Die Jagdhörner schallten durchs Dickicht und die Hunde bellten wie verrückt im Jagdfieber. Sie hielten respektvoll Abstand zu Eros. Sie wussten genau, dass mit ihm nicht gut Kirschen essen war. Eros indes achtete darauf, nie zu weit voraus zu eilen. Er hatte die Spur des Zwölfenders längst entdeckt, noch bevor die Hunde seine Witterung aufgenommen hatten. Dennoch ließ er dem König den Vortritt und sorgte lediglich dafür, dass dieser freie Schussbahn hatte. Mit einem Blattschuss war das Tier erledigt. „Ein hervorragender Schuss, König Cámalon.“ „Zuviel der Ehre. Dennoch danke ich euch, dass ihr das Tier nicht einfach erlegt habt. Ich nehme an, es wäre ein Leichtes für euch gewesen. Wahrscheinlich hättet Ihr den Hirsch bereits vor einer Stunde erwischt, wenn wir nicht von den Hunden auf eine falsche Fährte geführt worden wären.“ König Cámalon stieg von seinem Schimmel und schritt zu seiner Beute. Die Hunde schnüffelten an dem toten Tier und winselten ergeben, als ihr Herr sie verscheuchte. „Euer Lob schmeichelt mir, Euer Majestät.“ Der Snift hatte Sakura längst bemerkt, die der Jagdgesellschaft in einiger Entfernung heimlich gefolgt war. „Verzeiht, ist es in Ordnung, wenn ich auf dem Weg zurück zum Schloss vorauseile? Da ich selbst gelaufen bin und dementsprechend verschwitzt bin, möchte ich vor dem Essen gerne noch ein Bad nehmen.“ Der König lachte. „Aber natürlich, das verstehen wir. Wahrlich, euer Volk ist sehr reinlich, da könnte sich manch ein Ritter eine Scheibe abschneiden.“ „Ich danke euch, Sire. Bis zum Abendessen dann also.“ Mit einer hastigen Verbeugung verabschiedete sich der Snift und verschwand zwischen den Bäumen. Seine Nüstern blähten sich, als er ihren Geruch gierig einsaugte. Wie zuvor den Hirsch, so jagte er nun Sakura. Sie hatte einigen Vorsprung, da sie sofort umgekehrt war, als der tödliche Schuss sein Ziel getroffen hatte. Eros kletterte auf den nächstbesten Baum und sprang von Ast zu Ast, von Baum zu Baum.
Im Nu hatte er bis auf wenige hundert Meter zu ihr aufgeschlossen. Er konnte bereits das Schnauben des Hengstes und das dumpfe Donnern der Hufe auf dem von Nadeln und trockenem Laub übersäten Waldboden hören. Sein Herz schlug schnell und sein Atem ging flach. Er war wirklich wie im Jagdfieber. Aber da mischte sich noch etwas anderes mit ein. Etwas, das er bisher nur vom Hörensagen kannte. „Hei-Yah!“ Ihre Stimme drang durch die Bäume wie schneidender Wind. Sie trieb Mamoru an. Wusste sie, dass er ihr auf den Fersen war? Trotz der Geschwindigkeit, die der schwarze Hengst vorlegte, gelang es dem Snift schließlich aufzuholen. Einige Augenblicke begnügte sich Eros damit über ihr in den Bäumen Schritt zu halten. Dann, als Sakura Mamoru etwas zügeln musste, weil der Pfad enger wurde, sprang er herunter und lief hinter ihr her. Die Tochter Yamatos schien nicht überrascht zu sein. Also wusste sie, dass er sie verfolgt hatte. Eros lächelte. Eine wilde Freude, die er sich nicht erklären konnte, durchflutete ihn. Als der Weg wieder breiter wurde, überholte er das Pferd und zwang so Sakura anzuhalten, wollte sie nicht den Unterhändler zu Tode trampeln.
Beide, sowohl Eros als auch Sakura, waren völlig außer Atem. Er lächelte immer noch. Sie nicht. Sie blitzte ihn wütend aus ihren braunen Augen an. Einen Moment herrschte Schweigen zwischen ihnen. Dann war der Moment vorbei. „Warum grinst Ihr so, Herr Unterhändler?“ „Wisst Ihr, dass Snift Gefühle wahrnehmen können, Fräulein Sakura?“ Sakura stockte der Atem. Ihre Unsicherheit übertrug sich auf Mamoru, der nun noch nervöser hin und her zu tänzelte. „Wir können Angst und Aufregung riechen, fast so wie Hunde. Das macht es uns einfacher, unsere Beute zu jagen.“ „Untersteht Euch, mich als Eure Beute zu bezeichnen.“ Sie versuchte kühl und abweisend zu wirken, aber ein Zittern in ihrer Stimme, das sie nicht ganz unterdrücken konnte, verriet sie. Sie wusste, sie musste weg von ihm, sonst würde es gefährlich werden. Sie glaubte zwar nicht, dass er sie angreifen würde, aber sie traute sich selbst nicht mehr. „Lasst mich vorbei.“ Der flehentliche Unterton, der sich eingeschlichen hatte, veranlasste Eros dazu, Platz zu machen. Er wollte nicht, dass sie ihn noch mehr hasste, als sie es ohnehin tat. Vor allem, weil ihm bewusst war, dass diese Mauer aus Hass bereits am Bröckeln war. Er ließ sie gewähren. Sakura preschte an ihm vorbei, als wären alle Teufel der Hölle hinter ihr her.
Der Snift gab sich ein paar Augenblicke um Auszuruhen. Auch um der Frau und dem Pferd einen gewissen Vorsprung zu gewähren. Schließlich lief er weiter Richtung Schloss, wo er sein Bad nehmen würde. Er freute sich schon auf den köstlichen Hirschbraten.