Das war das gefährlichste, was wir je getan hatten. Wir holten aus unserem Sprungtriebwerk das Maximum heraus. Das, was wir zugegeben in einem ziemlichen Zickzackkurs die letzte Woche abgeflogen waren, legten wir nun in fünfundvierzig Minuten zurück. Keiner wusste genau, was es für Folgen hatte, durch eine Einstein-Rosen-Brücke mit einer Quantenverschiebung zu springen. Wenn wir Pech hatten, kamen wir auf der anderen Seite als ein Haufen Trümmer hervor. Daher waren auch alle bis auf Mia, Bexie, Shima, Tekau und mir auf die Beiboote verteilt. Sie immerhin würden überleben.
Grund für diesen gewagten Sprung war ein abgebrochener Funkspruch von Andrew, meinem Bruder. Der war mit seinem Schiff auf einer Müllsammeltour gewesen, so drückte es seine Frau Eli aus. Nächster Stopp auf seiner Tour wäre Tau Ceti gewesen. Dort wollte er ein paar Bohrtürme bergen und scheinbar schien dort auch ein verlassenes Kolonieschiff hinzudriften. Andrew wollte es bergen, untersuchen und in sein Ding, was er da baute, hineinschweissen. Seiner Aussage nach fehlten ihm noch mindestens zehn Prozent der Hülle und selbst dann war sein Schiff noch immer zum großen Teil hohl. Mir schwante übles, wenn ich darüber nachdachte, was er da gebaut hatte. Die Pi-Hydra war eigentlich schon groß, immerhin passte die Hydra-Terra in die obere Shuttleabteilung, ohne groß anzustoßen. Andrew hatte für sein neustes Werk alle aufgegebenen Sklavenhalterschiffe zusammengezogen und sich den selbstorganisierten Antriebskern, der die Reste seiner Hybris darstellte, in Beschlag genommen. Wenn der ganze Müll nicht reichte, dann war das neuste Projekt kein Pappenstiel sondern einfach nur gigantisch. Ich hoffte, dass es kein Todesstern war.
Konzentriert, an meinen Fingern kauend, starrte ich auf die Entfernungsanzeige. Ich hatte Eli natürlich gefragt, ob es nicht sein könnte, dass Andrews Konstrukt einfach nur eine Macke hätte, da hat sie eine ihrer Töchter vor die Kamera geholt. Die war der Auflösung nahe. Ihr Katzoider Mann sei auf dem Schiff und es wäre in dem Moment des Funkabruchs so gewesen, als wenn ein Schwert durch ihre Brust gestoßen würden. Nestbindung, sagte mein Hirn sofort. Die funktionierte auch über Lichtjahre hinweg als zuverlässiges Warnsignal. Bei uns Parkers steht die Familie über allem. Mein Bruder hatte sein Leben, seine Firma und sein Vermögen geopfert, um mir in die unbekannte Tiefe des Alls zu folgen und mich zu retten. Was wäre ich für ein Bruder, wenn ich es ihm nicht gleichtat.
Noch fünf Minuten und meine Augen flogen über die Anzeigen.
"Macht die Waffen klar", sagte ich.
"Waffen?", fragte Mia entgeistert. "Das hast DU noch nie gesagt."
"Mein Bruder hat garantiert ein Waffenstarrendes Ungetüm gebaut. Wenn er also angegriffen wurde, zum Beispiel von so einem Kreuzer, dann will ich dem sofort eins überbraten."
Mia nickte und setzte sich an die Waffenkontrolle. Shima begann schon mit dem Ankunftscountdown. Die Atmosphäre auf der Brücke war zum zerreißen gespannt.
Wir plöppten aus dem Tunnel. Im All hat das keine Wirkung, kein Kreischen einer Vollbremsung, keine fortlaufende Bugwelle, kein Lichtgefunkel, wie in alten Filmen. Innerhalb von einer Millisekunden waren wir einfach da.
"Gegen das Ding kommen wir nicht an", keuchte Mia und ihre Finger begannen über die Kontrollen zu fliegen.
"Halt", ich hechtete zu ihr und schaltete die Waffenkontrolle auf stand by. "Das Teil ist nicht der Feind."
Ich fasste mich an den Kopf und atmete durch. Die war ja schon groß, aber das, was da vor uns im All schwebte, war Gigantisch und in weiten Teilen vollkommen unnütz. Vor uns schwebte eine gigantische Pfeilspitze mit jetzt nicht eingeschalteter und ziemlich unnützer Antriebssektion. Wir befanden uns etwas darüber und sahen von dem Ding, in dem Wohl die Brücke lag, und die einen großes T aus sah, über ein Feld unregelmäßig angeordneter Geschütztürme jeglicher Sorte. Ich sah sogar einige sehr lange Waffen, der Schußkanäle über das Schiff liefen. Er hatte das Ding wirklich gebaut. Nachdem ich ihm den Todesstern verboten hatte, musste es unbedingt die nächste Monstösität aus diesem Fiktiven Universum sein.
"Das ist ein imperialer Super-Sternzerstörer aus Star-war's... bzw er soll es wohl werden. Mein Bruder hat die Ececutor zusammengeschweisst."
Ich drehte mich zu unserem Kartentisch um und rief aus unserer Datenbank eines der vielen 3D-Modell, die Artdesignererstellt hatten auf. Die Form war zu erkennen auch wenn es einige deutliche Abweichungen gab.
Ich drehte mich zu Tekau. "Irgendwas im Funk?"
"Nein, aber da sind noch zwei andere Schiffe."
Der Bildschirm zeigte ein Kolonieschiff, dass im All driftete und in der Nähe verschwand gerade ein kleineres vom Monitor. Bevor einer von uns reagieren konnte, kamen Schüsse aus dem nichts und verwandelten das Kolonieschiff in einen Schweizer Käse.
"Ausbooten", befahl ich.
Zwei der kleinen Redjäger starten mit Juliet und Max an Bord.
"Alice? Mach die Hydra-Terra startklar und flieg zu meinem Bruder."
"Chimea spürt etwas auf dem fremden Schiff. Eine mächtige Quelle der Lebensenergie, soll ich sagen. Sie ist ganz aufgeregt."
"Ich glaub, das Schiff ist weg", sagte in dem Moment Shima. "Es ist nur ein Gefühl, aber ich denke, die Gefahr ist vorbei."
Ja toll dachte ich und was ist nun mit meinem Bruder?
"Ich bekomm gerade einen Funkspruch rein", bemerkte Tekau. "Ich denke, es ist dein Bruder."
"Dann hol den mal auf den Schirm."
Es dauerte etwas, dann grinste mein Bruder mir entgegen. Er strahlte richtig vor Begeisterung.
"Du wirst nicht glauben, was ich gesehen habe."
"Andrew. Ich bin hier, weil wir von Eli einen Hilferuf bekommen haben. Geht es euch gut?"
"Ja geht. Aber komm schnell rüber. Du glaubst echt nicht, was ich gesehen habe."