Es dauerte einen Moment, bis sich Delinas Augen an das dort herrschende Zwielicht des aufgehenden Mondes gewöhnt hatten. Erst dann setzte sie ihren Weg fort, bis zu der Stelle, den die Vila den Mondpfad nannten. Lichter tanzten an seinem Rand. Nur Nachts sichtbar und immer an unterschiedlichen Stellen. Man konnte nie sagen, wohin der Pfad einen führen würde. An der Schwelle dieses Pfades hatte sie gesessen, als er plötzlich erschienen war, das wusste sie noch genau. Delina wartete einen Moment, bis sie spüren konnte das er, da war, dann drehte sie sich herum.
Diesmal trug er keine Maske und war gut sichtbar im Schein der tanzenden Lichter.
Sein Gesicht hatte die mittlerweile kantige Form beibehalten, auch die feine Nase. Allerdings war seine Haut Aschgrau und spannte über seine Wangenknochen. Narben waren zu sehen, wahrscheinlich verursacht in dem Moment, in dem er hätte tot seinen sollen.
Sein Haar wirkte dunkler, gräulicher, hatte aber nicht an Fülle verloren.
Er sah schlimm aus, wie Allister gesagt hatte. Eine Seele gefangen um Untot seines Körpers.
Blut klebte an seinen Wangen, wie auch Asche und Schmutz.
"Delina!", seine Stimme klang beinahe so wie die des Finns den Delina gekannt hatte, "Danke das du hier bist!"
Delina hatte sich vorgenommen ihm alles vorzuwerfen, aber sie konnte nicht. Sie starrte ihn fassungslos an: "Was ist nur mit dir passiert?"
Finn ging einen Schritt auf sie zu, doch Delina wich sofort reflexartig zurück.
"Das habe ich wohl verdient!", sagte er zu ihrer Reaktion, Delina meinte einen Moment etwas von dem Finn zu erkennen der in Silas geheimer Basis zusammengebrochen war.
Aber dies konnte auch nur eine List sein, um sie zu täuschen: "Woher soll ich wissen, dass du es wirklich bist! Du siehst aus wie er aber das Dunkle Mal... "
Finn unterbrach sie: "Frag mich etwas! Etwas das nur ich wissen kann!"
Delina überlegte, dann kam ihr eine Idee: "Ich habe dir bloß einmal im Leben etwas geschenkt! Was war es und warum?"
Niemand außer ihnen beiden kannte diese Geschichte.
"Du bist in die Außenwelt abgehauen, weil ich dich nicht trainieren wollte!", erinnerte Finn sich, "Dort hast du aus einem Heiligen See getrunken und solltest hart bestraft werden. Ich habe deine Strafe übernommen und dich nachhause geschickt. Als ich nachkam, hattest du mir ein Armband geknüpft, es war gelb!"
Delina konnte sich noch gut daran erinnern: "Damals hast du zu mir gesagt du würdest nur Caja trainieren, weil sie eine Guren ist und lernen muss diese Kräfte zu bändigen. Was hast du zu mir gesagt?"
Finn sah ihr nun direkt in die Augen: "Ich sagte zu dir, das ich nicht wollte, das du jemals wieder einen Krieg mitansehen musst, geschweige den in einem kämpfen!"
Delians Augen füllten sich mit Tränen: "Sag mir noch eines! Warum hast du Silas töten und verbannen wollen?"
Finn seufzte tief: "Ich war mir sicher, dass er etwas Furchtbares im Schilde führt. Danach fühlte sich mein Leben wie ferngesteuert an... Ich habe drei Geister gesehen... Du warst einer davon.. Ich weiß nicht, wann der Punkt kam an dem das schwarze Mal mehr Macht hatte als ich. Wahrscheinlich ist es so, wie mein Vater sagte, ich bin seine Reinkarnation!"
Delina packte aus irgendeinem Grund seine Hand und sah, wie seine Augen im selbem Moment aufleuchteten.
"Allister hat mir erzählt, was mit Cash passiert ist!", schnell ließ sie seine ohnehin in einem Handschuh steckende Hand wieder los.
Finn schloss für einen Moment die Augen, es schien ihn wirklich zu quälen.
"Er hat mir auch erzählt, dass du meine Hilfe brauchst!", Delina stemmte die Hände in die Schultern, "Was willst du also?"
Finn sah sie fragend, fast unschlüssig an: "Ich... Mein Körper... Er ist eine Ruine, wie du siehst. Allister meinte deine Heilkräfte... Maris Heilkräfte sind die stärksten unter allen hier so lange eure Kräfte blockiert und geschwächt sind!"
Delina riss die Augen auf: "Du willst das ich die Waffe des Dunklen für ihn wieder zusammensetze?"
Es tat ihr im selben Moment leid, sie konnte beinahe sehen, wie irgendetwas in ihm zerbrach.
Für einen Moment glaubte Delina in den tanzenden Lichtern etwas zu sehen, einen blonden Jungen vor dem schwarzen Thron seines Vaters, bereit diesen zu bekämpfen obwohl er nur erschaffen worden war, um selbst auf diesem Thron zu sitzen.
Finn nickte nur und wendete sich von ihr ab, ging einfach ohne noch etwas zu erwidern.
Delina hatte beide Hände vor den Mund gepresst, sie hätte gerne zurückgenommen was sie gesagt hatte. Sie sah ihn gehen, spürte die Finsternis, die ihn umgab.
"Diesmal nicht!". Murmelte sie und rannte ihm nach, so schnell, dass sie ausrutschte und nach vorne fiel. Finn wendete sich blitzschnell, herum, hielt sie und verhinderte, dass sie zu Boden stürzte. Ihre Blicke trafen sich für einen Moment.
"Du gehst nirgends hin!", sagte Delina dann und legte die Arme um seinen Brustkorb. Sie schmiege sich an ihn und legte ihren Kopf auf seine Brust.
Sie konnte sein Herz spüren, es pochte wie wild. Er war noch nicht verloren, nicht solange sie und Allister ihn nicht aufgaben.
Und das würde sie nicht, er würde nicht wie geplant als Werkzeug seines Vaters enden. Sein Herz schlug stark. Sein Herz, nicht das seines Vaters. Er hatte der Stimme schon einmal widerstanden, also könnte er es wieder tun.
Als Finn zögerlich, als könnte er sie zerbrechen, seine Arme um ihren zierlicher Körper schloss und seinen Kopf sanft auf ihren legte, war Delina sich sicher. Er war es wirklich und er würde nicht einfach wieder zu einem Monster werden.
"Komm mit mir!", sie löste sich von ihm, "Komm mit mir nach Mondfall! Allister ist dort, wir werden einen Weg finden dir zu helfen!"
Nun bemerkte Delina das sich seine Augen verändert hatte, das unnatürliche rote Glühen war verschwunden, stattdessen leuchteten sie goldgelb.
"Ich kann nicht...", Finn wollte sich abwenden, aber Delina ergriff seine Hand.
"Du wirst jetzt nicht gehen! Ich weiß nicht was man dir alles angetan hat... Aber dieses mal wirst du damit nicht alleine sein!", Tränen rannen über ihre Wangen, "Diesmal wirst du Hilfe annehmen und wir werden deinen Zustand so weit verbessern, dass du eines Tages ein normales Leben führen kannst, hast du das verstanden?"
Finn starrte sie nun überrascht an, schien darauf nichts sagen zu können.
"Du wirst jetzt sofort mit mir kommen und eines sollte dir klar sein!", brachte Delina dann unter Tränen hervor, "Ich werde dich nicht alleine lassen! Nie wieder! Wenn du also alleine mit allem fertig werden willst, dann musst du mich töten! Anders wirst du mich nicht los, das schwöre ich dir!"
Daraufhin setzte Delina sich in Bewegung und Finn folgte ihr zurück nach Mondfall. Die Straßen lagen nun in völliger Dunkelheit, die spielenden Kinder schlummerten längst in ihren Betten.
Die Fenster des Gasthauses allerdings warfen Licht auf die Straße, darum zog Delina ihn schnell weiter in Vidars Bauernhaus.
"Wie ich sehe, hast du dich entschieden herzukommen!", begrüßte Allister ihn, "Vidar schläft bereits, ich habe seine Wunden versorgt, nachdem er sich auf dem Feld ein wenig übernommen hat!"
Delina nickte ihn zu: "Danke Allister, ich kann dir leider kein Bett anbieten, da ich bereits das Gästezimmer belege!"
Allister schien das nicht zu stören: "Ich habe ohnehin noch zu tun, ich muss jemanden treffen der Informationen für uns hat!"
Delina sah ihn ernst an: "Wen?"
Allister erhob sich und ging an ihr und Finn vorbei zur Türe: "Ich kann die Identität nicht preisgeben. Aber ich werde dir, sobald ich kann alles erzählen!"
Dann ging er, verschwand in der Nacht.
"Ich kann hier...", Finn wollte ihr anbieten in der Küche zu schlafen, aber Delina wollte davon nichts hören.
"Du kommst jetzt einfach mit und bist still, ich muss mir deinen Körper ansehen!", befahl sie und schleifte ihn mit sich in das Gästezimmer.
"Leg bitte deinen Mantel ab!", verlangte Delina dann, "Und die Handschuhe!"
Finn tat, was sie ihm befahl, langsam streifte er seinen schwarzen Mantel ab, sodass Delina seinen Oberkörper sehen konnte.
Ihr stockte der Atem, tausende von Churchs Fäden schienen ihn durchbohrt zu haben, sie kannte diese Art von Narben und Wunden nur zu gut.
"Leg dich auf das Bett und wage es nicht zu verschwinden, ich komme sofort zurück!", befahl sie dann und ging noch einmal in die Küche, füllte einen Kübel mit Wasser und nahm sich einen sauberen Lappen.
Schnell eilte sie damit zurück ins Schlafzimmer und war erleichtert, als er tatsächlich auf dem Bett lag und an die Decke starrte.
Sie schnappte sich den Hocker, der am Fenster stand und zog ihn neben das Bett, setzte sich und tauchte den Lappen ins Wasser: "Ich kann leider aktuell kein Feuer machen, warmes Wasser gibt es hier nicht also könnte es kalt sein!"
Finn nickte nur und Delina begann ihm Blut und Dreck aus dem Gesicht zu wischen.
"Du musst das nicht tun!", sagte er sofort und wollte nach dem Fetzen greifen, Delina schlug ihm auf die Hand.
"Bleib liegen!", sagte sie streng, "Dein Körper hat genug mitgemacht, findest du nicht?"
Delina begann dann, so gut sie konnte, mithilfe von Maris Kräften, dem Bruchteil den sie aufbringen konnte, die frischeren Wunden zu heilen.
"Weißt du, in dem Moment als ich gestorben bin!", begann Finn dann plötzlich zu sprechen, "Mir war als könnte ich mit dir sprechen... Dir so viel sagen was ich über all die Jahre für mich behalten habe!"
Delina wusste genau wovon er sprach, sie hatte ihn gesehen, als er schon tot war, in ihren Träumen.
"Ich weiß garnicht ob ich das sagen soll...", Finn starrte an die Decke, "Mir war, als hättest du mich geküsst... Vergiss das, total verrückt und schnulzig was ich da rede!"
Delina hielt inne, ihr ganzer Körper schien kurz davor zu sein zu kollabieren. Er wusste es noch, er konnte sich erinnern, auch wenn ihm nicht bewusst war das sie wirklich bei ihm gewesen war.
"Ich war doch nie dein Beuteschema.", sagte sie dann leise und vorsichtig.
Finn setzte sich auf und sah sie ernst an: "Warum sagst du das?"
Delina starrte auf seinen Oberkörper, auf all die Narben: "Weil ich dasselbe gesehen habe wie du, aber es fast nicht glauben kann. Ich dachte, es wäre ein Traum gewesen. Ein Siegel auf meinem Hinterkopf... Warum ich?"
Finn starrte sie weiterhin an: "Das mit dem Siegel tut mir leid, ich dachte nicht das es funktioniert. Wir waren so jung und ich war nicht nur jung, ich war dumm und verliebt! Ich war mit vielen Frauen zusammen, wie du weißt, aber die eine die ich geliebt habe, hätte ich nie angefasst. Ich wusste schon lange, was ich bin und das war nicht gut genug für sie. Eher habe ich zugesehen wie sie mit meinem vermeidlichem besten Freund zusammen war. Außerdem wollte sie mich nie..."
Delina begann nervös mit ihren Händen zu spielen: "Sie hatte nie die Wahl, er hat sich ihr immer entzogen, sich mehr noch hinter einer Maske versteckt als Silas. Dafür gesorgt das sie ihn hasst und sie keine Sekunde an sich herangelassen! Sie hätte ihn lieben können!"
Finn schien das erst jetzt wirklich klarzuwerden: "Er war ein Idiot, er war so oft ein so großer Idiot. Vielleicht hätte er damals ihr Herz gewinnen können. Heute hat er es nicht mehr verdient, heute kann sie ihn nicht mehr lieben! Heute ist er nicht mehr als ein Monster!"
Delina begann still zu weinen, Tränen rannen über ihre Wangen: "Sie hat ihn geliebt, verehrt. Er ist noch heute ein Idiot, wenn er denkt das man damit einfach aufhören kann!"
Finn sah sie nun ernst, beinahe ein wenig wütend an, seine Augen begannen rot zu glühen: "Dann solltest du dich sofort von mir abwenden! Ich bin ein Untoter, ich habe keine Zukunft. Ich bin das Böse, ich bin all das was dieser und allen anderen Welten gefährlich werden kann!"
Delina sprang auf: "Nicht jeder kann der Dunkelheit so oft widerstehen wie du es getan hast! Wenn du denkst, du kannst mir Angst machen liegst du falsch! Die habe ich nicht!"
Finn erhob sich, Finsternis umgab ihn, er löste sich in Rauch auf und erschien hinter Delina: "Du solltest Angst haben!"
Delina atmete tief ein und drehte sich um, sah ihm mit festem Blick in die roten Augen, sie funkelten und seine Haut schien ebenfalls eine immer finsterere Farbe zu bekommen.
"Nein!", sagte sie dann entschieden, "Du solltest mittlerweile wissen, wie stur ich bin!"
Finn raufte sich die Haare, seine Erscheinung normalisierte sich so weit man das so nennen konnte: "Hör auf, ich muss alle Kraft aufbringen und mich im Griff halten! Es ist nicht hilfreich, was du da tust! Ich könnte dich verletzen!"
Delina sah ihn fragend an: "Was würde passieren, wenn du einfach loslässt? Ich bin sicher, dass du mir nichts tun würdest, das hast du in der dunklen Kathedrale auch nicht! Außerdem bin ich sicher das Badria den Brief von dir bekommen hat! Selbst in deinen schwächsten Momenten warst du noch so stark!"