekam was sie verlangte.
Er eilte zurück in die Halle wo Vlad gerade mit Chruch diskutierte.
Als der Vampirlord ihn bemerkte wendete er sich sofort an ihn: "Ina, meine Zweitfrau! Wo ist sie?"
Deseis zuckte mit den Schultern, auch wenn ihm bewusst war das es sich höchstwahrscheinlich um die Brünette in Annys Bad handelte.
"Wie man hört, entscheidest du wer deine Frau wird und wer nicht, vielleicht ist sie dir ja abgehauen!", Church grinste und Vlad stürmte daraufhin wütend davon.
"Den wären wir los, nun ist eines wichtig!", Church sah sich um um sich zu vergewissern das keiner sie hören konnte, "Was machen wir mit ihr, wenn wir die nicht töten können?"
Deseis seufzte tief: "Sie will unseren Anführer sprechen! Und sie wird niemals glauben, dass es einer von uns beiden ist!"
Church stieß einen wütenden Schrei aus: "Wie kann es sein das meine Mutter so ein Biest geboren hat? Schick ihr einen Diener, sie soll in den Speisesaal und ich überlege mir etwas!"
Deseis seufzte tief und tat, was Church gesagt hatte.
James rannte, Amelie war knapp hinter ihm während sich Claude und Ation weiter südlich dem Dorf näherten.
"Es funktioniert nicht!", rief Amelie ihm zu, "Ich spüre nichts, weder wo sie ist noch andere Lebewesen! Es ist, als wären alle meine Kräfte seit der Ankunft hier verschwunden!"
Auch James hatte dieses Phänomen bemerkt. Rannte er wurde er müde, durstig und vieles mehr. Auch wenn er zum Teil menschlichen Blutes war, so war seine Belastbarkeit eigentlich um ein vielfaches höher.
Ation hatte sich ebenfalls beklagt, dass die Heilung Aryas nicht gelungen war, nachdem sie hergekommen waren, darum ruhte sich diese, in Korgrims Obhut, weiter aus.
Claude konnte sich auf seine Sinne verlassen, aber nicht die mächtigen Tiergestalten annehmen.
Etwas war hier passiert, das war sicher. James rannte weiter, bis er Ation rufen hörte.
"Hier sind Flüchtlinge aus Mondfall, sie wurden nach dem Eintreffen einer blondhaarigen Frau aus der Außenwelt gewarnt!", berichtete dieser als James ihn erreichte.
"Delina!", entführt es diesem, "Hat jemand gesehen was passiert ist? Wer hat das Dorf verlassen?"
Die verängstigten Vila schüttelten die Köpfe und berichteten, dass sie von einem der Bauern rechtzeitig in den Wald geschickt worden waren.
"Wir müssen zu diesem Dorf!", Amelie wollte weiterlaufen, aber James hielt sie zurück.
"Du solltest hier bleiben! Der Wolf und ich gehen!", sagte er bestimmt, "Ation bleibt bei dir, falls einer der Soldaten sich in den Wald verirrt!"
Amelie starrte ihn mit gemischten Gefühlen an, einerseits war die wütend und andererseits verwirrt.
"Das glaubst du nicht wirklich!", fauchte sie ihn an und riss sich von ihm los.
"Glaub mir eines!", Claude schmunzelte, "Die hört auf niemanden! Stur wie sonst was das Frauenzimmer!"
James schüttelte genervt den Kopf und rannte los: "Amelie!"
Amelie dachte nicht daran stehenzubleiben, Zweige peitschten ihr ins Gesicht und hinterließen einige Kratzer, aber sie würde keine Zeit verlieren.
Beinahe wäre sie in eine Person gerannt, die gerade auf dem Weg in den Wald war.
Schnell sprang sie zurück und unterdrückte einen Schrei. Glühend rote Augen, Asche und Rauch.
Delina hatte einige Verbände die scheinbar nur zur Erstversorgung angelegt worden waren und schien nicht bei Bewusstsein zu sein. Noch schlimmer, sie lag in den Armen des Dunklen.
"Lass sie los du Scheusal!", Amelie versuchte zu verbergen wie schwach sie sich ohne ihre Kräfte fühlte.
"Auf dem Feld liegt ein junger Vila, er lebt noch, vorerst!", die düstere Stimme des verhüllten Mannes ließ Amelie schaudern, "Geh jetzt, du kannst es mit den restlichen Soldaten aufnehmen, nicht wahr?"
Amelie zog eine Braue hoch und musterte ihn misstrauisch: "Was ist mit Delina?"
Der Dunkle ging einfach an ihr vorbei: "Ich bringe sie zu Ation, er kann ihr mehr helfen als du gerade. Dein Potenzial wird da draußen gebraucht!"
Amelie hoffte in diesem Moment, das er ihr die Wahrheit sagte, schließlich könnte sie ihn so oder so nicht aufhalten.
Plötzlich hörte sie, wie eine Klinge gezogen wurde, schnell wirbelte sie herum, allerdings steckte diese nun vor ihr im Waldboden.
"Du wirst sie brauchen!", sagte der Dunkle ihr noch, bevor er im Dickicht verschwand.
Amelie umfasste den Griff, es war ein einfaches Kurzschwert aus Elensar, nicht besonders gefährlich.
Trotzdem nahm sie es mit sich und stürmte aus dem Wald, wäre beinahe über die hölzernen Spielsachen auf der gepflasterten Straße gestolpert.
"Ein einfaches Dorf voller Bauern und Kinder...", stellte sie fest, Mondfall, wie das Ortsschild aus Holz, geziert mit Schnitzereien von Früchten verriet, war auf keinen Fall ein militärisch relevanter Standort.
Unzählige tote und verwundete Soldaten aus Schwarzwasser lagen auf den Feldern, einige lebende durchkämmten die Felder nach Überlebenden.
Amelie wusste, dass sie alle ausschalten musste.
James, Claude und Ation waren in der Zwischenzeit auf den Dunklen gestoßen, der wortlos die verletzte Delina vor ihnen auf dem Waldboden abgelegt hatte, um sich dann in Rauch aufzulösen.
Ation eilte sofort zu ihr: "Sie wurde heftig geschlagen und hat wohl zwei Bolzen einer Armbrust abbekommen! Ich muss sie in Lager bringen, Claude! Hilf mir!"
James nickte den beiden zu: "Macht das, ich hole Amelie zurück!"
"Das wird nicht nötig sein!", Amelie wankte, mit einem blutverschmierten Schwert in der Hand auf sie zu, "Sie sind fort, die Soldaten. Das Dorf ist frei, schickt die Bewohner zurück!"
James rannte auf sie zu , sie ließ ihr Schwert fallen und hielt sich die Seite.
"Hilf den Kindern, das ist nicht... mein Blut!", presste sie hervor, "Claude, Korgrim und Greta sollen Arya nach Mondfall bringen! Nehmt alles mit! Delina können wir gleich hier versorgen. Ein junger Vila braucht auf noch... Argh!"
Sie konnte nicht weitersprechen, starrte auf die Hand, mit der sie sich die Seite gehalten hatte: "Es ist doch... Auch mein Blut!"
Dann kippte sie einfach um, James gelang es gerade noch sie aufzufangen, damit sie nicht auf dem Waldboden aufschlug.
"Genau das werden wir tun!", verkündete er dann und hob Amelie hoch, "Schnell, die beiden brauchen medizinische Versorgung!"
Shanora starrte auf den schwarzen Thron, der vor ihr in die Höhe ragte. Auf ihrem Rücken hatte sie zwei frisch geschliffene Schwerter befestigt, ansonsten war sie nur mit einer schwarzen Rüstung aus Leder bekleidet.
Das war ihr Weg, direkt hinein in die dunklen Hallen aus der all das Übel gekommen war, das ihre Familie vernichtet hatte.
Silas hatte sie geschickt und ihr erklärt, dass sie es hier beenden konnte.
Ein Schritt noch und sie würde auf den ehemaligen Ländereien des Dunklen stehen.
"Warte!", eine Frauenstimme hinter ihr ließ Shanora erschrocken herumfahren.
"Sassy?", fragte sie ungläubig, "Habe ich nicht gesagt ihr sollt mir nicht folgen?"
Sassy eilte zu ihr und packte sie an den Schultern: "Du darfst nicht zum schwarzen Thron gehen, Shanora!"
Diese starrte die ägyptische Priesterin ungläubig an: "Du hast Silas gehört und es wirkte, als wärst du einverstanden!"
Sassy schüttelte entschieden den Kopf: "Er irrt sich... Hoffe ich!"
Shanora war verwirrt über ihre Worte, Sassy klang verunsichert und das verunsicherte sie selbst zutiefst.
"Ich weiß doch auch nicht was ich tun soll, Sassy!", murmelte sie dann traurig, "Aber ich muss etwas unternehmen!"
Sassy sah sie ernst an: "Dann hol unsere Freunde zurück! Hol Finn zurück, wir brauchen ihn hier, mehr als du vielleicht glaubst!"
Shanora sah sie verwundert an: "Er ist jetzt ein Untoter, keiner mehr von uns, Sassy! Außerdem warst du eine von denen die ihn zu Recht verraten haben!"
Sassy biss sich auf die Lippe: "Ich habe diese Entscheidung aus meinem Herzen heraus getroffen, Shanora! Das heißt nicht das sie richtig war! Auf jeden Fall weiß ich das hinter diesen Ländereien nur der Tod auf dich wartet!"
Shanora schüttelte den Kopf: "Das kann nicht sein, es ist mein Schicksal das zu tun!"
Sassy schüttelte nun entschieden den Kopf: "Dein Schicksal ist es auf einem schwarzen Drachen die Armeen des Dunklen zu vernichten. Besser gesagt die seines Erben! Ich glaube nicht daran das Finn verloren ist! Du musst ihn finden, ich bin sicher du kannst sein Herz erreichen! Er muss kämpfen! Auf unserer Seite!"