Prompt: Postkarte von Irgendwo
Datum: 19.04.2020
Nachgeschrieben am: 14.07.2020 15:30 - 15:45
"Mama, schau mal, was ich ganz hinten in der Schublade gefunden habe", rief Jannik aufgeregt und hielt ihr eine vergilbte Postkarte entgegen.
Nadine nahm sie entgegen und betrachtete sie mit einem schmerzlichen Lächeln. So lange schon hatte sie das Stück Pappe nicht mehr gesehen; es ignoriert und doch so oft in den Händen gehalten, dass der Glanz an einigen Stellen abgegriffen war.
"Mama?"
Janniks Stimme klang unsicher. So unsicher sollte kein Fünfjähriger je klingen.
Als sie von der Karte aufblickte und merkte, wie verschwommen ihr Blick war, verstand sie, weshalb ihr Sohn so unsicher war.
Sie weinte.
Kein Ton kam über ihre Lippen dabei.
Weiche Kinderhände strichen behutsam die Tränen weg.
"Warum weinst du, Mama? Und woher kommt die Karte?" wollte Jannik wissen.
Einen Moment lang schloss Nadine ihre Augen, atmete ein und wieder aus, bevor sie Jannik sanft anlächelte.
"Die Postkarte kommt von Irgendwo", sagte sie. "Sie ist die letzte Nachricht von jemandem, der mir sehr viel bedeutet. Wenn du älter bist, erzähle ich dir von ihm"
Trotz Janniks drängender Fragen gab sie nicht nach.
Denn wie sollte sie einem fünfjährigen Jungen erklären, dass Lukas, der Mann an ihrer Seite, nicht sein leiblicher Papa war, sondern dessen bester Freund und dass sein Papa in Afghanistan gefallen war, kurz nachdem er diese Karte abgeschickt und lange bevor sie Lukas kennen gelernt hatte.