Eigentlich hatte ich mich auf unser Haus gefreut. Aber da dies nun im Zentrum einer wirbelnden Stadt lag und Bestrebungen im Gang waren, diese Keimzelle etwas zu erheben, damit es nicht zwischen den neuen Hochhäusern im Whitestil verloren ging, wurden wir kurzerhand auf eine Farm im Randbezirk der Stadt ausquartiert. Wir, das waren in dem Fall ich, Alice und die Kleinen. Alle anderen nahmen am vollen Leben Neukölns teil. Mir war es recht. Abends kamen wechselnde Familienmitglieder vorbei und sorgten so dafür, dass die Nestwärme nicht überstrapaziert wurde.
Chimea kam jeden Abend mit meinem Shake zu uns und vollführte über meinem Bauch ihre Rituale. Danach kam ich mir immer wie aufgeblasen vor und die kleine war noch aufgedrehter als sonst.
"Toll, dass sich Zero nicht um den Namen kümmert. Ich sehe schon, dass es wieder an uns hängen bleibt", motzte Alice.
"Wir fragen ihre Oma", überlegte ich laut.
"Eli muss selber drei neue Namen finden", lächelte Alice.
"Hat sie das gesagt?"
Alice lächelte unverbindlich.
"Du hast meinen Smoothie getrunken."
"Sollte ich als einzige in der Familie ohne diese Fähigkeiten bleiben? Ich mein ja nur. Es ist schon praktisch, Chimeas Mimik zu sehen statt zu raten. Es ist auch praktisch, radioaktive Strahlung zu erkennen, bevor man in sie reinläuft. Und zu fühlen welches Kind gerade Probleme hat, ist auch ganz hilfreich."
"Du wirst noch zu Helikoptermutter."
"Das ist eigentlich das Standartverhalten von Grossmüttern auf Green. Der Unterschied ist nur, dass ich für das Thema Grossmutter viel zu jung bin."
"So wie ich für den Opa zu jung bin. Aber ich werde trotzdem ihrem Glück nicht im Weg stehen."
"Ich trag jetzt auch so einen Stift", teilte Alice mit. "Nun können wir uns lieben, ohne dass ich den Samen in dich pflanze."
"Wir sollen mit der Familienplanung aufhören?"
Es schien überdeutlich, dass ich noch nicht genug hatte. Ich liebte alle meine Kinder und ich tat viel dafür, dass es alle merkten. Da war nicht nur das Abendritual. Da war auch das Hinterherfunken, jetzt, wo wir auf dem Land und sie in der Stadt waren. Sie fehlten mir und ihre rasende Entwicklung war mit ein Grund dafür, dass ich mehr von ihnen wollte. Ich fand es auch wichtig, dass niemand sich alleine fühlte, weil er oder sie der oder die letzte war. Obwohl es zwangsläufig irgendwann zu dieser kam. Dann hoffte ich jedoch, dass die Enkel den Platz der Geschwister ausfüllten. Zum Teil war das schon jetzt so. Und alle wollten gerade sehr nah bei uns sein, weil sie gespannt auf das neue Familienmitglied waren. Je näher der Termin rückte, um so mehr Kinder nisteten sich auch bei uns ein. Als erstes tauchten Max und Bexie auf. Dann war die Mädchen-WG eingezogen und sorgten dafür, dass die ganz Kleinen nicht zu sehr auf mir hockten. Mia und Nibula waren die nächsten, die dauerhaft Stellung bezogen.
Die einzigen, die nicht kamen, waren Zero und Juliet. Bei den Beiden war mir das klar. Er instruierte die Wissenschaftler, die sich der Parkersphäre nähern wollten über alle Erkenntnisse, die er und seine Miniyana bei der Erschaffung gesammelt hatten.
Und Juliet war mit Cham und Red bei den Mechs und half bei der Kopie des Archiv. Wir hatten deswegen täglich Holocalls und sie strahlte richtiggehend innerlich, auch wenn die Kameras sowas natürlich nicht übermittelten.
Auch die Diplomaten waren bald Restlos bei uns. Roo bemerkte, dass er seine Verwandten anstrengend langsam fände. Ein Teil von ihm, der die Langsamkeit mochte, sei dort geblieben. Da er plötzlich viel Platz in seiner Uniform hatte, wusste ich, dass er sich wieder geteilt hatte.
Tekau und Ru Mar Kso meinten, dass Kinder bekommen nur in einer ruhigen Umgebung ginge. Die Stadt sei mittlerweile viel zu Hektisch. Ich fragte mich, ob wir bald auch deren Nachwuchs in der Kinderstube hätten und wie sich eigentlich Mar Kso fortpflanzt. Das wiederum schien dann auch Mogon und Lily herbei zu locken, obwohl sie offiziell Interesse an der Farm und dem Terraformen hatten.
Obwohl Terra eigentlich der falsche Planet war. Tatsächlich waren auf den Farmen besonders einheimische Pflanzen zu finden. Die wurden durch das reichliche Wasser angelockt und gediehen so schnell, dass die nicht mehr ganz so stark gepanzerten Skorpione sehr langsam über sie grasten.
Auch die Jäger waren auf der Farm vertreten. Auf kleinen Felserhebungen sonnten sich die Stachelkeuler, und nur gelegentlich fiel ihnen eines der grasenden Skorpiondinger zum Opfer. Alles auf dieser Farm war entschleunigt.
Genau die richtige Zeit, Zeros Tochter zur Welt zu bringen. Sie schickte bereits mächtige Welle geistiger Macht durch den Äther, als wollte sie sich schonmal ankündigen.
"Die sollte nicht so eine Welle verursachen", bemerkte Alice. "Wir wissen nicht, wie andere auf sowas reagieren."
Ich versuchte, meine Tochter zu beruhigen, aber sie verweigerte komplett den Gehorsam. Alice seufzte: "Männer."
Sie fokuzierte sich auf meinen Bauch und setzte eine strenge Mine auf: "Freya, nimm dich zurück und zeige deine Macht nicht so."
Augenblicklich war die Machtausbreitung verschwunden und in das Machtvakuum hinein breitete sich eine andere Macht aus. Eine, die aus dem All kam und auf dem Planeten landen wollte. Ich kannte das Muster. Ich hatte diese spezielle Machtsignatur schon einmal gespürt. Es war die auf dem fremden Schiff, dass auf meinen Bruder geschossen hatte, bevor es dann verschwunden war.
Mit der gebotenen Ruhe, um mein Kind nicht aufzuwühlen, holte ich mir ein Handy und rief Zero an.
"Du hast es auch gespürt?", fragte er ohne Begrüßung. "Wie habt ihr Anrey dazu gebracht, ihre Macht einzuschränken?"
"Ist das der Name, den du und dein Mann sich ausgedacht haben?"
"Nein. Mein Mann wollte sich einen ausdenken, aber er kam nicht mehr dazu. Warum?"
"Weil sie jetzt einen anderen hat. Alice hat ihr gerade gut zugeredet und das mit dem Namen Freya."
"Warum Freya? War das nicht die nordische Gottheit der Schmerzhaften Liebe?"
"Wenn du den Schmerz weglässt, dann hast du recht. Wer kommt den jetzt da zu uns?"
"Wenn ich das genau wüsste, aber sie ist auf jeden Fall mächtig. Wir sollten vorsichtig sein. Und wir sollten meinen Vater daran hindern dieser Person zu begegnen."
Ich nickte, ohne zu antworten. Andrew wäre mit der Person nicht diplomatisch, die Löcher in sein Schiff geschossen hatte. Aber auf der anderen Seite würde er Tagelang um das Schiff kriechen, um den Klingonen aufzulauern. Beides wäre nicht von Vorteil.