Als wir in das System der Zitadellensingularität gesprungen waren, verteilten sich die Miniyana sofort im All. Es sah aus, als wenn um uns eine Wolke Konfetti explodiert wäre. Vor uns schwebte eine gleißende Erscheinung, die in der Mitte gestaucht schien. Der ganze Weltraum schien dort gestaucht zu sein. Das sichere Zeichen, dass vor uns ein schwarzes Loch lag. Ohne unsere Carliumhülle hätten die Gezeiten uns bereits in unserem Shuttle zerrissen. Da hätten uns auch unsere Trägheitsdämpfer und unsere Schwerkraftzellen in den Böden nichts mehr genützt. Wenn den Miniyana unter der Leitung von Zero nun gelang, das komplexe Muster der Magnetischen Eindämmung um dieses Monster zu weben, hätten wir nicht nur eine riesige Energiequelle und einem Nachbarsystem eine Gnadenfrist gegeben, es könnte auch eine Chance gegen den Angriff einer solch gefährlichen Waffe sein.
Gespannt sah ich dem Spiel der Formen zu. Sah die kleinen Schiffe der Miniyana immer komplexer Formationen abfliegen. Zur gleichen Zeit verschwanden auch langsam die vom Loch ausgehenden G-Kräfte. Der Materiestrom, der von der Sonne zu der Singularität führte, versiegte langsam und damit nahm die Helligkeit ab. Immer stärker wurde das Netz der dünnen Streben, die voraus den Raum füllten. Es sah wie ein Wollknäul aus, mit dem Katzen spielten. Das musste nur noch einer festziehen.
Vier Stunden dauerte das ganze Spiel, bis Zero sagte, dass es vollbracht sei, dann sackte er auf seinem Stuhl zusammen. Ich rief noch die Zeros zurück ins Schiff und flog dann zurück zur Pi-Hydra. Es war vollbracht, die Parker-Sphäre war komplett.
Alle Augen der ganzen uns bekannten Sternsysteme waren auf uns gerichtet, als wir in der Shuttlerampe von Bord gingen. Das Bild, das um die Welten gehen würde, war jedoch nicht das glorreicher Sieger. Ich trug Zero wie ein Kind in meinen Armen. Seine Zeros waren als großer Berg auf einer Hängematte gestapelt und wurden uns von meinem Miniyana hinterher getragen. Wir waren also mehr die abgekämpften Krieger, die zwar gewonnen, aber bitte nie wieder in so einen Krieg geschickt werden wollten. Trotzdem wusste ich, dass die Bilder Wirkung haben würden. Es war etwas, was geglückt war. Wir schufen Hoffnung, weil wir gegenüber einem Goliat mit ganz kleinen Steinen gesiegt hatten. Wir waren Davids und unser Goliat war ein riesiges Schwarzes Loch.
Jetzt konnten wir das Feld räumen, um einer ganzen Horde von Wissenschaftlern, Kriegern und Abenteurern dieses Ding zu überlassen, die das daraus bauten, was wir angedacht hatten: Sie würden eine Festung daraus bauen. Die Zitadellensingularität, die eine Kolabierte Festung der Sklavenhaltergewesen war, würde nun unsere Festung. Nur deutlich stärker.
Aber es war Zukunftsmusik. Der Angriff auf das Kolonieschiff hatte mehr als deutlich gezeigt, dass wir dem Feind nichts entgegen zusetzen hatten. Ja, wir hatten bisher gewonnen. Unsere eigenen Verluste waren nicht nennenswert. Wir hatten einfach nur unverschämtes Glück. Ein Glück, das aber auch auf vielen Zufällen basierte.
Zum einen waren die Plünderer zwar in ihrer Heimat eine Organisation, aber hier in unserem System waren die alle auf eigene Kappe unterwegs. Einige hatten sich zwar zusammen getan, aber im eigentlichen Sinn waren es alles Einzelunternehmer gewesen. Sollte von dort ein großer Angriff auf uns erfolgen, hätten wir momentan keine Chance.
Aber auch wenn wir in ein paar Monaten die Festung mit der angedachten Wurmlochfalle hatten, konnte die es nicht mit einem getarntem Schiff aufnehmen. Wir hatten gewonnen. Das stimmte. Aber wir waren kleine Kinder in einem Sandkasten und am Rand standen die waren Goliats, die uns den ganzen Spielplatz wegnehmen konnten.
Mit diesen Sorgen und Überlegungen saß ich in der Küche und stütze meinen Kopf auf die Arme. Eine Tentakel griff mir über die Schulter. Es war Lumina.
"Lass mich deine Gedanken hören", bat sie.
"Meine Gedanken sind gerade dunkel und voller Hoffnungslosigkeit."
"Deshalb sollst du sie auch mit mir teilen. Ich möchte dir helfen, wieder Licht zu sehen. Wir anderen sind nämlich abhängig von deinem Licht. Von deiner Überzeugung, dass alles schon immer wieder vorwärts geht."
"Das weiss ich. Deshalb schotte ich mich auch ab."
Lumina drehte mich herum und ergriff meinen Traumstein. Sie nahm meine Hand und legte auch diese darauf. Sofort waren wir auf ihrer Welt. Dort zeigte sie den Himmel klar und blau und voller Ĺeben. Ich sah ganze Herden aus jungen und alten Waloiden durch die Lüfte ziehen, so viele hatte ich in den hohen Lagen bei meiner Ankunft nicht gesehen.
"Auch dafür bin ich zum Teil mitverantwortlich", bemerkte eine sehr traurige Lumina. "Wir waren mal viel mehr, wir waren die beherrschende Speziez auf Juma. Heute wären es eigentlich Nicks Leute. Für die Fremden waren wir dumme Beute. Sie haben hunderte Herden aus dem Himmel gefischt, bevor sie uns verließen. Am Ende haben sie sich nichtmal die Mühe gemacht, zu verbergen, dass sie meine Art wie Fische geschlachtet und ausgenommen haben. Du hast mir den Glauben zurück gebracht, dass ein Einzelner mit nur genug Willen etwas bewirken kann. Und natürlich eine große Portion von: Wir sind die Parkers."
Lumina lachte und zeigte mir unsere Ankunft aus ihrer Perspektive. Wir wirkten wie hilflose Käfer, die ihre kleine Arme in die Seiten stemmten und schrien, komm doch, tritt auf mich. Wirst schon sehen, was du davon hast. Ich musste schon wieder lachen. Aber sie hatte auch recht.
Die Fortress war etwas, was wir jetzt gebasteltet hatten. Es war etwas wie die Raumschiffe von Andrew. Es waren Keimzellen und Ideen. Etwas daraus zu machen, die Pflanze zum Blühen und Gedeihen bringen war nicht unsere Aufgabe. Es war damit auch nicht unsere Sorge.
Das Weltall war auch schon vorher ein gefährlicher und unbekannter Ort, der uns mit jedem geflogenen Lichtjahr umbringen konnte. Uns darüber Gedanken zu machen, was jenseits unseres Sandkastens lag, war erstmal nichts, was uns interessieren sollte. Jetzt zu diesem Moment würden wir ihn nur mit viel Sand, Förmchen und Schaufeln verteidigen. Sollten Sie nur kommen.
"Niedliches Bild", kommentierte Lumina und unterbrach die Verbindung. Unser Blick viel auf die Sandfläche im Zentralring, auf der eigentlich unsere Volleballfelder waren. Die wurden jedoch jetzt fast vollständig von einer fest in der Hand der Kinder befindlichen Sandburg ausgefüllt. Die Volleyballspiele fanden nun im Botanischen Garten am Strand des Sees statt. Ich lächelte.