Das ist wohl das schlimmste, was einem Admiral passieren kann. Der Feind hat die Barrikade durchbrochen und sitzt nun mitten zwischen den eigenen Schiffen. Wenn er auf das Schiff schießt, verliert er wohlmöglich einen Teil seiner eigene Flotte, schießt er nicht, kann alles passieren. Besonders Schlimm wird es, wenn dann nichts passiert.
"Die sind in Schockstarre verfallen", vermutete Juliet.
"Die haben soviel Dreistigkeit nicht erwartet", erwiderte Alice. "Warum warten wir?"
"Die haben nicht nur Atombomben. Deren Laser und Plasmakanonen könnten uns trotzdem Grillen, wenn wir eine Luke öffnen."
"Und auch dabei ihre Station und ein Teil ihrer Schiffe gefährden."
"Ich weiß nicht, ob die das wissen. Ich sehe hier nirgendwo Carlium."
"Ob denen das nicht bekannt ist", zweifelte Juliet. "Das wäre dann der Verkaufshit."
"Vorher müssen wir erstmal heile mit ihnen Handeln können und davor sollte sich erstmal einer melden."
Wieder warteten wir und es passierte nichts.
"So. Mir reicht's", stellte Juliet fest und drückte den Funk auf einer Standartrepublikfrequenz. "Hallo, hier ist Juliet Parker Luis mit ihrer Familie. Wir wären erfreut, mit Rumija zu sprechen. Wir möchten Handelbeziehungen zwischen euch und unserer Gruppe aufbauen."
Sie wiederholte das ganze noch in Katzanisch, Florianisch, Mechanoid, Mecralodonisch und einer Gurgelsprache, die ich noch nicht kannte und ließ dann den Knopf los.
"So. Jetzt ist der Ball in deren Hälfte", schloss sie mit einer Ballsportmetapher. "Ich bin müde. Ich habe Hunger. Wenn die uns aus dem Orbit schieben oder auf uns feuern, kriegen wir das auch in der Küche mit. Wer kommt mit?"
Wir gingen alle. Am Essentisch diskutierten wir darüber was passierte, wenn die sich nicht melden würden. Ich klärte die große Runde, vor allem die neusten, darüber auf, dass wir bei rein vegetarischer Ernährung, bei denen, die es könnten, und fleischlicher Ernährung nur bei denen, die es müssten, wohl die nächsten 2000 Jahre hier überstehen könnten. Dann allerdings hätten wir nichts mehr, was wir in den Reaktor werfen könnten und der Platz an Bord dürfte für unsere Nachkommen ziemlich Eng werden.
Allgemeines Gelächter ertönte. Selbst Freya lächelte. Sie schien aber auch auf was anderes zu hören. Ich nahm sie auf den Schoß und zerstampfte für sie Äpfel, Bananen und Milchbeeren vom Ghost Planet. Bereitwillig machte sie ihren Mund auf und leckte Löffel für Löffel ab.
"Endlich", sagte Max. "Sie verschleißt derzeit einen Milchschnulli pro Tag."
"Bekommt sie etwa schon Zähne?", fragte Alice und kitzelte Freya zwischen den Flügeln. Sie riss ihren Mund vor lachen weit auf, etwas, was nur Mensch-Katzoidhybriden taten. Aus vollem Hals lachen war einfach typisch menschlich. So sah aber Alice schon eine Reihe kleiner Zahnspitzen durch den Gaumen stechen.
"Sie hat garnicht geweint", meinte Alice.
"Das haben einige unserer Kinder nicht", stellte ich fest. "Außer Mia eigentlich keiner mehr."
"Die sind von den Geschwistern abgelenkt", bemerkte der Doc. "Und Freya von Strömen in der Macht. Die bekommt sogar Dinge mit, die andere nur am Rand bemerken."
"Okay. Doc, wer ist dann die Frau, die Freya die Flasche gibt, von der sie immer träumt?"
Alle sahen mich an. Keiner wusste das.
"Du bist der Kindsvater. Du hast eine Verbindung zu ihr, wie sonst nur wir beide zu den anderen Kindern", stellte Alice fest.
Ich legte meinen Stein auf den Tisch und andere Taten das auch. Wie in einer Spindel schlossen sich nun alle zusammen und ich übertrug nun das Bild aus Freyas Traum.
"Das ist Pia", sagte Juliet sofort. "Die Frau auf der Suche nach ihrer Heimat, die mit dem alten Machtträger in dem vermoosten Schiff rumfliegt. Zeros neue Liebe."
"Zero?"
"Der schläft, lass ihn schlafen", sagte meine Frau streng.
"Also, das ist Pia. Wie kommt Pia zu Freya?"
"Sie kommt nicht zu ihr", stellte Nick fest. "Seht ihr die Hände? Keine Haare, keine Krallen, keine Federn. Das sind Menschenhände."
Nick hatte recht.
"Das wird Zero nicht freuen", stellte Juliet fest.
"Oder doch", bemerkte Chimea. "Der Zwilling."
"Ein reiner Mensch?", fragte ich.
"Was für ein Zwilling?", wollte die ganze Familie wissen.
So erzählte ich das, was der Alte Führer vom Ghostplaneten erzählt hatte. Freya war ein Kind erschaffen von der Macht. In besonderen Fällen, wenn zu viel DNA vorhanden ist, bildet sich ein Zwilling. Chimea hat Freya mit der DNA von vier Welten erschaffen. Ihre eigene, die DNA von mir, einem reinen Mensch, Zero, einem Mensch-Marsianer Hybrid und der DNA von Mia, deren Gebärsack noch immer in mir steckt und meiner weitere Vaterschaft ermöglicht, ohne dass ich dabei immer gleich beinahe sterbe. Chimea hat nicht gewusst, dass die eigentlich direkt zu mir gehörte. Folglich war viel zu viel Material da und ihr Versuch, doch noch alles zu vereinen, hat zu einer zweiten Machtgeburt gesorgt, irgendwo in der Galaxie. Bei irgendeiner Frau, die genau in dem Moment ein Kind empfing.
"Befruchtung vom Heiligen Geist", bemerkte Ariane. "So könnte Jesus entstanden sein."
"Da hat der aber echt die Arschkarte gezogen", stellte Nibula fest.
"Und wo ist das Kind jetzt?"
"Zumindest nicht mehr auf Nebulon", erklärte Shima.
"Wieso kommst du jetzt auf den Drachenplaneten?"
"Den hat doch Zero vor ein paar Wochen anfliegen wollen. Deswegen haben wir doch überhaupt mit dem Sektor angefangen."
Ich erinnerte mich wieder. Also war es klar. Freyas Schwester war bei Pia und die war irgendwo mit einem Reptiloiden unterwegs. In einem Grün vermoosten Raumschiff, dass sich tarnen konnte, von zwei Machtwesen beschützt. Alles war erstmal gut.
Ich sah herunter zu Freya, die nun mit den Fingern mitten in die Obstpampe griff, um sie sich genüsslich mit samt der Hand in den Mund zu stecken. Ihre Miniyana erbeuteten dabei jeden herunterfallenden Tropfen. Plötzlich hielt sie inne. Sie sah sehr ernst aus, dann krabbelte sie nach vorne und legte ihre obstverschmierte Hand auf den Traumstein.
" ... mir, was du siehst", sang dort eine weibliche Stimme, die einer Katzoreptoiden Mischling gehörte, die sich plötzlich von allen in unseren Schiff umringt sah. Sie wollte sich umdrehen, was ihr in der Traumwelt nicht viel nützte.
"Ich nehme an, sie sind Rumija", fragte ich ins Blaue und die Frau zuckte.
"Ich dachte, sie wäre älter, bei dem Vater", bemerkte Juliet.
"Wenn Jinus sein erstes Kind bekommt, werde ich auch alt aussehen, hoffe ich."
"Wer ist Jinus?", wollte Leonie wissen.
"Eurer neuer kleiner Bruder."
Jubel brach in der Traumwelt aus, die auch einige Verbindungen kostete. Sie kamen aber wieder, weil sie neugierig waren.
"Sie halten mich gefangen", stellte die Frau fest. "Das können nur Wächter mit Komobiten."
"Wächter ist falsch und was ist ein Komobit?"
Die Frau zeigte in ihrer Hand einen rot leuchtenden Kristall.
"Auch da müssen wir passen. Wir benutzen etwas, dass wir Traumstein nennen. Es verbindet uns in der Traumwelt. Hier erschaffen wir alles nach unseren Vorstellungen. Aber sie haben versucht, in den Geist unserer derzeit jüngsten einzudringen. Sie hält sie gefangen."
"Ein Kind?"
"Ein Baby", erklärte James. "Die kann noch an ihren Zehen nuckeln."
"Also ich kann das auch", erklärte Leonie und bog ihren Fuß hoch. Sofort war ein Wettbewerb im Gange, der fast alle Kinder aus dem Traum warf. Ich hob Freya samt dem Traumstein hoch, was auch erstmal alle anderen aus dem Traum warf. Ich deutete an, ins Wohnzimmer zu gehen. Dorthin folgten nur die ältesten und die Diplomaten. Als wieder alle im Traumreich waren änderte ich das Gedankenschloss vom Küchentisch zur Wohnzimmersitzgruppe. Der Ersteller bestimmte in der Traumwelt das Decor. Alle saßen, nur die junge Frau wirkte noch unschlüssig. Bei der Suche traf ihr Blick auf Juma, der ihr am ähnlichsten sah und dann auch Jinal, die Diplomatin von Schrkarss. Vor ihr verbeugte sie sich und fragte in der alten Sprache der Adebaner, warum sie sich mit so minderen Spezies wie den Menschen abgebe.
"Sie wissen schon, dass die in diesem Traum jedes Wort verstehen?", bemerkte Jinal kalt und abweisend. "Dieser Mensch und seine Familie hat unserem Volk auf Schrkarss unsere Krieger zurückgebracht. Sie sind die Erfüllung einer sehr alten Prophezeiung, dass eine Familie Parker den Völkern der Republik der Frieden wieder gegeben wird. Durch die Kraft der zwei Kinder."
"Ich vergaß, wie abergläubig dass Volk meines Vater war", sagte die Frau abweisend.
"Und ihr bestätigt die Sagen über die Hochnäsigkeit der ersten Herren der Republik", entgegnete Jinal ebenso abweisend. Deutlich freundlicher setzte sie nach. "Ich bin sehr froh, Alice, dich vor ihr kennen gelernt gedurft zu haben. Dich und diese wundervolle Familie. Ich bin froh, euch Freunde zu nennen."
Rumija sah von ihr zu Alice und dann weiter meine ältesten Kinder entlang.
"Alle von einem Mann. Hat dich dieser Mensch versklavt?"
"Hat das dein Vater deiner Mutter angetan?", stellte Alice die Gegenfrage. "Die Liebe meines Mannes zu mir ist das des Umato."
"Mach dich nicht lächerlich. Er ist ein Mensch."
"Er ist längst nicht der einzige, der eine Verbindung zu uns Katzoiden hat. Hier in der Runde sitzen alleine drei Völker, mit denen sich Mitglieder meines Volkes verbunden haben. Und auch untereinander. Bei uns wächst eine neue Zukunft. Wenn die alte Zeit wir ihr war, so voller Hass gegen andere, möchte ich sie nicht näher kennen lernen."
"Warum seid ihr dann gekommen, und wie habt ihr die Barriere durchbrochen?"
"Wir kamen, um Antworten zu erhalten. Auf die Frage, warum Katzoide außerhalb eurer Sphäre wie Tiere behandelt und in diesem Teil der Galaxie gejagt werden. Wir kamen, weil euer Vater uns riet, hier herzukommen. Das hier die Antworten zu finden seien. Vielleicht dachte er auch, uns auf die Art loszuwerden und die alte Ordnung zurück zu bekommen. Die Ordnung, wo alle Völker des Reiches versklavt sind und nur dem Rat von Syndika A Tribut schulden. Unterdrückt und kontrolliert von den Wächtern. Vielleicht dachte er, Katzoiden wären die Lösung für das Dilemma eines stagnierenden Reiches. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es selbstverliebte Katzoiden sein können."
"Das war's? Deshalb seid ihr hier?"
"So sieht es aus."
"Und deshalb habt ihr mich gefangen genommen?"
"Freya, gib sie frei."
Sofort verschwand die Frau.
"Ich mag sie nicht", stellte Juliet fest. "Wenn die alle so sind, können die in ihrem Gefängnis bleiben und mit ihrer Machtverliebtheit kuscheln."