Ich wollte schon die Verbindung trennen, da machte der Doc auf sich aufmerksam.
"Ich habe da noch etwas, was ich euch dringend sagen muss. Es betrifft unsere Vorfahren in dem Schiff auf Green."
"Okay. Was kommt jetzt?", fragte Alice genervt.
Der Doc projizierte ein Bild in den Traum, wo er und ein anderer Katzoid eine der Kammern der Katzoiden aus dem Schiff geborgen hatten. Dieser war tot und nur halb so groß wie der Doc.
"Das ist kein Kind, dieser Katzoid ist ausgewachsen."
Jetzt projizierte er ein zweites Bild in den Traum, die Trümmer aus der Sphäre zeigten. Darin in einer Sektion befanden sich die gleichen Stasekammern wie in dem Raumschiff auf Green. Und dann zeigte er uns die Bilder der beiden Katzoidinnen, die wir bei Tusch gerettet hatten und die eine im Casino. Beide hatten die Größe und Gestalt von Alice, aber ihr Gebiss war das einer Katze, ein Reißgebiss. Auch die Katzen in den Stasekapseln trugen so ein Gebiss.
"Sie mögen unsere Vorfahren sein, aber die Katzoiden auf Green sind nicht mehr die gleichen, wie wir sie hier vorfinden werden. Ich denke, wir müssen mit Katzenartigen rechnen, die für uns wie Babys oder Kleinkinder aussehen. Und ich denke, dass sie alle eine ziemliche Zeit geschlafen haben."
"Wie kommst du darauf?"
"Ich habe mir die Werte der Planetarsonde angesehen, die Tekau heruntergeschickt hat. Die Werte dort unten sind wie die Luftwerte auf White. Vorindustrial aber sich schnell verschlechternd. Als wenn da jemand im großen Stil etwas hochfährt. Ich kann mir nur Vorstellen, dass da jemand sehr lange geschlafen hat. Das würde auch die ganzen parkenden Schiffe erklären. Einige von denen sind beschädigt. Das sieht aber so aus, als wäre es vor Jahrtausenden passiert. Manche Beschädigungen haben schon Beschädigungen. Wer lässt so lange Schiffe im All schweben, fliegt dann aber mit dem dicksten und teuersten Pott spazieren?"
Der Doc hatte wirklich effizient alles zusammen getragen, was er herausgefunden hatte. Als wir danach nur so im Kreis saßen, Freya inzwischen friedlich schlafend auf Gnuna, wieder eingewebt im Cocoon von ihren Miniyana, ließen wir uns das Gesagte durch den Kopf gehen. Ich zog meine Frau an mich und küsste sie auf ihren Kopf und sie legte ihn dann auf meinen Bauch.
Bei allem, was in den nächsten Tagen passieren sollte. Das jetzt und hier, die Vertrautheit meiner Familie und Mannschaft, die war gewachsen. Die konnte uns keine alte Superspezies nehmen.
Es dauerte einen weiteren Tag, bis jemand von außen an unsere Luftschleuse klopfte. Ich ging mit Roo zur Schleuse. Wie ich vermutet hatte, und deshalb war Rooo bei mir, kamen die Typen nicht ohne Waffen, die sie aber sofort aus ihren Händen verloren. Rumija ging mir nur bis zur Brust, die vier Soldaten in ihrer Begleitung sahen wie Dreikäsehoch aus. Fehlte noch der Ranzen und die Schultüte. Etwas wehmütig dachte ich daran, dass ich die Tradition bei meinen Kinder versäumt hatte.
Ich bat die Gäste zu uns herein zu kommen und versicherte ihnen, sie könnten ihre Waffen wieder haben, wenn sie gingen. Rooo warf sie kurzerhand zur Schleuse raus.
Ich führte sie an der Galerie vorbei in den botanischen Garten, wo im Hintergrund noch immer die Drachoiden Flugübungen machten. An einer großen Lounge ließ ich sie Platz nehmen. Ich fragte, ob sich etwas trinken wollten, aber sie verneinten. Dann saßen wir nur schweigend da und musterten uns, bis mir nach einiger Zeit der Kragen platzte.
"Da nun ja offensichtlich kein Interesse besteht uns kennen zu lernen, sollten wir nun über unseren Abzug verhandeln", bemerkte ich nach einer Stunde kalt. "Ich habe mit ihrem Vater und ihren Kindern echt viel tiefgreifender Gespräche geführt als mit ihnen. Hier jemanden nur anzustarren, dafür ist mir meine Zeit zu kostbar. Also, wie sollen wir uns zurückziehen?"
"Die einzige Möglichkeit für euch, diesen Platz zu verlassen, ist euch zu ergeben und in Gefangenschaft zu gehen. Ich bin hier, um euch dieses Ultimatum zu überbringen."
"Ich bin mir ja nicht sicher, ob ihr es bemerkt habt, aber wir haben keinerlei Angst vor euch. Dieses Ding, was ihr da habt, ist nämlich restlos veraltet und eigentlich nur noch groß. Sein Schwesterschiff haben wir vor zwei Wochen außer Betrieb genommen, ohne die Wächter um Erlaubnis zu bitten. Ihr Vater hat uns mehr oder weniger dazu gratuliert."
"Erwähnen sie nicht meinen Vater. Er hat zugelassen, dass meine Geschwister getötet wurden. Sie haben keine Ahnung, wie sich das anfühlt."
"Ich werde ihnen jetzt ein spezielles neukatzoides Geheimnis verraten. Wir alle haben da was, das nennt sich Nestwärme. Normal sorgt es dafür, dass weibliche Katzoiden achtzehn Jahre quasi an ihre Mutter gebunden sind und deshalb besonders umsorgt werden. Bei Neukatzoiden ist der Mann nämlich ein Nestflüchter. Bei Mensch-Neukatzoidverbindungen, wenn der Mann einhundert Prozent kompatibel ist, ist auch der Mann an die Nestwärme gebunden. Ich weiß von unserem Doc, dass dies bei Katzoiden der neuen Zeit auf nur einer von über hunderttausend Verbindungen zutrifft. Wenn Menschen ins Spiel kommen, dann sind wir bei vier von fünf Verbindungen. Ich war nur der erste. Oder glauben Sie, ich setze gerne meine Familie der Gefahr aus, dass sie von irgendeiner uralten Spezies, die die letzten Jahrtausenden ihren Dornröschenschlaf abgeleistet hat, versklavt werden soll?"
Die Frau starrte mich weiter an.
Chimea enttarnte sich neben mir und erschreckte damit unsere Gäste. Zum ersten mal erfolgte unsicheres Getuschel.
"Sie versuchen mit Macht in den Geist von irgendeinem von uns einzudringen", erklärte Chimea. "Ich spüre ihre Enttäuschung und ihre wachsende Wut im ganzen Schiff. Die Kinder sagen, dass dort unten der ganze Planet von so Typen bevölkert ist. Schugabi denkt, dass dort alleine ein Viertel einer drei Milliarde großen Gesellschaft Träger der Macht sind. Die, die keine Macht haben, scheinen keine Katzoiden zu sein und deren Gedanken wirken bedrückt."
"Wie die von Sklaven?", wollte ich wissen und Chimea nickte.
"Noch ein Sklavenhaltervolk", sagte ich nun komplett voller Verachtung. "Alice. Ich liebe dich, aber auch deine Vorfahren haben in den letzten 38.000 Jahren nicht dazugelernt. Wenn ich nicht noch ein paar Sklaven befreien wollen würde und ich Hoffnung bei einigen sehen würde, würde ich zwischen denen und uns eine Mauer bauen und die in ihrem eigenem Sumpf versauern lassen."
"Menschen, so überheblich. Halten selber Sklaven und spielen sich hier auf."
"Habt ihr hier an Bord Zeichen der Sklaverei gesehen?"
"Die Kristalle um euren Hals."
"Der Traumstein?" Ich lachte. "Praktisches Ding. Er fängt die Macht ab. Jegliche Macht. Macht von Maschinen, Macht des Lebens, sogar die Macht der Seele kann er fangen, bei besonderen Umständen. Dank eines solchen Steines konnte die Seele von Freya gerettet werden und so in einem neuen Körper zurückkommen."
Bei den letzten Worten schreckte Rumija auf: "Zurückkehren? Ihr habt eine Wanderin an Bord?"
"Was meint die?", fragte ich Chimea, deren Geist auf Grund ihrer Stärke ohne den Stein auskam. Aber nun trat auch Zero gähnend zu uns.
"Sie denkt an etwas anderes als an das, was zu Freya geführt hat. Ich hab so ein Bild vor Augen gehabt, wo ein Greis und ein Kind die Seele getauscht haben, ausgeführt in einem Ritual."
"Nein, wir haben keine Wanderer an Bord, aber ich weiß, dass euch Kinder der Macht als Konzept vertraut sind. Freya Seele ist in einem solchen zu einem Körper gebracht worden."
"Kinder der Macht sind Marionetten", spuckte Rumija wütend aus. "Sie sind geprägt auf den, für den sie erschaffen wurden. Die billigste Art, an zuverlässige Leibwächter zu kommen. Nur Klone sind billiger."
"So sehen sie das Leben?", sagte nun auch Juliet abweisend. "Alles hat ein Preisschild auf dem Kopf? Wertvolles Leben, wertloses Leben? Das ist der Grund, warum ihr alle verlieren werdet. Wir haben diese Preisschilder abgeschafft. Wir nehmen bei uns jeden, wie er ist. Uns ist es egal, woher jemand stammt. Wenn es etwas gibt, was keiner machen will, bauen wir eine Maschine, die das dann macht. So bauen wir gerade eine neue Welt. So bauen wir eine Föderation, in der jeder das mitbringt, was er kann und Hilfe bekommt, wenn er etwas braucht. Fair und Gerecht."
"Eine Utopie, erdacht von Machtlosen", kläffte die Frau.
"Eine Welt, entstanden aus Wesen, die einfach nur geholfen haben, weil sie gerade da waren und nichts besseres zutun hatten", erklärte Lumina. "Die gezeigt haben, was selbstloses Handeln bewirkt. Die nicht gefragt haben, was bekomme ich, sondern, was darf ich geben. Das ist der Grund dafür, dass unser Planet, unser System und unsere ganze Föderation bisher in unserem Arm der Galaxie so schnell gewachsen ist. Weil die Führer der Völker den Wert des Gebens erkannt haben. Nicht den Wert des Besitzes."
Sie drehte sich um zu mir.
"Ich glaube nicht, dass ein Sklavenhalter sowas jemals begreifen wird", stellte sie fest. "Meine Mutter hat das ihr Leben lang nicht begriffen, obwohl die Zeit sie längst überholt hat. Ich bin raus. Sag Bescheid, wenn wir wieder auf ein Volk treffen, das aufgeschlossen ist."
Sie blickte nochmal verächtlich auf die Tochter des Rates und schwebte dann Richtung der Drachoiden.
"Das ist der Unterschied, wenn Wesen frei sind", stellte Jinal fest und erhob sich. "Schatz, kommst du?" Sie hielt Jumal ihre Hand hin. Der starrte erst darauf und dann die Diplomatin an. "Jumal, ich weiß, dass du mich die ganze Zeit begehrst. Ich weiß auch, dass du auf Grund deines Standes als unterstes der Kriegerkaste der Kämpfenden Truppen kein Anrecht darauf hast, überhaupt auf eine Verbindung mit der Tochter einer Priesterführerin zu hoffen. Aber glaubst du ernsthaft, auf Schrkarss hätte irgendeiner überlebt, wenn wir solch veralteten Mist nicht in die Mülltonne der Geschichte geworfen hätten? Und jetzt komm endlich, du dummer Mann. Verlassen wir den Ort der dummen Frau."
Rumija sah den beiden noch lange nach.