Wir hatten zwar die Wölfe in das Raumschiff verfrachtet, die passten aber auch durch die Tür an der Oberfläche. Die meisten anderen Tiere nicht. Und selbst wenn wir es mit denen versuchten, die durchpassten, würden wir Jahre brauchen.
Die Tiere waren ursprünglich durch die Tunnel der Riesenmaulwürfe geflohen und am besten brachten wir sie auf demselben Weg zurück. Nur von den knuffigen Killerwühlern war mir keiner auf den Bildern der Kameras aufgefallen. Der einzige Maulwurf, den ich je zu Gesicht bekommen hatte, lag am Rand der Ruinen, durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Klara wusste sicher, wo die steckten. Besser, ich klärte das, bevor irgendjemand sie ausflog oder dazu zwang.
Die Raubkatze hatte sich inzwischen zufrieden vor Klara zusammengerollt, die sich nach einem neuen Spielgefährten umsah. Diese Chance nutzte ich.
"Hey Klara, wart mal 'nen Moment!"
"Hey Daniel! Pass lieber auf. Kitty meint, dass du lecker riechst."
"Großartig? Ich hoffe, du kannst sie davon überzeugen, dass ich aber nicht lecker schmecke."
"Hm, vielleicht." Sie grinste mich an. Sie nahm mich auf den Arm, oder? Oder nicht?
"Ich brauche deine Hilfe. Erinnerst du dich noch an den Riesenmaulwurf, vor dem wir weggerannt sind?"
"Na klar, ich bin doch nicht doof!"
Ja, warum fragte ich auch?
"Weißt du, ob es von denen noch mehr gibt?"
"Ja, sie sind unter uns."
Ich sah mich um, konnte aber keinen erkennen. Sie zeigte auf den Boden, da dämmerte mir, was sie meinte.
"Okay. Ich kann mir vorstellen, dass du jetzt mit all deinen neuen Freunden spielen willst, aber die sind im Raumschiff eigentlich besser aufgehoben."
"Weil du hier draußen noch mehr Schnee verschwinden lässt? Die Tiere hatten wirklich Angst, als du das gemacht hast."
"Es tut mir leid. Aber ich muss den Schnee verschwinden lassen. Im Raumschiff gibt es genug davon für alle."
"Aber wenn die Tiere alle im Raumschiff sind, dann müssen sie doch gehen, oder?" Klara sah mich mit großen Kulleraugen an, als sie diese Frage stellte.
"Sie gehen dann aber dahin, wo sie eigentlich hingehören."
"Aber sie wollen doch gar nicht wo anders hin. Es soll nur kalt sein. Und ich will auch nicht, dass sie gehen!" Sie schob die Unterlippe hervor und schniefte.
Okay, das war jetzt eine Situation, bei der ich vorsichtig sein musste. Fraßen mich die Tiere, wenn Klara traurig war oder die Kontrolle verlor?
"Gibt es hier nicht noch andere Tiere, mit denen du spielen kannst, selbst wenn wir diese hier wieder nach Hause schicken?"
"Das sind dann aber nicht dieselben. Ich will nicht, das Fipsi geht!"
"Und wenn wir Fipsi hierbehalten?"
"Ich will auch nicht, dass Kitty geht!"
Ich sah, wohin das führen würde. Klaras Logik nach mussten wir letztendlich jedes Tier hierbehalten.
"Du willst mit ihnen allen zusammen bleiben, verstanden. Aber wir können dich nicht auch ins Weltall schießen."
"Nicht? Das wär aber bestimmt lustig. Vielleicht treff ich dann den Mann im Mond oder grüne Männchen."
Konnten wir wirklich nicht? Vielleicht würde ich sie austricksen müssen, damit sie mir half. Ich hasste mich schon jetzt dafür, weil das kein Stück besser war, als das, was die anderen getan hätten.
"Okay, pass auf. Du hilfst mir, die Tiere auf das Schiff zu bringen, und ich helfe dir auf dem Schiff zu bleiben, bis es startet."
"Ehrlich? Au ja!"
"Ehrlich! Können diese Augen lügen."
Konnten sie und ich gab mir die größte Mühe, sie ganz besonders ehrlich aussehen zu lassen.
"Das wird lustig."
"Das wird es." Ich lächelte und sie strahlte. "Aber bevor es lustig wird, wird es aber erst mal sehr anstrengend."
"Och nö, anstrengende Sachen machen keinen Spaß."
"Tut mir leid, aber wenn du mir nicht hilfst, tun die Soldaten den Tieren weh. Die benutzen dann die Betäubungsgewehre und schleifen sie über den Boden."
Die Soldaten hatten keine Hemmungen abzudrücken. Warum auch, es waren ja nur Betäubungsgewehre.
"Okay, du hast gewonnen, was soll ich tun?"
. * .
Klara ließ einen Tunnel graben, der zu der ersten Öffnung unter der Erde führte und Stück für Stück arbeiteten wir uns durch die Gruppen der Tiere hindurch. Wir begannen mit den Fleischfressern.
Klara stellte sich nur neben jede Gruppe, sagte aber nichts. Die Tiere marschierten einfach los, dort, wohin sie sollten. Ich wusste nicht, wie sie es machte. Gedankenübertragung oder Körpersprache, die ich nicht erkannte? Ich würde sie später fragen, wenn wir eine Pause machten. Falls sich dazu noch eine Gelegenheit bot. Wenn sie herausbekam, dass ich sie ausgetrickst hatte, würde sie wahrscheinlich nie wieder mit mir sprechen wollen. Und ich würde umziehen müssen, um nicht ständiges Ziel von Angriffen herumstreunender Katzen zu werden.
Natürlich nur, falls sie ihre Fähigkeit behielt, sobald das Raumschiff verschwunden war.
Bei jeder Art, die den Weg in das Schiff fand, musste ich die Energie für die Energiefelder umverteilen. Das Schiff generierte momentan hauptsächlich Energie aus Sonnenlicht. Erstaunlich, wie effizient das geschah. Die gespeicherte Energie reichte jedoch gerade aus, um alle Kraftfelder aufrechtzuerhalten, bis der nächste Tag kam und die Sonne wieder aufging. Ich wusste nicht, was geschah, wenn die stärkeren Tiere versuchten, auszubrechen.
Am folgenden Tag mussten wir also so schnell wie möglich an einer Materialbeschaffung zur Reparatur der Hülle arbeiten. Oder noch in der Nacht. Experten hatten wir ja genug. Wenn wir eine Pause einlegten, musste ich den Befehlshaber oder Professor Kudyan darauf ansprechen. Falls Dr. Pfaff das nicht schon getan hatte. Aber die konnte auch nicht von allem eine Ahnung haben.
Durch die Nutzung der Bordsysteme, der Kameras, Mikros und Lautsprecher hatte ich das Gefühl, tatsächlich mit den Soldaten unterwegs zu sein, die das Verladen der Tiere überwachten. Ob ich es vermissen würde, wenn ich diese Möglichkeiten nicht mehr hatte? Vielleicht sollte ich Klara wirklich auf dem Schiff lassen und sie einfach begleiten?
Nach den Raubtieren kamen die Pflanzenfresser. Dann zeigte unser Plan die ersten Mängel.
"Team Alpha hier", rauschte es über das Funknetz, das ich mit dem Schiff verbunden hatte. "Habt ihr das gehört, Kontrollzentrum?"
"Kontrollzentrum hier", betätigte der Befehlshaber, der für das Verladen der Tiere temporär sein Hauptquartier bei mir eingerichtet hatte. "Negativ."
Die Tunnel waren auf weiten Strecken ein blinder Fleck für uns. Team Alpha stand im Inneren des Raumschiffs, um, was auch immer zu tun, immerhin lenkte Klara jetzt die Tiere. Dann vibrierte das Schiff.
"Team Alpha, was ist bei euch los?"
"Der Tunnel ist eingestürzt!"
Die Tunnel waren nicht wirklich stabil und wir hatten kein Material, um sie zu stützen. Momentan trampelten da die Mammuts durch. Kein Wunder, dass sie nicht hielten.
"Team Bravo hier -"
"Diese Idioten wollten einfach nicht warten!", unterbrach Klaras Stimme den Soldaten, der mit ihr draußen am Eingang des Tunnels stand. "Sie wollten unbedingt, dass mehrere Mammuts auf einmal gehen, statt eines nach dem anderen."
"Warum hast du nichts gesagt?", fragte ich.
"Wie denn, ohne Funkgerät?"
Ich seufzte. Das hatte ich damit gemeint, dass die Armee alles schlimmer machte. Schlimmere Trampeltiere als die Mammuts. "Kannst du die Mammuts retten?"
"Ich versuche es. Aber ich bin sauer. Wirklich!"
"Danke, Klara, du machst das toll", kommentierte der Befehlshaber. "Und Team Bravo, hört auf das Mädchen! Kontrollzentrum, Ende."
"Verstanden. Team Bravo, Ende."
Klara schickte die Maulwürfe zur Rettung, aber nicht alle Mammuts erreichten lebend ihr Ziel. Genug, dass diese Art nicht nochmal ausstarb. Das hoffte ich wenigstens. Wenn jemals eine Tierschutzorganisation von dieser Aktion Wind bekam, hatten wir keine ruhige Minute mehr.
So verging die Nacht, und als der Morgen dämmerte, waren wir alle erschöpft, die Arbeit aber noch nicht vollends vollbracht. Klara wollte schlafen. Sie musste schlafen. Auch mir fiel es zunehmend schwerer, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Ob die restlichen Tiere ruhig blieben, wenn Klara nicht mehr wach war? Wir entschlossen uns, uns in das Schiff zurückzuziehen und die Tür zu schließen, bevor wir uns ausruhten. Ich programmierte einige Kameras darauf, den verbliebenen Herden zu folgen, falls sie die Flucht ergriffen, und trennte die Verbindung zum Schiff. Dann jagte ich den Befehlshaber hinaus.
Aus einer olivfarbenen Decke, mit freundlichen Grüßen der Armee, und mit meinem Schneeanzug baute ich mir ein Nachtlager im Raum mit den Tanks. Der Schlaf ließ nicht lange auf sich warten. Am Anfang sah ich im Halbschlaf immer noch Menüs, Nullen und Einsen, die von wilden Tieren gejagt wurden, dann kam ich aber zur Ruhe.
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Das Auto schlug mit der Nase auf. Metall quietschte und der Airbag wurde ausgelöst. Die Frontscheibe splitterte und wenige Zentimeter neben mir hatte ein Ast das Glas punktiert.
Ich konnte meine Beine nicht bewegen. Waren sie gebrochen? Ich war nicht sehr schnell gewesen, deswegen lebte ich noch. Über mir hörte ich andere Autos anhalten. Stimmen, die ich nicht verstand.
Der trockene Geruch des Airbags lag mir in der Nase, vermischte sich mit ausgelaufenem Benzin und verbrannter Elektronik. Das Auto war so kaputt wie ich. Warum dauerte das nur so lange, bis Hilfe kam?
Die Heizung des Autos arbeitete nicht mehr und durch die zerstörte Scheibe drang die Kälte ein. Ich hasste die Kälte.
Dann sah ich Blaulicht aufflackern.
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Die Decke war weggerutscht, deswegen war mir kalt. Das blaue Flackern der Datenströme trug auch nicht gerade zu einem ruhigen Schlaf bei. Ich berührte die Wand und hüllte den Raum in Dunkelheit. Dann zog ich die Decke zurecht und drehte mich wieder um. Der Albtraum beunruhigte mich nicht. Wie leicht konnte hier alles schief gehen. 'Eine normale Reaktion', sagte ich mir und schlief wieder ein.