"Also wenn wir die untere Rampe und die äußeren Decks komplett evakuieren, dann können wir das Gewicht der Pi auf fast fünfzigtausend Tonnen reduzieren. Allerdings müssen wir auch noch zum Beispiel an Argon und seine Leute unser Wasser abtreten", erklärte Zero seinen Plan, den er und Max ausgetüftelt hatten.
"Gegen Kredits?"
"Also schenken würde ich denen das nicht. Von denen stammt die ursprüngliche Idee, Drachen als Piloten einzusetzen. Die sind also an deren Versklavung Mitschuld, auch wenn sie heute auf Öko machen."
"Zumindest sind sie so auf unserer Seite."
"Trotzdem traue ich diesem neuen Treibstoff noch nicht so ganz. Tibanna, aus Gasriesen gewonnen und muss in Karbit gefroren werden. Das ist viel zu aufwendig. Ich bleibe da lieber langsam."
Max grinste: "Wenigstens einer, der Traditionen Treu bleibt."
"ich denke da eigentlich auch weiter Taktische", erwiderte Zero etwas empfindlich. "An unserem Schiff kann niemand erkennen, wo oben ist, wo unten. Wir können aus dem Stand in jedem Augenblick in jede Richtung springen und bremsen. Die brauchen dafür Austrittsdüsen."
"Aber es ist doch nicht so, dass wir nichts abgeben. Und das was die Pi abgibt, wird unseren Auftritt versauen."
"Wir geben was ab?", fragte ich nun meine erste Frage in der ganzen Unterhaltung.
Die anderen beiden schauten mich an, als wenn ich gerade gefragt hätten, ob im Satz des Pythagoras ein rechter Winkel drin vorkommt.
"Wir fliegen mit einer Singularität", kam als Antwort von Max, als wenn das irgend etwas beantworten würde.
"Die alle Hawking-Strahlung aussenden", sagte eine langsame Stimme hinter mir. "Das sind freie Quanten, die sich dann zum Beispiel an der äußeren Grenze von Gasriesen ansammeln, aber auch an jedem anderen Planeten. Aus dem Zeug macht dann dieser Agon sein Tribanna. Die fliegen also mit unserem Abfall."
Juliet stand hinter uns und stütze sich an der Wand ab. Ihr Bauch sah noch immer so aus, als wäre das Wesen mehr in als auf ihr. Aber sie blutete nicht mehr, also waren die Blutadern jetzt schon geschlossen.
"Was machst du hier?", fragte ich besorgte und eilte auf sie zu. "Du gehörst ins Bett."
"Und alles verpassen? Ich will doch wissen, wie es ausgeht."
Sie ließ sich von mir nur auf die Brückenstühle bringen.
"Was ich mich aber auch schon immer gefragt habe. Wo genau verlässt uns eigentlich dieses Zeug", wollte Juliet wissen. "Wo ist unser Auspuff?"
"An den Plasmatürmen", erklärte Zero. "Und es verlässt uns auch nicht. Es läd die Plasmabatterien auf."
"Aber wir feuern die doch so gut wie nie ab. Die müssen doch bis zu platzen voll sein."
"Bei der Entladung habe ich die komplett leergemacht", erklärte Zero nun. "Ich fand, das war eine gute Gelegenheit."
"Und jetzt?"
"Warum willst du das wissen?", wollte Max wissen.
"Wegen etwas, was die Wächter sagten. Wir können nicht weglaufen, unsere Spuren würden sie überall finden. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was die für Spuren meinen? Weil unsere Antriebe stoßen doch nichts aus, dachte ich immer. Und dann habe ich bei Ariane eine Physikstunde genommen und was von der Hawkings-Strahlung erfahren. Die zusammen mit den Forschungen von Agon und ich wusste, warum Wächter so genau wissen, wo jeder in der Republik ist. Die können diese Rückstände der Quanten- und Singularitätsantriebe aufspüren."
"Mist, jetzt rächt es sich, dass wir in die Shuttels keine Waffen verbaut haben", sah Max verärgert in die Runde.
"Es müssen nicht unbedingt Waffen im herkömmlichen Sinne sein", sinnierte Zero. "Wir bauen die Batterien der Plasmakanonen in ein Shuttle und benutzen die Quatenrückstände als zusätzlich Energie für den Antrieb. So könnten wir für kurze Zeit die Geschwindigkeit der Noah-Klasse erreichen. So würde wir sogar durch das Zentrum eines Schwarzen Loches fliegen können."
"Ist das nicht jetzt eine ziemlich gewagte Theorie?", fragte ich "Außerdem was hat das alles bitte mit dem von Rumija gewünschten großen Auftritt zutun?"
"Wenn wir im All bleiben würden, nichts", teilte nun Max sein Wissen. "Aber du willst ja mit der Flotte bis in deren Raumhafen springen. Wenn wir da in einer Wolke explosiven Gases auftauchen und alles im Umkreis von drei Kilometern in Schutt und Asche legen, dann ist das zwar auch ein großer Auftritt, der bleibende Erinnerungen hinterlässt, aber keiner, den du wolltest. Tribanna ist höchstreaktiv, wenn es einer normal dichten Atmosphäre ausgesetzt wird."
Mist, dachte ich. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Dann erinnerte ich mich aber wieder an etwas anderes.
"Warum waren wir eigentlich damals mit der Noah-Klasse in der Hyperraumblase?"
"Weil wir denen so nahe kamen", bemerkte Juliet.
"Wenn wir mit den Gasen in den Batterien ein solche Blase erzeugen würden, müssten die anderen dann noch ihre Antriebe aktivieren? Wir könnten sie einfach mitziehen."
"Sie müssten uns dann schon ziemlich auf die Pelle rücken". dachte Max laut.
"Wir wären trotzdem noch immer deutlich Zwischen den anderen zu erkennen und das größte auf ihrem Dilpomatenhafen", bemerkte Zero. "Nur der Raumhafen bei ihrem Tempel hat laut Agon noch größere Schiffe. Auch wenn die uralt sein sollen. Die Republik ist schließlich geizig, was den Neubau von Schlachtschiffen angeht."
"Ich weiß gerade nicht, was ich daran schlecht finden soll", lächelte Juliet.
"Was machst du hier?", kam Alice auf die Brücke und meinte unsere Tochter. "Ich habe mir Sorgen gemacht und im ganzen Schiff gesucht."
"Ich war doch bei Papa."
"Ich schwöre euch beiden, wenn das hier vorbei ist, dann werde ich wieder eine Insel für euch finden und dann werdet ihr darüber nachdenken, was ihr so tut. Und wem ihr was wann sagt, habt ihr verstanden?"
Sie drehte sich um und stapfte von der Brücke. Juliet richtete sich mühsam auf.
"Ich geh mal zu ihr und lass mich von ihr ummuttern. Red wird sonst eifersüchtig, wenn ich mit dir auf der Insel hocke."
Nachdem sie gut weg war, fragte mich mein Sohn, warum er noch nicht mit mir auf einer Insel Zeit verbracht habe.
"Du warst sofort anständig und deine Frau hält dich wirkungsvoll davon ab, etwas verrücktes zu tun", grinste Zero.
"Verrückt wie mit einer ganzen Flotte auf einen Punkt auf einem Raumhafen zu springen, von dem wir noch nichtmal wissen, ob er erstens das Schiff aushält, wir zweitens nicht wissen, was mit der verdrängten Luft passiert und auch nicht, ob da schon jemand ist? Mir fällt derzeit nichts ein, was sowas toppen könnte."
"Die Luft, die haben wir vergessen", Zero schlug sich gegen den Kopf. "Wir bekommen das erste mal Verdrängung."
"Vielleicht sollten wir uns doch anmelden und denen sagen, die sollen den Bereich für die Flotte räumen. Dann ist es ihre Schuld, es nicht zu tun", überlegte Max. "Nur wie?"
"Weiht Rumijas Vater ein", kam wieder eine weibliche Stimme von der Tür. Red stand da. "Sag mal, Dad, hast du meine Frau gesehen? Ich mach mir ein bisschen Sorgen."
"Die ist bei Mama. Lässt sich bemuttern."
"Wie schön", seufzte Red.
"Geh auch zu ihr. Sie macht das dann auch bei dir."
Sie blieb unschlüssig in der Tür stehen, so als wolle sie sich nicht in eine besondere Situation einmischen: Das Mutter Tochter Ding.
"Bexie ist auch schon adoptiert. Die stand am Anfang auch so da wie du jetzt. Los, gib dir einen Ruck", erklärte Max und als Red dann weg war. "Ich glaube, das Parker-Mutter-Sein ist vererblich, auch wenn Oma schon nicht mehr lebt, ist ihr Erbe sich um jeden in der Familie zu kümmern, eingebaut. So gar Ariane regiert so. Die hat ihre Klasse adoptiert. Bexie hat zwei Jahre gebraucht, dass sie es verstand, weil sie es so nie kannte. Ich hoffe, Red versteht es schneller."
"Ja. Es wird auch ein Teil des großen Auftritts."
Zero starte auf den Plan, der über dem Tisch schwebte, wo man Flugparabeln und Energieberechnungen sah.
"Das haben wir auch noch nicht bedacht, wie treten wir auf?"
"Männer", schimpfte die nächste Stimme hinter uns. "Denken nur an ihre Spielzeuge. Raumschiffe, Flugboote, Shuttles. Hier, anziehen, die neue Paradeuniform."
Liän warf einen Haufen Stoff ab. Es sah etwas wie ein rheinisches Jeckenkostüm aus, im ersten Moment. Beim hochheben erkannte ich dann jedoch, dass dies nur Streifen waren, die die Seiten bildeten. Der Mittelteil war weiterhin Schwarz Lila.
"Die Farben stehen für unsere Föderation. Sie stehen dafür, dass wir Vielfalt befürworten und das Schwarz Lila in der Mitte, das wir sie beschützen werden, mit allem, was wir haben."
Ich küsste Liän auf eine Hand und kraulte ihre Mitte: "Danke Liän. Ohne dich wäre der große Auftritt wirklich nicht perfekt."
Sie klimpert verlegen mit den Augen.