Wie von Teufeln gehetzt ritt der Zwerg auf seinem Widder. Das lange Winterfell des Tieres schwang mit jedem Sprung, den es auf der kalten, regennassen Erde machte. Das angestrengte Schnauben des erschöpften Tieres begleitete Emre immerzu. Es schüttete und er war nass bis auf die Haut. Wie viel lieber wäre er jetzt mit seinem Zwillingsbruder an der heißen Esse gestanden und hätte Streitäxte für die Armee geschmiedet. Aber Eray würde die Arbeit alleine bewältigen müssen. Da alle anderen Männer bereits für den Krieg eingezogen worden waren, war Tion auf seinen alten Schulkameraden zurückgekommen. Emre konnte ihm die Bitte schlecht abschlagen, den Brief ins Elbenreich zu bringen. Wer hätte es sonst tun sollen? Tion hätte am liebsten auch noch Eray losgeschickt zu den Menschen. An allen Ecken und Enden fehlte es an Leuten. Ein tiefes Grollen riss den Waffenschmied aus seinen Gedanken. Und dann ging alles sehr schnell. Er wurde aus dem Sattel geschleudert, stieß mit dem Kopf gegen einen Baum. Zum Glück trug er einen Helm. Beim Fall zur Erde verletzte er sich jedoch unglücklich an der Schulter. Emre jaulte auf vor Schmerz. Im gleichen Moment hörte er das verzweifelte Brüllen seines Reittieres, gefolgt von einem widerwärtig, schmatzenden Geräusch. Instinktiv verkroch sich der Zwerg mit den krausgelockten schwarzen Haaren hinter dem Baum, gegen den er geschleudert worden war. Jede Bewegung fuhr ihm wie tausend Messer in die Schulter. Aber er blieb mucksmäuschenstill. Ein Vieh, das einen ausgewachsenen Bergwidder fraß, machte man besser nicht auf sich aufmerksam. Emres Herz raste. Einigermaßen erleichtert stellte er fest, dass, was immer es auch war, sich entfernte. Schwere Schritte und ein Geräusch wie das Schleifen von Mühlsteinen wurden immer schwächer. Er hatte keine Ahnung, wer oder was ihn da angegriffen hatte. Tion erwähnte einmal, er sei vom König des Menschenreiches Plarun vor einer neuen Gefahr gewarnt worden. Da er aber nichts Neues mehr von König Friedrich gehört habe, sei er der Warnung nicht weiter nachgegangen. Dem Waffenschmied schwante Übles. Schwer atmend erhob er sich, hielt die schmerzende Schulter möglichst ruhig und fixierte sie mit einem Streifen Stoff, den er sich aus der Kleidung riss. Er fand die Tasche mit dem Brief und allerlei nützlichen Kleinodien unversehrt an einem der niedrigeren Äste eines Baumes in der Nähe hängend. Sie musste davon geflogen sein, als er gestürzt war. Minutenlang mühte er sich ab, sie zu erreichen, bis die Tasche schließlich wieder in seinem Besitz war. Es hatte aufgehört zu regnen. Ohne Reittier würde er eine kleine Ewigkeit brauchen, aber es nützte nichts. Wenigstens war es erst jetzt passiert. In zwei Tagen würde er zu Fuß die erste Baumstadt erreichen, wo er den Brief an einen Elbenboten weitergeben und seine Verletzung behandeln lassen konnte. Emre biss die Zähne zusammen und marschierte los.