Der Flug herunter zu dem Planeten verlief ruhig, aber ich will fast behaupten, dass er eisig verlief. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte und nicht die deutlichen Züge der Parkers in seinem Gesicht gesehen hätte, hätte ich behauptet, dass jemand ihn bei der Geburt vertausch hatte. Ich sah ihn lange und ernst an.
"Du kannst mich nicht lesen", stellte er mit einem mal fest.
"Was meinst du damit?", wollte ich wissen.
"Du kannst meine Gedanken nicht hören. Du bist nicht stark genug", stellte er fest. "Das könnte sich dort unten jedoch ändern."
Ich sah auf den Planeten herab. Ich verstand eigentlich nicht, was er mir damit sagen wollte. Als Andrew seinen Sohn bei meinem Schiff abgesetzt hatte, hatte ich die tiefen Sorgenfalten auf seiner Stirn gesehen. Zero hatte schon tiefere Schläge der Schicksales erlebt, als manch eines der Opfer, die wir von den verschiedenen Planeten geholt hatten. Dabei lebte er in einer friedlichen Umgebung. Aber seine Frau war schwanger gewesen, als sie keine vier Meter von ihm entfernt auf der anderen Seite einer Carliumwand in der Explosion eines instabilen Quantenreaktorkerns verging. Ein Gammaburst und das anschließende Implosion hatte die Forschungsstation komplett zu einem Schwarzen Loch zusammenfallen lassen. Er war der einzige Überlebende von über zehn Forschern. Das hatte ihn komplett verändert.
Andrew sagte mir, ich solle auf ihn aufpassen, als befürchtete er, dass sich sein Sohn etwas antun könnte. Auf unserem Schiff verkroch er sich so wirkungsvoll in der Nähe des Antriebes, dass ihn eigentlich so gut wie niemand wahrnahm. Und immer wenn jemand die Sektion betrat, sah man ihn schnell Aufzeichnungen zusammenschieben. Ich hatte jedoch langsam so meine Vermutungen. Es hat etwas mit einer Theorie von Max zutun. Es betraf unseren Energiequelle und das, was sie erzeugte.
"Vermisst du deine Frau?", fragte ich unvermittelt.
Er sah mich durch eng geschlitzte Sehschlitze an, bevor er antwortete: "Nein. Sie und meine Tochter sind immer bei mir."
Diese Antwort war in gewisser Weise für mich eine Bestätigung.
"Hoffst du dort unten einen Weg zu finden?"
"Ein paar Antworten wären nicht schlecht", bemerkte er. "Aber auf jeden Fall werde ich für uns alle dort unten Wertvoll sein."
Was auch immer das wieder bedeutete. Wir landeten genau neben dem Shuttle von den anderen, das auf einer Freilichtbühne stand. Es gab kein Zeichen, wohin sie gegangen sein konnten. Trotzdem schritt Zero zielstrebig und zügig in eine bestimmte Richtung. Die Freilichtbühne war ein großes Rund, das aber zu vier Seiten durch Ausbrüche unterbrochen waren. Von dort führten lange gerade schmale Wege durch wild überwucherte Häuser. Überall sah man Öffnungen in den Fronten. Nirgends sah man Glas oder Türen.
Die Pflanzen in des hatten überall leuchtende Früchte ausgebildet. Es sah zufällig aus, wie sie wuchsen und dann doch wieder nicht. Manchmal glaubte ich in den Öffnungen Schatten huschen, aber immer, wenn ich genau hinsah, war dort nichts. Es wäre ein grusliger Ort und man hätte eine Gänsehaut bekommen können, wenn es nicht so warm gewesen wäre. Ein Lavastrom, der die Stadt von allen Seiten umschloss, erwärmte den Ort auf sehr angenehme sechsundzwanzig Grad Celsius.
"Sie sehen nicht so wie wir, weißt du?", sagte Zero so nebenbei. "Was gibt es hier auch zu sehen außer Nacht und Nebel."
"Wenn sie nichts sehen, wie können sie dann dies hier erbauen?"
"Sie können die Schwingungen spüren, die eine Singularität auswirft. Damit sehen sie ihre Umgebung genauso wie wir mit unseren Augen", führte er fort.
"Du kannst es auch sehen?!"
Er blieb mit einem Mal stehen und sah mich an. Aber er sah auch durch mich durch. Wie von weitem stahl sich ein Lächeln auf seine sonst meist ausdruckslose Miene.
"Ja, mein Onkel kennt sie auch", sagte er und ich wusste, dass er nicht mich meinte oder mit mir sprach. "Die Katzoide Liebe. Die Nestwärme."
Er schien mich plötzlich wieder wahrzunehmen. Dann nickte er. Er drehte sich und schritt nun weiter den schmalen Pfad zwischen den wuchernden Pflanzen entlang.
"Sie haben auch keine Stimme, keine Ohren. Wenn man sie sieht, könnte man glauben, es sind Geister. Wenn man ihre Fähigkeiten erfährt, denkt man an Monster. Die Relaner sahen in ihnen das letztere. Bexie denkt gerade an Geister und teilt das Mia mit. Wie gut, dass Mia mehr nach uns kommt."
Ich fragte nicht, woher er das wusste, denn ich spürte auch etwas. Da war etwas am Rande des bewusst Seins, was sich zeigen wollte. Immer mehr hatte ich den Eindruck, dass die Schatten Konturen hatten. Konturen von Vogelmenschen. Waren sie also doch nicht in dieser Dunkelheit umgekommen? Aber warum versteckten sie sich?
"Warum spüren wir so etwas?", wollte ich von Zero wissen.
"Nenn es Übung", bemerkte er. Und dann hatte er plötzlich einen Arm in der Hand, den er aus einem Blattwerk pflückte. Mit einer schnellen Drehung hatte er das Wesen in den Pfad gezerrt. Ich sah kurz etwas blitzen und schon steckte eine hauchdünne Akupunkturnadel in der Stirn des Fremden.
Wenn es denn die Stirn war. Das "Gesicht" wirkte Makellos glatt. Es gab keine Augen, keine Ohren, keine Nase, keinen Mund. Und irgendwie hatte ich den Eindruck, dass ich ein solches Wesen bereits einmal gesehen hatte, nur wo?